Die 29-jährige Katharina Jünger hielt zuletzt elf Prozent an ihrem Startup Teleclinic.

Sie wurde für ihre Vision belächelt, musste sich jahrelang mit Regularien herumschlagen und hat den Markt für Online-Sprechstunden in Deutschland maßgeblich mitaufgebaut. Nun hat die Münchener Gründerin Katharina Jünger ihr Startup Teleclinic an die Schweizer Gruppe Zur Rose verkauft, Mutter von Docmorris. Einen mittleren achtstelligen Betrag bezahlte der Konzern hinter mehreren Online-Apotheken.

Teleclinic arbeitet seit 2015 an einem Portal, über das Ärzte per Videoanruf Ferndiagnosen abgeben sowie Krankschreibungen und Rezepte ausstellen können. Seit zwei Jahren erst ist der Service in ganz Deutschland erlaubt, vorher bot das Startup seine Plattform in enzelnen Modellprojekten an. Für Kassenpatienten ist die Online-Sprechstunde mittlerweile kostenlos. Die Mediziner geben einen Teil ihres Verdienstes in Form einer Plattformgebühr ab. Außerdem erhält Teleclinic einen jährlichen Betrag von den teilnehmenden Krankenkassen. 

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Im Interview mit Gründerszene spricht Katharina Jünger über den spontanen Exit und die Zukunft der Telemedizin und ihrer Marke.

Katharina, du hast fünf Jahre lang versucht, in Deutschland einen Markt für Telemedizin aufzubauen. Durch die Corona-Pandemie hat Teleclinic endlich einen Boom erlebt und nun verkaufst du die Firma. War das zu früh – steht das Geschäft nicht erts am Anfang?

Die Telemedizin-Geschichte hört ja jetzt nicht auf, auch nicht bei mir. Das ist ein Multimilliardenmarkt. Die Frage für uns war immer, mit wem wir die besten Chancen haben, die Teleclinic-Mission so schnell wie möglich umzusetzen. Telemedizin ist ein sehr regulierter und kapitalintensiver Markt. Wir hätten auch mit einem Finanzinvestor weitermachen können. Eigentlich wären wir schon vor sieben Wochen beim Notar gewesen, hatten sogar eine sehr gute Runde zusammen bekommen. Wir haben uns dann aber umentschieden.

Ist die Finanzierungsrunde spontan geplatzt?

Nein.

Wieso habt ihr euch dann für eine Übernahme entschieden?

Ich kenne den CEO von Docmorris schon viele Jahre und wir waren immer wieder in Gesprächen. Für mich hat eine Partnerschaft nie Sinn ergeben, weil Docmorris sehr Uber-mäßig war und aktiv gegen die Apotheken vor Ort vorgegangen ist. Teleclinic ist hingegen einen integrativen Ansatz gefahren, um die niedergelassenen Apotheker und Ärzte zu unterstützen.

Wieso hast dich dann entschieden, trotzdem mit ihnen zusammenzuarbeiten?

Docmorris hat vor einem Jahr einen Strategiewechsel hingelegt. Auf der neuen Plattform können sich nun sämtliche Apotheker anmelden und selbst Rezepte empfangen. Das war der Punkt, an dem ich dachte, dass Docmorris doch gut zu uns passen könnte. Wir haben in den vergangenen Monaten gemerkt, dass unsere Costumer Journey nicht beim Arzt aufhört, sondern beim Medikament. Denn bei der Hälfte unserer Fälle brauchen Kunden ein Medikament. Daher müssen wir diesen Teil auch kontrollieren. Das hätte aber bedeutet, dass wir neben dem Arztmarktplatz noch einen für Apotheken aufbauen müssten und das wäre irgendwann zu komplex und teuer geworden. Daher haben wir überlegt, warum wir uns nicht mit einem Marktplatz für Apotheken zusammenschließen. In der Realität kennt man das ja auch so: Oben sitzt der Arzt und unten die Apotheke.

Heißt das, dass Konzept Telemedizin ist so nicht tragbar und erfordert eine andere Lösung?

Aus Unternehmenssicht gibt es verschiedene Geschäftsmodelle in der Telemedizin. In den USA arbeiten die Startups eng mit den Arbeitgebern zusammen. In der Schweiz eher mit den Krankenversicherern. Es hängt vom Markt ab, was das richtige Konzept ist. Ein reines B2C-Modell, das sich nur über Ärztegebühren finanziert, wird nicht reichen – das haben wir schon seit Tag eins gesagt. Wir finanzieren uns daher stark über Partnerschaften mit Krankenkassen und Apotheken. 

Screenshot der Teleclinic-App
Rund 250 Arztpraxen sind bei Teleclinic angemeldet, um Patienten auch digital zu behandeln.

Der schwedische Anbieter Kry hat allein in seiner letzten Finanzierungsrunde Anfang des Jahres 140 Millionen Euro bekommen. Viel mehr als euer Unternehmen beim Verkauf wert war.

Das ist ja nicht der Betrag, mit dem wir arbeiten werden. Das ist der Betrag, der für die Firma bezahlt wurde. Das geht an unsere Gesellschafter. Die Zur Rose Gruppe hat in einer aktuellen Kapitalerhöhung 200 Millionen Euro bekommen. Da steht uns nochmal deutlich mehr Geld zur Verfügung.

Wie geht es mit Teleclinic weiter?

Das Team bleibt, die Marke bleibt, das Büro in München bleibt. Zur Rose hat in der Vergangenheit schon andere Unternehmen gekauft, mit den Gründern habe ich vorher geredet. Alle meinten, es hätte sich auch nach zwei Jahren nichts bei ihnen verändert. Der einzige Unterschied sei, dass sie einen endlosen Zugang zu Kapital haben und größer denken können. Und so geht es uns dann auch. Das heißt nicht, dass ich meine Anteile ausgecasht habe und noch ein bisschen arbeite, ohne wirklich motiviert zu sein. Im Gegenteil: Für mich ist es unternehmerisch mindestens genauso interessant wie vorher. 

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 Bild: Teleclinic