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Corona hat die Sportwelt verändert. Die Branche boomt dank Onlinekursen, auch wenn noch nicht absehbar ist, ob sich die Angebote auszahlen werden.

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Als im März wegen Corona alle Studios ihren Betrieb einstellen mussten, rückte die Digitalisierung von Fitnesskursen auf der Prioritätenliste schlagartig nach ganz oben. Denn Trainerinnen und Kursanbieter mussten um ihre Existenz bangen – und mit ihnen die Plattformen, die ihre Kurse vermitteln. Binnen kürzester Zeit wurden Kameras angeschafft und die Infrastruktur für Online-Kurse aufgebaut. Flatrate-Plattformen wie Urban Sports Club (USC) oder Classpass unterstützten nicht nur einige ihrer Partner mit zusätzlichen Ausschüttungen, sondern halfen auch dabei, digitale Sportangebote zu bewerben. Die Hoffnungen waren groß, auch weil die Einnahmen ausblieben.

Die Hälfte aller USC-Mitglieder hatten ihre Mitgliedschaft zwischenzeitlich pausiert. Ein halbes Jahr später zeigt sich: Bisher ist die Online-Offensive nicht wie gehofft von den Mitgliedern angenommen worden. Zeitweise brach die Nachfrage um 80 Prozent ein. Sowohl USC als auch Classpass sind gerade dabei, ihr Geschäftsmodell nochmals neu zu priorisieren. Im Fokus stehen nun vor allem Firmenkunden. Denn die sind weniger sprunghaft als Mitglieder, die monatlich ihre Flatrate kündigen können. Eine Strategie, mit der sie dem Softbank-finanzierten Wettbewerber Gympass in die Quere kommen, der ausschließlich auf das B2B-Modell setzt.

Was zum Sinneswandel von USC beigetragen hat

Als Mitte des Jahres der Besuch von Studios allmählich wieder erlaubt wurde, brach bei USC die Nachfrage für Online-Kurse massiv ein. Die anfänglich rund 1.000 Partner in Deutschland, die im Eilverfahren Livestreaming-Angebote zur Verfügung stellten, wurden zwischenzeitlich auf 50 gedrosselt, wie Business Insider berichtete. Die Folge war Protest aufseiten der verschmähten Partner, die teilweise gar nicht oder zu spät von der Plattform über das Ende ihrer Online-Kurse informiert wurden. Wenig später prangerten Yogalehrerinnen und -lehrer unfaire Bezahlungsmethoden von USC an.

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Der Plattformbetreiber musste auf Kurzarbeit umstellen und ist von der Situation teilweise überfordert. „Wir haben tatsächlich so viele Partneranfragen, dass wir sie kaum alle bearbeiten können“, sagt USC-Gründer Benjamin Roth gegenüber Gründerszene. Mittlerweile sind es laut dem Unternehmen wieder rund 90 Partner, die in Deutschland Kurse online streamen. Das Angebot soll langsam der Nachfrage entsprechend wieder ausgebaut werden.

„Die Zukunft ist Hybrid. Das Trainingsverhalten unserer Mitglieder zeigt, dass 80 Prozent jetzt wieder vor Ort bei den Partnern im Freien oder im Studio trainieren und 20 Prozent mit Onlinekursen per Livestream“, so Roth. Man unterstütze Studios aber weiterhin darin, bessere Online-Angebote zu schaffen. Im gleichen Atemzug betont Roth, dass vor allem Firmen an flexiblen Modellen interessiert seien – auch weil Homeoffice ein immer größeres Thema wird. „Wir haben über 1.500 Firmenkunden. Das ist für viele Partner interessant, da diese Zielgruppe für sie sonst nur schwer oder gar nicht erreichbar wäre“, sagt Roth. Zu den Firmenkunden zählen unter anderem der Versicherer Axa, das Mobilitäts-Unternehmen Freenow, der Lieferservice Delivery Hero, der Discounter Lidl, die Smartphone-Bank N26 und die Beratungsfirma BCG.

 

Fast die Hälfte der USC-Mitglieder sollen an B2B-Verträge mit Firmenkunden gekoppelt sein, wie ein Dokument von Europeactive, der ​​European Health and Fitness Association (EHFA), zeigt, das Mitte Juli erschienen ist. „Wir haben in den letzten sechs Monaten einen Anstieg der B2B-Mitglieder verzeichnet und trotz des Lockdowns mehr als 250 neue Partner gewonnen. Wir erwarten, dass der Anteil der Mitglieder, die subventionierte B2B-Mitgliedschaften haben, auch in den nächsten Monaten stärker wachsen werden als das B2C-Geschäft“, heißt es in dem Schreiben von Roth.

Die Mitgliederanzahl von USC bewegt sich nach Schätzungen im mittleren sechsstelligen Bereich, eigene Angaben möchte das Unternehmen dazu nicht machen. Die Verträge mit Firmen können beispielsweise so aussehen, dass diese ihren Mitarbeitern die Flatrate vergünstigt anbieten oder die Kosten ganz übernehmen.

 

Downloads der App von Urban Sports Club auf Android und iOS seit Anfang des Jahres. Nach dem Hoch im Januar durch die Neujahrsvorsätze folgte Mitte März der Einbruch wegen Corona. (Quelle: Airnow Data)

 

Der Vorteil für Urban Sports Club: kontinuierliche Einnahmen und längere Vertragsfristen. Ein Unternehmen mit Hunderten von Mitarbeitern springt nicht so schnell ab, wie ein einzelner Endkunde. „Mitarbeiterbenefits für die Gesundheit“ – lautet der Slogan, mit dem USC versucht, Firmenkunden zu akquirieren. In Zeiten von Corona, in denen Ausfälle von Mitarbeitern auch bei leichten Krankheitssymptomen, die nicht unbedingt im Zusammenhang mit Covid-19 stehen müssen, zum Regelfall gehören, haben Unternehmen ein noch größeres Interesse daran, dass ihre Belegschaft durch Wellness-, Sport- und Achtsamkeitsangebote gesund bleibt. Ein Claim, den auch Classpass teilt.

Wie der US-Wettbewerber Classpass vorgeht

Das Angebot von USC und dem amerikanischen Pendant Classpass ähnelt sich in vielerlei Hinsicht. „Wir sind in diesem Jahr mit unserem Corporate-Fitness-Programm gestartet und gewinnen jeden Monat neue Unternehmen als Partner“, sagt Classpass‘ DACH-Chef Markus Büchtmann zu Gründerszene. In Kürze werde eine B2B-Partnerschaft mit einem der größten deutschen Medienunternehmen bekannt gegeben. Die Zahl an hiesigen Partnern liege noch unter dem dreistelligen Bereich. Corona habe zu Verzögerungen der Corporate-Strategie geführt, so Büchtmann.

Auch Classpass habe den Einbruch der Onlinenachfrage durch die Wiedereröffnung der Studios zu spüren bekommen, bestätigt er. Wie stark sie zurückgegangen ist, möchte er nicht kommunizieren. Classpass setzt zusätzlich zum Livestream auf ein On-Demand-Angebot, also für Mitglieder jederzeit frei abrufbare Sportvideos aus der ganzen Welt. Hier handle es sich um eine vierstellige Anzahl von Kursen, so Büchtmann. USC hat sich nach eigenen Angaben bewusst gegen diese Strategie entschieden, um Partner zu unterstützen, die an jedem Livestream mitverdienen. Bei Classpass kämen etwa 340 Partner in Deutschland hinzu, die Live-Kurse online anbieten, heißt es von Büchtmann. Weltweit sollen derzeit 50.000 Online-Kurse über die Plattform zur Verfügung stehen.

Das 2013 gegründete Unternehmen hat 2019 den deutschen Markt betreten. Classpass ist Crunchbase zufolge mit 549 Millionen Dollar finanziert, allein im Januar dieses Jahres sind 285 Millionen an Risikokapital hinzugekommen. USC hatte zuletzt im Dezember eine Runde abgeschlossen, allerdings die Höhe nicht kommuniziert. 2018 hatte das deutsche Startup eine zweistellige Millionensumme in Euro eingesammelt und einige europäische Wettbewerber geschluckt.

 

 

Von der Classpass-App standen nur Download-Daten für iOS zur Verfügung. (Quelle: Airnow Data)

Wie Gympass auf die Konkurrenz reagiert

Beide Unternehmen könnten dem dritten Anbieter Gympass, der ein vergleichbares Sport- und Wellness-Angebot hat, mit ihrer B2B-Offensive auf lange Sicht in die Quere kommen. Denn das ursprünglich in Brasilien gestartete Unternehmen mit weltweit rund 1.000 Mitarbeitern macht ausschließlich mit Firmenkunden Geschäfte. Hierzu zählen unter anderem die Bank Santander und die UK-Supermarktkette Tesco.

In Deutschland zählen nach eigenen Angaben die Unternehmensberatung Deloitte und der Versicherer Allianz dazu. Die genaue Anzahl an Firmenkunden möchte Ralf Aigner, Gympass-Geschäftsführer für Deutschland, nicht preisgeben. Nur so viel: Man konzentriere sich auf Firmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern. Und hier sei die Konkurrenz mit USC und Classpass noch nicht zu spüren, so Aigner. Zum Vergleich: Lidl hat etwa 83.000 Mitarbeiter in Deutschland und ist Partner von Urban Sports Club. USC kooperiert neuerdings auch mit Fitness First, einem der weltweit größten Fitnessstudiobetreiber. In Deutschland sind zehn Studios der Kette auf der Plattform. Die Rechnung ist simpel: Je größer der Pool und je erreichbarer die Angebote für Mitglieder sind, desto attraktiver ist eine Fitness-Flatrate für Firmen.

 

 

Downloads der App von Gympass auf Android und iOS seit Anfang des Jahres. (Quelle: Airnow Data)

Auch Gympass hat sein Online-Angebot über Corona weiter ausgebaut. Gympass kombiniert sein Sportangebot mit 20 anderen Trainings-Apps wie dem Workoutplaner 8fit oder Neou. Derzeit seien auf der Plattform 44 Trainings im Angebot, so Aigner. Neuerdings sei auch ein digitales Personal Training im Programm – ein Markt, der unter anderem von den ehemaligen Evopark-Gründern mit ihrem neuen Startup Vation anvisiert wird.

Bei einer internen Umfrage unter den Gympass-Mitgliedern, so Aigner, sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass 17 Prozent auch in Zukunft Online- und Vor-Ort-Angebote kombinieren wollen. 14 Prozent wollten ganz auf virtuelles Training umsteigen, heißt es. „Besonders die Entwicklungen der vergangenen Wochen haben uns gezeigt, dass sich die Situation jederzeit wieder drehen kann“, sagt Aigner. Deshalb setzt Gympass auch weiterhin auf den Ausbau der digitalen Angebote. „Generell rechnen wir mittel- und langfristig mit einer Verzahnung beider Welten.“

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Bild: Getty Images/Carrastock; Mitarbeit: Daniel Hüfner; Der Artikel wurde nachträglich angepasst
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