Das systematische Nutzen der Stärken eines Startups und der Stärken aller Mitarbeiter kann sowohl die Unternehmenskultur als auch die Unternehmensleistung deutlich verbessern. Dafür ist es aber notwendig, Stärken zu identifizieren und sie gezielt in den Unternehmensalltag einzubinden.

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Stärken der Stärken als Privatangelegenheit

Seit Mitte der 90-er Jahre werden in Stellenanzeigen immer wieder die gleichen Stärken gefordert: Vom analytischen Denken über Motivation bis hin zur Teamfähigkeit. Viele davon haben sich heute als „Standard-Stärken“ etabliert. Doch was genau verbirgt sich eigentlich hinter diesen Schlagwörtern? Wie lassen sich Stärken entwickeln und täglich nutzen?

An Hochschulen werden Studierende meist nicht ausreichend für jene Soft Skills und Stärken sensibilisiert, die im beruflichen Alltag eine wichtige Rolle spielen. Zu diesem Schluss kommen regelmäßig Studien, wie beispielsweise vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) oder Unicensus. Im Beruf selbst steht dann eher Fachwissen im Vordergrund. So bleibt das „Stärken der Stärken“ Privatangelegenheit.

Lediglich 20 Prozent aller Angestellten tun täglich, was sie am besten können

Gallup, ein Meinungsforschungsinstitut aus den USA, hat mehr als 1,7 Millionen Arbeitnehmer in 101 Unternehmen und 63 Ländern befragt, ob sie bei ihrer Arbeit jeden Tag die Gelegenheit haben, das zu tun, was sie am besten können. Nur 20 Prozent hatten dieses Gefühl. Der Leiter des Forschungsprojekts, Marcus Buckingham, definiert eine Stärke als eine beständige, beinahe perfekte Leistung bei der Ausübung einer Tätigkeit.

Aber: Nur wer seine Stärken auch wirklich kennt, kann diese gezielt in den Arbeitsalltag einbringen. Sind die eigenen Schwächen bekannt, kann im Umkehrschluss natürlich auch ebenso systematisch Schadensbegrenzung betrieben werden. Das könnte zum Beispiel bedeuten, bestimmte Aufgaben abzugeben, sich besser zu strukturieren oder weiterzubilden.

Stärkenorientierte Lern- und Feedbackkultur

In einer stärkenorientierten Startup-Kultur wird schnell deutlich: Das Minimieren einer Schwäche wird nie zur Spitzenleistung führen! Scheitert ein Vorhaben, sind keine Schuldzuweisungen gefragt, sondern vielmehr eine offene Ansprache und die Suche nach Strategien zurück zur Spitzenleistung. Streng nach Buckingham’s Grundannahme: Durch die Analyse von Fehlschlägen lässt sich kaum etwas über Höchstleistungen lernen.

Wer etwas über Erfolge lernen will, muss stattdessen Erfolge untersuchen. Sind die Stärken und Schwächen – die des Teams und des Startups als solches bekannt – ist ein wichtiger Schritt in Richtung nützlicher Lern- und Feedbackkultur getan.

Erste Schritte zu den eigenen Stärken

Stärken zu erkennen, hat vor allem viel mit ehrlicher Selbstbeobachtung zu tun. Das Feedback ausgewählter Dritter und Persönlichkeitstests können darüber hinaus zusätzlich hilfreich sein.
Um direkt mit der Stärkenanalyse zu starten, kann man folgendes probieren: Über einige Wochen hinweg genau darauf achten, welche Empfindungen Alltagstätigkeiten bei einem selbst auslösen. Folgende Fragen in Anlehnung an Buckingham helfen dabei, die eigenen Gedanken zu strukturieren:

  • Wo und wann habe ich eine „Spitzenleistung“ erbracht?
  • Was war der sichtbare Erfolg?
  • Wer war beteiligt? Wie genau bin ich vorgegangen? Was war das Ziel? Wieso? Für wen?
  • Wann werde ich wieder in einer ähnlichen Situation sein?
  • Wie kann ich meine Stärken Tag für Tag, Woche für Woche häufiger einsetzen?
  • Aus diesen Aufzeichnungen lassen sich nach und nach kraftvolle Stärkenbeschreibungen herausarbeiten – sowohl für persönliche als auch für unternehmerische Stärken. Gerade auch in Vorstellungs- oder Zielvereinbarungsgesprächen können sie bei einer konkreten Beschreibung der Erwartungen helfen.

Das, was sich hinter einer Stärke verbirgt, ist immer sehr individuell. Ist ein Kollege auffallend leistungsorientiert, kann das beispielsweise bedeuten, dass er sich exzellent motivieren, seine Gefühle gut spüren und mehrere Projekte gleichzeitig leiten kann. Und wer sich als Querdenker beschreibt, ist womöglich in der Lage die größeren Zusammenhänge zu erkennen und sie anderen anschaulich zu erklären.

Der Startup-Alltag und die Stärken

Mit diesem Wissen verbessern sich im Startup-Alltag beispielsweise Personalauswahl und Projektbesetzungen. Vorstellungsgespräche lassen sich mit gesuchten Stärken im Hinterkopf gezielter führen und zukünftige Projektmitarbeiter werden nicht nur nach Titel und Aufgabenbeschreibung, sondern auch nach Können und Stärken eingesetzt. In Zielvereinbarungsgesprächen werden Weiterentwicklungsfelder genauer definiert und Über- und Unterforderungen können langfristig besser vermieden werden.

Wenn die Suche nach Spitzenleistungen gemeinsame Aufgabe ist, Fehler und Schwächen dazugehören dürfen, kann sich die Unternehmenskultur nachhaltig verbessern. Vielleicht heißt das Motto in stärkenorientierten Teams daher schon bald: Startup your Strengths.

Lesetipps:

  • „Nutzen Sie Ihre Stärken jetzt!: Das 6-Schritte-Programm für stärkenorientiertes Führen“, Buckingham/Hofman, Campus Verlag, 2009
  • „Schlüsselqualifikationen in Personalauswahl und Personalentwicklung. Ein Arbeitsbuch für die Praxis“, Eilles-Matthiessen/el Hage/Janssen/Osterholz, 2002
Bild: Nora-Vanessa Wohlert