Für Startups spielt das Arbeitszeugnis meist eine untergeordnete Rolle: Persönliche Empfehlungen, Profile im Web und Eignungstests beeinflussen die Auswahl der ersten Mitarbeiter stärker. Und wenn einmal ein Zeugnis angefordert wird, greifen Gründer, die in der Regel über keine Personalfachkräfte verfügen, gerne auf Textvorlagen zurück, um das Thema schnell vom Tisch zu haben…

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Arbeitszeugnisse bieten einige Vorteile

Dabei können Arbeitszeugnisse durchaus Vorteile bieten. Bei der Personalauswahl weisen sie – als die einzigen Dokumente, die nicht vom Bewerber selbst erstellt wurden – oft auf offene Fragen hin, die im Vorstellungsgespräch zu klären sind. Dem Bewerber wiederum verschafft die Darstellung seiner persönlicher Fähigkeiten, Kompetenzen und Arbeitserfolge im Zeugnis einen Vertrauensvorschuss. Persönlich und sorgfältig formulierte Arbeitszeugnisse tragen im Idealfall dazu bei, dass zueinander passende Unternehmen und Bewerber schneller und zielgenauer zusammenfinden. Gleichzeitig kommunizieren sie die Kultur des ausstellenden Unternehmens positiv nach außen.

Eine Abschaffung des Arbeitszeugnisses würde gerade kleinen Firmen schaden

Trotz der beschriebenen Vorteile hat das Arbeitszeugnis ein negatives Image – durch jahrzehntelange Diskussionen über Codes und Benotungssysteme sowie als Ursache von circa 30.000 Gerichtsverfahren pro Jahr. 2010 forderte eine Medienkampagne gar dessen Abschaffung. Dass diese keine Lösung wäre, zeigt der Blick in die USA. Dort haben Arbeitnehmer in der Regel keinen Zeugnisanspruch, so dass sich viele Bewerber nur mit selbst erstellten Unterlagen vorstellen können: Entsprechend hoch sind die Kosten für Background Checks und Assessment Center – mit negativen Folgen für kleine Firmen mit begrenztem Budget.

Aus diesem Grund wurden in den USA in den letzten Jahren Gesetze erlassen, um Firmen zur verstärkten Ausstellung der dort üblichen References zu motivieren. Und Rechtswissenschaftler der Indiana University forderten 2009, unter anderem mit Blick auf die Praxis in Deutschland, eine weitergehende Förderung der Ausstellung von References.

Wie kann man die Vorteile des Arbeitszeugnisses nutzen und seine Nachteile vermeiden?

In der Praxis führen vor allem intransparente Beurteilungsprozesse, die mangelnde Individualität und Aussagekraft von Zeugnissen sowie Fragen der Benotung zu Streitigkeiten. Diese lassen sich aber gerade in Startups und kleinen Unternehmen, in denen sich die Beteiligten näher kennen, sehr gut vermeiden. Hierzu haben sich folgende Vorgehensweisen bewährt:

Transparente Zeugniserstellung im Dialog

Es empfiehlt sich, den Mitarbeiter in den Beurteilungsprozess einzubeziehen. Also: Vorab ein Gespräch über die Beurteilung führen, nach Formulierung eines Zeugnisentwurfs diesen dem Mitarbeiter zur Ansicht zu geben und auf berechtigte Einwände eingehen. Wenn Stellenbeschreibungen und regelmäßig erstellte interne Beurteilungen (zum Beispiel Feedback-Bögen und Dokumentationen von Mitarbeitergesprächen) vorliegen, wird der Beurteilungsprozess transparenter und die Zeugnisausstellung erheblich einfacher.

Individuelle und stellenspezifische Beurteilung

Beim Arbeitszeugnis handelt es sich um einen Soll-Ist-Vergleich: Die Beschreibung der Aufgaben im ersten Teil entspricht dem „Soll“, die Beurteilung von Leistung und sozialen Kompetenzen bei deren Ausführung dem „Ist“. Die Beurteilung sollte sich also auf die stellenspezifischen Anforderungen und Zielvorgaben beziehen. Werden Textbausteine oder Musterzeugnisse verwendet, sollten diese zur Stelle passen oder individuell angepasst werden. Das gilt besonders für die Beurteilung der Arbeitsbefähigung, des Fachwissens und der Arbeitsergebnisse. Und je mehr Verantwortung ein Arbeitnehmer hatte, desto mehr werden konkrete Aussagen (Fakten!) zu den Arbeitsergebnissen erwartet.

Textbausteine und „Benotungen“ sinnvoll einsetzen

Fachliteratur und Zeugnis-Software beruhen überwiegend auf Textbausteinen, die nach Schulnoten abgestuft sind. Dabei erfolgt die Abstufung durch Aufwertungstechniken der Alltagssprache, insbesondere durch Temporaladverbien (stets, jederzeit, immer) und Modaladverbien beziehungsweise Superlative (sehr, absolut, vollst, höchst). Die Verwendung solcher Abstufungen nach Schulnoten ist laut Bundesarbeitsgericht nicht grundsätzlich verpflichtend. Auch entsprechen die meisten dieser Formulierungen nicht 100-prozentig einer Note: Es handelt sich nur um Vorschläge von Autoren, die der effizienten Zeugnisausstellung dienen sollen.

Aufgrund des hohen Verbreitungsgrads der Notenabstufung empfiehlt es sich aber, sie bei der Zeugnis-Formulierung zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten, dass sich in der Praxis ein dreistufiges Beurteilungssystem weitgehend durchgesetzt hat und die Note 3 bereits als Kritik gilt. Nur ca. 4 Prozent der heute ausgestellten Arbeitszeugnisse beurteilen Arbeitnehmer insgesamt schlechter als mit der Note 3, weil laut Rechtsprechung in diesen Fällen der Arbeitgeber beweispflichtig wird.

Für Startups, die nur ab und zu mit Arbeitszeugnissen zu tun haben, ist als Hilfsmittel und Nachschlagewerk der Klassiker „Arbeitszeugnisse in Textbausteinen“ von Weuster/Scheer uneingeschränkt zu empfehlen. Das Buch enthält neben einer sehr umfangreichen Sammlung praxistauglicher Textbausteine alle wesentlichen Informationen zum Thema, entspricht wissenschaftlichen Standards und ist preiswert.

Bild: Rainer Sturm  / pixelio.de