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Für unseren Gesprächspartner war in der Regel erst nach 24 Uhr Feierabend. (Symbolbild)

Dieser Artikel erschien zuerst am 11. November 2019. Wegen des großen Interesses haben wir ihn erneut veröffentlicht.

Rocket Internet ist nicht dieser schlimme, höllische Ort. Rocket ist ein Ort, an dem viele Leute richtig sind, einige aber auch falsch. In der Berliner Zentrale waren wir zu Spitzenzeiten 600 Mitarbeiter. 

Ich habe mehrere Jahre im Global Venture Development Team gearbeitet. Das ist ein relativ kleines Team von acht bis zwölf Leuten, das jede Firma bei Rocket gründet. Man bekommt von Oliver Samwer eine E-Mail, dass man ein bestimmtes Geschäftsmodell in einem bestimmten Land aufbauen soll. Dann fliegt man dort hin, schaut sich den Markt an, überlegt, wie man das Geschäftsmodell dort umsetzen könnte und ob es passt. Nach einer Woche kommt man zurück, stellt die Idee Oli vor und setzt sie ab dann um. Anschließend baut man das Startup so lange auf, bis es die ersten Umsätze generiert und gibt es an die Gründer ab, wünscht ihnen Glück, und die skalieren das dann weiter. Von der Samwer-Mail bis zur Übergabe dauert es in der Regel drei Monate.

 

50.000 Euro Einstiegsgehalt

Ich bin im Handelsregister nicht als Gründer eingetragen. Das ist mir auch relativ egal. Es ging mir eher darum, etwas zu lernen. Ich weiß für mich, dass ich diese Startups aufgebaut habe. Und das kann mir keiner nehmen. Es hat auch Vorteile: Weil ich eben kein Gründer war, hatte ich ein Wochenende. Ich konnte Urlaub nehmen. Wenn ich krank war, dann war ich krank. Dann hat mich keiner angerufen. Wenn man selbst ein Unternehmen gründet, dann geht das nicht.

Ich persönlich habe oft das Licht morgens an- und abends wieder ausgemacht. Das heißt, wir haben frühestens um 8.30 Uhr angefangen. Ich bin spätestens um 2 Uhr nachts wieder gegangen. Das heißt aber nicht, dass das ganze Team so lange gearbeitet hat und es erwartet wurde.

Überstunden werden nicht extra vergütet. Aber Rocket zahlt echt fair, und man steigt schnell auf. Ich bin mit rund 50.000 Euro Jahresgehalt eingestiegen. Als ich gegangen bin, waren es über 100.000 Euro. 24 Urlaubstage waren vorgesehen. Wenn man bei einem der Ventures angestellt ist, dann verdient man allerdings wesentlich weniger. 

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Wenn man etwas schafft, dann belohnt das Rocket relativ schnell mit einer Beförderung. Das hieß in unserem Team nicht, dass sich der Titel verändert, sondern dass die Mitarbeiter mehr Geld oder mehr Verantwortung bekommen. Zu meiner Zeit wurde ich mindestens einmal im Jahr befördert. Mehr Urlaubstage gab es nicht, das hat mich aber auch nicht interessiert. Schließlich bin ich ja zu Rocket gegangen, um zu lernen. Außerdem war ich immer wieder mehrere Monate im Ausland. Gerade nach der Uni ist das ein Traumjob. Jetzt hätte ich keine Lust mehr auf das Reisen.

„Rocket ist nicht dafür bekannt, auf seine Kultur zu achten“

In meinem Team haben wir versucht, eine möglichst positive Kultur zu pflegen, beispielsweise zusammen Mittagessen zu gehen. Es gab eine Weihnachtsfeier und über das Jahr auch mal kleinere Feste. Rocket ist aber nicht dafür bekannt, auf seine Kultur zu achten. Und das ist auch der Fehler von Rocket. Das Unternehmen fördert seine Mitarbeiter nicht, bindet sie nicht positiv an sich, betrachtet die Leute stattdessen als austauschbar. 

Es gibt viele gute Gründer in Berlin. Keiner von denen, die mal bei Rocket Internet gearbeitet haben, würde ein Investment von Rocket annehmen. Eigentlich könnte man meinen, dass diese Gründer Rocket als altem Arbeitgeber vertrauen und gerne mit ihm zusammenarbeiten würden. Aber es will niemand. Das ist das größte Problem. Hätte Rocket eine positive Kultur geschaffen, dann würden die Leute auch zurückkommen. Dann könnte Rocket zehnmal größer sein.

Es gab oft Situationen, in denen ich gedacht habe, dass das Rocket-Management falsche Entscheidungen getroffen hat. Wenn Startups in der Frühphase nicht laufen, dann beendet Rocket die Projekte rasch. Ich glaube aber, es gibt viele Firmen, die funktioniert hätten, hätte man sie nur lange genug laufen lassen. Das Management war aber zu sehr auf eine schnelle Optimierung bedacht. Wenn ein Geschäftsmodell nicht funktionierte, hat sich die Chefetage nicht einmal wirklich damit beschäftigt, warum das so war. Das Team, die Monetarisierung oder den Markt hat man sich gar nicht mehr genau angeschaut.

Nach dem Umzug in den Rocket-Tower kippte die Stimmung

Hinzu kommt, dass Rocket nie stark im Produkt war oder gute Software bauen konnte. Produktmanagement ist ein Handwerk, das in Europa nicht alle beherrschen. Und für ein gutes Produkt braucht man Zeit. Das wiederum passt nicht mit der Absicht von Rocket Internet zusammen, schnell Unternehmen aufzubauen. 

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In dem Moment, in dem bei mir die Lernkurve abgeflacht ist, bin ich gegangen. Wir sind Ende 2016 in den Rocket Tower gezogen, dann wurde alles langsamer. Keine Ahnung, woran das lag. Rocket hatte nicht einmal mehr 200 Mitarbeiter. Die Arbeit war weniger ambitioniert. Oli war kaum noch da. Und die Stimmung ist abgekühlt.

Würde ich heute zurückgehen, wenn Oli mich anrufen würde? Unter keinen Umständen.

Aufgezeichnet von Lisa Ksienrzyk.

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Bild: Westend61 / Getty Images
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