Ein Telefonassistent kann dabei helfen, die Kommunikation in der Arztpraxis effektiver zu gestalten.
Software kann dabei helfen, die Kommunikation in der Arztpraxis effektiver zu gestalten.

Für Anrufer eine Geduldsprobe, für Arzthelfer eine ebenso zeitaufwändige wie unproduktive Last: Patientengespräche am Telefon. Meist geht es nur um kleine Probleme, die schnell zu lösen wären: eine Terminvereinbarung, das Ausstellen eines Folgerezepts, die Bitte um eine Überweisung. Eigentlich sind das einfache Anliegen, würden die Anrufer oft nicht Romane erzählen, damit die Telefonleitung für andere Anrufer blockieren und dem Praxispersonal wichtige Zeit stehlen.

Das Startup Aaron.ai hat eine Software erfunden, die dem Praxispersonal bei der Bewältigung solcher Aufgaben hilft und viel Arbeit abnimmt ­– eine Art intelligenter Anrufbeantworter, der mitschreibt, eine Alternative zur Warteschleife nach dem Schema: Wollen sie einen Termin, drücken sie die Taste Eins. Wollen sie ein Rezept, drücken sie die Taste Zwei.

Mit ihrer Idee haben es die Berliner in das Projekt Zukunftspraxis 2020 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung geschafft, was dem Startup nicht nur Aufmerksamkeit verschafft, sondern auch die Chance, ihre Software im Rahmen des Pilotversuchs in 50 Arztpraxen zu erproben. 2021 wird ausgewertet, wie sie Effizienz und Qualität beeinflusst. Die erste Resonanz fällt positiv aus. In mehreren Fachbeiträgen sprechen Ärzte von einer erheblichen Zeitersparnis.

KI erkennt das Anliegen des Patienten

Kern von Aaron.ai ist eine Software für das Erkennen natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP). Sie erkennt das Anliegen des Anrufers und kann entsprechende Fragen stellen, etwa um welches Medikament es sich genau handelt, das ein Patient verschrieben haben möchte. Die Software transkribiert die Angaben des Anrufers. Das ermöglicht es Arzthelferinnen und -helfern, das Anliegen des Patienten zeitsparend am Bildschirm zu bearbeiten, wenn sie Zeit dazu haben.

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Im Sommer will das Startup sein nächstes Produkt in den Einsatz bringen, das bestehende Arbeitsabläufe vollautomatisiert. „Dann wird es möglich, einen Termin mit dem Assistenten zu vereinbaren und direkt im Praxiskalender zu speichern“, erläutert Richard von Schaewen, der das Startup zusammen mit Tobias Wagenführer und Iwan Lappo-Danilewski gegründet hat. 

Mit dieser Erweiterung könnte es dem Startup gelingen, eine Kette von mehreren Bausteinen in der sogenannten „Patient Journey“ abzubilden, also im Weg eines Kranken vom Erstkontakt bis zur Heilung durch das Gesundheitssystem.

Telefonassistent für viele Branchen

Aaron.ai arbeitet seit 2015 daran, telefonische Kontakte zwischen Menschen und Organisationen zu automatisieren. Angefangen hat alles mit einem Exist-Stipendium an der Humboldt-Universität in Berlin. Damals hatte das Team zum Ziel, Kommunikationsprozesse in der  Wirtschaft zu verbessern – bei Verkehrsunternehmen oder der Industrie. Im Laufe der Zeit hat sich das Unternehmen auf medizinische Fragen spezialisiert. Gleichwohl verstehen die Gründer ihre Software nicht als Medizinprodukt. Diagnosen zu stellen, bleibt dem Arzt überlassen.

Mit diesem Konzept steht das Startup nicht alleine auf dem Markt. Auch andere Firmen streben auf den Kommunikationsmarkt. Simon Kuttruf verfolgt mit seinem Praxisconcierge eine ähnliche Strategie, steht damit aber noch ganz am Anfang. Kürzlich hat das Startup am „EUvsVirus-Hackathon“ teilgenommen und dort eine Monitoring-Software für ambulante Corona-Patienten vorgestellt Praxisconcierge sucht nun eine Möglichkeit, diese Idee zu vermarkten. Der Weg, den Aaron eingeschlagen hat, könnte hier eine Lösung sein.

Jürgen Stüber schreibt bei Gründerszene über die digitale Gesundheitswirtschaft. Jeden Freitag lest ihr hier die Kolumne Healthy Business, die einen Blick auf die Gesundheitsbranche wirft. Die Kolumne der vorigen Woche findet ihr hier:

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Bild: Getty / DigitalVision