Nastya Kholodova.
Nastya Kholodova.
Nastya Kholodova.
  • Nastya Kholodova ist eine Software-Entwicklerin aus der Ukraine, die dachte, die Arbeit für ein großes US-Technologieunternehmen sei der beste Beweis dafür, dass sie es als Entwicklerin tatsächlich „geschafft“ hat.
  • Als Kholodova ihren Lebenslauf bei Amazon einreichte, erhielt sie zu ihrer Überraschung sofort eine Antwort und begann einen, wie sie es nannte, „superstressigen“ Bewerbungsprozess.
  • Amazon bot ihr schließlich 167.006 US-Dollar als Gehalt für ihr erstes Jahr an. Was Kholodova wirklich wollte, war allerdings, dass die Firma ihr Visum sponsert, damit sie dauerhaft in den USA leben kann. Sie lehnte Amazons Angebot ab.

Für Nastya Kholodova, eine aus der Ukraine stammende Softwareentwicklerin, die lange in Washington D.C. arbeitete, schien die Chance, bei einer großen US-Tech-Firma wie Facebook, Uber oder Amazon angestellt zu werden, der beste Weg zu sein, um zu beweisen, dass sie es als Entwicklerin tatsächlich „geschafft“ hatte. Aber: Sie war sich nicht sicher, ob sie mit der Konkurrenz mithalten könnte. Also begann sie an einem Feiertagsnachmittag, als sie und ihr Mann zu Hause festsaßen, sich zu bewerben.

„Es war der Unabhängigkeitstag [2016], ein sehr regnerischer Tag in D.C., und wir haben nichts unternommen. Am Abend langweilte ich mich zu Hause und war ein wenig enttäuscht. Und ich dachte, solange ich nur hier rumsitze, sollte ich mir vielleicht Amazon mal ansehen.“

Sie bewarb sich auf alle verfügbaren Jobs bei Amazon Web Services

Kholodova sagte, sie habe sich die Karrieremöglichkeiten bei Amazon Web Services (AWS) angesehen und ihren Lebenslauf schließlich bei allen verfügbaren Jobs eingereicht. Ihre Gehaltsvorstellungen wählte sie einfach dadurch aus, dass sie auf der Website Glassdoor, auf der Unternehmen von ehemaligen oder aktuellen Mitarbeitern bewertet werden, nachschaute, was die Leute über ihren Gehalt schrieben. So suchte sie sich schließlich den Gehaltsmittelwert aus.

Zu ihrer Überraschung hörte Kholodowa sofort etwas von Amazon und begann damit, in einen, wie sie es nennt, „superstressigen“ Bewerbungsprozess einzusteigen, der schließlich zu einem attraktiven Angebot führte — und dann zu einer noch größeren Entscheidung.

Hier erfahrt ihr, wie Kholodowas Bewerbungsverfahren bei Amazon aussah und warum sie das Angebot schließlich ablehnte. Dabei achtete sie stets darauf, mit Amazon in Kontakt zu bleiben, um so möglicherweise irgendwann in der Zukunft trotzdem noch die Chance zu bekommen, mit dem Unternehmen zu arbeiten.

Kholodova hatte beruflich von Anfang an Großes vor

Geboren, aufgewachsen und ausgebildet in der Ukraine, studierte Kholodova Mathematik, wurde aber nach ihrem Abschluss Softwareentwicklerin, arbeitete bei einem E-Commerce-Startup und verdiente dort etwa 36.000 US-Dollar (das entspricht etwa 30.300 Euro).

Eines ihrer Ziele war es, einen Weg zu finden, in die Vereinigten Staaten zu kommen, sodass sie und ihr Ehemann, der ebenfalls Softwareentwickler ist, gemeinsam Jobs bei der Weltbank an Land zogen. Das bedeutete, dass die beiden sich für weniger bekannte G4-Visa qualifizieren konnten, die für ausländische Mitarbeiter von gemeinnützigen internationalen Organisationen in den USA gelten.

Der Weltbank-Job hatte für Kholodova auch eine große Gehaltserhöhung bedeutet: etwa 90.000 US-Dollar (etwa 76.000 Euro) pro Jahr, je nach Steuern, und ihr gefiel die Arbeit. Aber sie hatte etwas noch Größeres im Visier.

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Kurz nach ihrer Bewerbung kam Rückmeldung von Amazon

„Ich habe viel mit den Statistikabteilungen der Weltbank interagiert — mit Kunden auf der ganzen Welt“, sagt sie. „Es war eine der besten Erfahrungen, an der gesamten Infrastruktur für die Websites und die mobile App zur Datenerfassung zu arbeiten.“

Ihre Erfahrung bei der Arbeit an Websites mit hoher Benutzerzahl sei für Amazon attraktiv, argumentierte sie, und sie hatte einige Freunde und Kollegen, die in der Einrichtung des Unternehmens in Herndon, Virginia, arbeiteten, wohin Kholodova von ihrem damaligen Wohnort aus etwa 40 Minuten pendeln müsste.

Kurz nachdem sie sich beworben hatte, setzte sich das Unternehmen mit ihr in Verbindung, um ein telefonisches Screening mit einem Vertreter der Personalabteilung durchzuführen.

Längste und stressigste Bewerbungsphase ihres Lebens

Damit begann die längste Bewerbungsphase, die Kholodova nach eigenen Angaben jemals durchlaufen hat. Zuerst kam das HR-Screening, innerhalb weniger Tage folgte ein weiteres stundenlanges virtuelles Gespräch, bei dem sie von einem leitenden Ingenieur per Videochat interviewt wurde. „Es ist technisch, sie überprüfen nur die eigenen Problemlösungsfähigkeiten, das Wissen über Algorithmen, die Fähigkeiten zur Programmierung ohne all die Entwickler-Werkzeuge“, sagte sie. „Es ist superstressig.“

Die nächste Phase des Prozesses verzögerte sich um etwa zwei Wochen. Kholodova schrieb das der Tatsache zu, dass nun der August nahte und viele Leute im Urlaub waren. In der Zwischenzeit führte sie auch Bewerbungsgespräche mit einem Start-Up in Washington. Schließlich hörte sie wieder von Amazon.

Bewerbungsverfahren vor Ort: sehr intensiv

„Sie sagten, das technische Screening sei gut verlaufen und baten mich, einige kurze Essays mit jeweils etwa 300 Wörtern über meine Führungs- und Problemlösungsfähigkeiten zu schreiben. Es war das einzige Mal, dass ich in einem Interview gebeten wurde, so etwas zu tun: Erzählen Sie uns von einer komplizierten, großen Entscheidung, die Sie getroffen haben, und warum Sie sie getroffen haben, und was waren die Überlegungen dazu? Solche Dinge“, berichtet sie.

Als Nächstes folgte eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bei Amazon in Herndon – ein sechsstündiger, ganztägiger Prozess, bei dem es um ein Vorstellungsgespräch für eine Software-Position für Amazon Inspector ging. Das sei „intensiv“ gewesen, sagt Kholodova. Sie führte sechs verschiedene Interviews mit insgesamt etwa neun oder zehn Amazon-Mitarbeitern durch, darunter sowohl ihr möglicher zukünftiger Manager als auch andere Ingenieure aus dem Team, mit dem sie zusammenarbeiten würde.

„Es war dem Video-Screening sehr ähnlich, aber es ist länger, und natürlich ist die Person direkt bei einem. Man muss Code auf eine weiße Tafel schreiben. Das ist superstressig. Viele Leute meinen: Bei diesen Interviews geht es mehr um die Fähigkeit, mit Ängsten umzugehen, als um die Fähigkeit, zu programmieren.

Kholodova muss ihre Aufgabe allerdings mit Bravour gemeistert haben, denn innerhalb weniger Tage danach erhielt sie einen Anruf von der Personalabteilung, die ihr mitteilte, dass Amazon ein Angebot machen wolle. Am 25. August erhielt sie die Einzelheiten per E-Mail, darunter ein angebotenes Gehalt von 132.050 US-Dollar (etwa 111.000 Euro), Boni von knapp 30.000 US-Dollar (etwa 25.000 Euro) im ersten und zweiten Jahr und eine beschränkte Aktienzuteilung.

Die Vergütung stellte eine bedeutende Erhöhung gegenüber dem dar, was sie bei der Weltbank verdient hatte, und sie war begeistert, als sie feststellte, dass eines der größten und erfolgreichsten technischen Unternehmen der Welt sie haben wollte. „Ich war wirklich aufgeregt“, sagte sie. „Ich dachte nicht, dass ich bis zum Ende durchhalten würde.“

Doch dann erkannte Kholodova, dass sie ein Problem hatte: Ihren Visastatus. Kholodova konnte für jede beliebige Firma in den Vereinigten Staaten arbeiten, aber nur so lange, wie ihr Ehemann weiterhin bei der Weltbank arbeitete. Denn sie war die Ehefrau oder Unterhaltsberechtigte von jemandem, der sich mit einem G4-Visum legal im Land aufhielt.

Sie wollte nicht, dass ihr Mann für immer bei der Weltbank bleiben musste, und hoffte außerdem selbst auf einen dauerhafteren Aufenthaltsstatus, um auf unbestimmte Zeit in den USA bleiben zu können.

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Ein Startup bot Hilfe an

Das Startup, bei dem sie sich zur gleichen Zeit bewarb, bot ihr an, die Anwaltskanzlei des Unternehmens solle ihren Fall weiterverfolgen und ihr bei dem Versuch helfen, eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten.

Das Amazon-Angebot hatte vieles von dem verkörpert, was sich Kholodova ihrer Meinung nach immer gewünscht hatte. Doch das Versprechen, ihr bei der Erlangung einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung zu helfen, war verlockend. Und sie war ohnehin nicht begeistert über den 40-minütigen Arbeitsweg. Sie begann auch zu denken: Möchte ich eine große Organisation wie die Weltbank für eine andere große Organisation verlassen? Oder wäre es interessanter, mein Umfeld völlig zu verändern, indem ich zu einem kleinen Startup gehe?

Kholodova brauchte viel Zeit, um sich zu entscheiden

Kholodova telefonierte ein paar Mal mit Amazon hin und her und fuhr in den Urlaub. Als sie elf Tage nach Erhalt des Angebots formell antwortete, wollte sie nur um mehr Zeit für ihre Entscheidung bitten. Amazon gab ihr die zusätzliche Zeit und Kholodowa sprach weiter mit dem Startup. Am 15. September, also drei Wochen nach dem Angebot, antwortete sie schließlich.

„Ich möchte Amazon für diese Gelegenheit danken“, schrieb sie. „Es ist eine große Ehre für mich, das Angebot von Amazon und von einem so [einem] erstaunlichen Team wie dem Amazon-Inspector zu erhalten.“

Das Angebot des Startups sei zu gut, um es abzulehnen

Aber sie werde das Angebot ablehnen, weil das Versprechen der Hilfe zur Erlangung einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung von der anderen Firma zu gut sei, um es nicht wahrzunehmen. „Ich danke Ihnen nochmals. Es war eine unglaubliche Erfahrung, bei Amazon ein Bewerbungsgespräch zu führen“, schrieb sie. „Ich hoffe, dass es für uns in Zukunft Gelegenheiten geben wird, zusammenzuarbeiten. (Nachdem ich meine Green Card erhalten habe :)“

Amazon antwortete, dass es nach Aufnahme ihrer Arbeit möglich sei, dass das Unternehmen ihr bei der Erlangung einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung behilflich sein könnte. Kholodowa aber war der Ansicht, dass man dieser Frage während des Bewerbungsverfahrens bewusst ausgewichen sei.

Khlodova ist bis heute noch mit Amazon in Kontakt

Außerdem hatte sie inzwischen bereits das andere Angebot bei dem kleineren Startup namens Bizy angenommen, wo sie die einzige Ausländerin in der Firma war. „Ihre Rechtsabteilung gehörte ganz mir“, erzählt sie. „Sie hatten keine Schlange von Leuten, die sie für die Einwanderung bearbeiten mussten“ — so, wie sie es bei Amazon erwartet hatte.

Aus der Sicht von Kholodova klappte alles. Bizy half ihr, ihre Green Card zu bekommen, und sie unterstützte dann ihren Ehemann dabei, auch eine zu bekommen. Sie blieb das ganze letzte Jahr über bei Bizy, bevor sie abreiste, um einen Fitnesstracker namens WOD Insight für CrossFit aufzubauen.

Noch immer würde sie in Erwägung ziehen, eines Tages für Amazon zu arbeiten — und ist tatsächlich mit dem Unternehmen in Kontakt geblieben. „Ich habe gestern tatsächlich mit ihnen gesprochen“, sagt sie. „Sie haben ihre Datenbank mit Leuten, denen sie Angebote gemacht haben, und hin und wieder gehen sie einfach die Datenbank durch und kontaktieren wieder jemanden. Wenn sie mir E-Mails über offene Stellen schicken, spreche ich normalerweise mit ihnen. Ich bin neugierig. Und wenn ich nicht die Richtige bin, kann ich vielleicht jemand anderen vorschlagen.“

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Dieser Text wurde aus dem Englischen übersetzt. Das Original findet ihr hier.