Im Juli akquirierte der amerikanische Betreuungsdienstleistungs-Gigant Care.com seinen deutschen Mitbewerber und europäischen Marktführer Betreut.de. Das Berliner Startup war dabei zu großen Teilen in Anteilen von Care.com bezahlt worden. Momentan weist der US-Dienstleiter damit über sieben Millionen Mitglieder in über 17 Ländern auf und ist weiter auf Expansionskurs. Die Gründerin und CEO Sheila Lirio Marcelo im Interview mit Gründerszene.

Sheila-Lirio-Marcelo

Hallo Sheila, stelle dich bitte kurz vor.

Ich bin Sheila Lirio Marcelo, Gründerin und CEO von Care.com (www.care.com), dem größten und am schnellsten wachsenden Online-Service in den USA für Familien, die qualifizierte Betreuungsdienstleister suchen. Care.com habe ich im Jahr 2006 gegründet, nachdem ich zuvor mehrere Jahre im Internetbereich für Upromise tätig war, die Familien bei der Zahlung der Collegegebühren unterstützen. Darüber hinaus war ich bei TheLadders.com beschäftigt, der in den USA marktführenden Plattform für den Bereich Professional Networking. Bereits davor habe ich als Strategie- und Telekommunikationsberaterin gearbeitet. Ich habe mein Studium der Wirtschaftswissenschaften am Mount Holyoke College mit magna cum laude absolviert und im Anschluss meinen MBA und Juris Doctor an der Harvard University erworben.

Was macht Care.com im Detail und wie kam es zur Gründung?

Care.com ist der größte und am schnellsten wachsende Dienstleistungsanbieter für Familien, die Betreuungsdienstleister suchen, der alles aus einer Hand anbietet und viele verschiedene Bereiche umfasst. Wir helfen Familien dabei, ein Betreuungsangebot für ihre Lieben zu finden, ganz gleich ob im Bereich Kinderbetreuung, Altenpflege oder Tierpflege. Darüber hinaus bieten wir auch Lösungen für den Bereich Haushaltsführung, Haushalt und Nachhilfe an.

Die Idee für Care.com wurde in meinem privaten Umfeld geboren. Ich bekam mein erstes Kind während des Colleges. Daher suchten mein Mann und ich nach einer vertrauenswürdigen und zuverlässigen Kinderbetreuung, die es uns ermöglichte die Ausbildung am College fortzusetzen. Unsere Familie lebte leider nicht in der Nähe, wir hatten aber glücklicherweise die Möglichkeit einen Platz in einer lokalen Kindertagesstätte zu bekommen. Nach der Geburt unseres zweiten Kindes hat uns die Familie unterstützt. In dieser Zeit erlitt mein Vater jedoch einen Herzinfarkt, so dass ich plötzlich vor der Herausforderung stand, eine Betreuung für meine Kinder und meinen Vater zu finden. Zusätzlich benötigte auch meine Mutter eine Unterstützung und ich darüber hinaus noch jemanden, der die Hunde ausführte.

„Meine Erfahrungen in der Internetbranche brachten mich auf die Idee, eine Lösung für diese Situationen zu finden.“

Mir wurde bewusst, dass meine Situation in dieser Zeit mit meiner Familie nicht einzigartig war, denn schließlich ist Pflege ein individuelles aber zeitgleich globales Thema. Meine Erfahrungen in der Internetbranche brachten mich auf die Idee, eine Lösung für diese Situationen durch die Nutzung genau dieser Technologie zu finden. Eine Plattform, welche Familien darin unterstützt individuelle Betreuungsangebote zu finden – ganz gleich für welchen Bereich.

Care.com ist in über 17 Ländern aktiv. Erst kürzlich habt ihr in Deutschland Betreut.de akquiriert. Wie sieht eure Expansionsstrategie aus? Bevorzugt ihr es Mitbewerber zu akquirieren, als selbst den Markteintritt über einen eigenen Auftritt zu wagen?

Pflege ist in der Tat ein globales Thema und Care.com hat von Anfang an die Vision verfolgt, Pflege ohne Grenzen bereitzustellen, im Sinne einer großen globalen Präsenz. Diese ermöglicht es, unabhängig davon, wo man sich selber und wo sich die Familie gerade befindet, in jeder Situation die passende Pflege für sie zu finden. Vor der Übernahme von  Betreut.de (www.betreut.de), die uns zu enormer Reichweite in ganz Europa verholfen hat, haben wir Care.com bereits in Großbritannien und Kanada eingeführt. Aktuell sind wir dabei, die Chancen in anderen Gebieten abzuwägen.

„Die logische Schlussfolgerung war, das Geschäft mit Betreut.de gemeinsam fortzuführen, anstatt mit Care.com in Deutschland ganz von vorne anzufangen.“

Ob wir in diesen Fällen das Geschäft selber neu aufbauen oder ein bereits bestehendes Modell erwerben, ist von Situation zu Situation unterschiedlich. In Großbritannien und Kanada erschien es uns am sinnvollsten unser eigenes Geschäft aufzuziehen. Bei Betreut.de gab es eine andere Ausgangssituation, denn Betreut.de ist der führende Online-Portal-Betreiber für Betreuungs- und Service-Dienstleister in Europa, so dass wir als größter Anbieter in Amerika die logische Schlussfolgerung sahen, das Geschäft gemeinsam fortzuführen, anstatt mit Care.com in Deutschland ganz von vorne anzufangen.

Stehen weitere Akquisitionen und Markteintritte auf dem Plan?

Wir sind fortwährend dabei andere Märkte zu evaluieren, weil wir uns stetig weiterentwickeln. Deswegen stehen wir strategischen Chancen, die unser Geschäft sowohl in Bezug auf unsere Reichweite am Markt als auch in Bezug auf unser Angebotsspektrum wachsen lassen, offen gegenüber.

Du setzt dich aktiv für Unternehmerinnen ein, bist unter anderem Mentorin. Haben deine eigene Erfahrung in verschiedenen Führungspositionen dazu beigetragen, nun Frauen in ähnlichen Situationen zu unterstützen?

Meine Leidenschaft für die Förderung des weiblichen Unternehmertums und von Frauen in Führungspositionen rührt aus der eigenen Erfahrung. Ich hatte – und habe noch immer – wunderbare Mentoren und Berater, die mich ermutigt haben und mich immer wieder aufs Neue herausgefordert haben und die daran geglaubt haben, dass ich ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen und führen kann. Jetzt versuche ich, in meiner Position genau das weiter voranzutreiben, indem ich die nächste Generation weiblicher Unternehmerinnen unterstütze und ihnen beratend zur Seite stehe, ebenso wie ich das Unternehmertum im Allgemeinen fördere.

„Die Venture-Capital-Welt ist in der Realität noch immer vom männlichen Geschlecht dominiert.“

Wenn Sie sich die Unternehmenslandschaft ansehen, werden Sie feststellen, dass trotz der vielen Fortschritte von Frauen in der Arbeitswelt weiterhin Ungleichheiten existierten… an der Unternehmensspitze, in Boards, im unternehmerischen Umfeld und besonders im Bereich Technologie. Die Venture-Capital-Welt ist in der Realität noch immer vom männlichen Geschlecht dominiert. Das hat einen Einfluss auf weibliche Gründerinnen, ob direkt oder indirekt. Ich glaube wir können und wir sollten dieses Paradigma ändern.

Du stehst häufig im Rampenlicht. Ist Publicity für dich Fluch oder Segen?

Wir waren sehr glücklich mit der Berichterstattung über Care.com in der Presse. Der Fokus in dieser Berichterstattung mag bisher oft auf meiner Person gelegen haben, weil ich die Gründerin und CEO von Care.com bin, jedoch ist das Unternehmen an sich die viel interessantere Geschichte. Der Wert des Erzählens genau dieser Geschichte ist es, dass mehr Familien auf Care.com aufmerksam werden und verstehen, was wir tun können, um ihnen – hoffentlich – die Betreuungslösung zu bieten, die sie in ihrer aktuellen Situation brauchen und die zu ihren Bedürfnissen passt.

Sheila, vielen Dank für das Gespräch.

Betreut.de (www.betreut.de)