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Martin Elwert ist Gründer von Coffee Circle
Martin Elwert plante mit Coffee Circle einen Umsatz von 13 Millionen Euro für 2019.

Wie geht es eigentlich der deutschen Startup-Szene nach Monaten der Krise? Diese Frage lässt sich natürlich nicht pauschal beantworten, jedes Unternehmen musste in den vergangenen Wochen andere Herausforderungen bewältigen. Einige wuchsen so schnell wie noch nie, andere fürchteten täglich die Pleite.

Um zu erfahren, wie einzelne Startups die Situation bewältigen, haben wir als Gründerszene-Redaktion einen Fragebogen an Unternehmerinnen und Unternehmer geschickt – unter anderem an Martin Elwert, Gründer und CEO des Kaffee-Startups Coffee Circle. Die Berliner Rösterei ist zehn Jahre alt und beschäftigt 65 Mitarbeiter. Profitabel arbeitet Coffee Circle noch nicht, hat sein Wachstum im vergangenen Jahr aber mit einer neuen Millionenfinanzierung angekurbelt

Martin, welche Auswirkungen hatten und haben das Virus und die damit verbundenen Maßnahmen für Coffee Circle?

Bisher gemischte Auswirkungen. Unser Online-Privatkundengeschäft ist stabil und nach anfänglich starker Steigerung wieder auf Vor-Corona-Niveau. Das Geschäft mit unseren Firmen- und Gastropartnern sowie der Betrieb unseres Cafés ist stark beeinträchtigt. Hier haben wir etwa 50 Prozent des Umsatzes verloren. Was mich jedoch positiv stimmt, ist, dass wir in den letzten Wochen viele neue Produkte geschaffen haben, die wir jetzt weiter entwickeln. So haben wir speziell für Firmen digitale Angebote entwickelt, wie zum Beispiel Remote Coffee Tastings, die auf die neuen Anforderungen unserer Kunden eingehen. Ich denke, dass wir uns so schnell an die neue Situation anpassen werden.

Waren oder sind eure Angestellten in Kurzarbeit? 

Ja, zum Teil, vor allem in den betroffenen Bereichen Firmen- und Gastronomie. Aber wir entwickeln auch parallel unsere Produkte weiter, das heißt es ist aktuell niemand mit mehr als 20 Prozent in Kurzarbeit. Und wir hoffen, bald wieder alle auf 100 Prozent nehmen zu können. Wir wollen sehr bald auch wieder in Wachstum investieren und suchen hierfür auch Leute mit Erfahrung.

Musste Coffee Circle dennoch Teammitglieder entlassen?

Nein. Ich habe auch gleich zu Anfang der Krise meinem Team versprochen, dass wir alles tun, damit das nicht passiert. Jedoch hatten wir bis Ende Juni einen Einstellungsstopp, sofern es sich nicht um Ersatz handelte. 

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Arbeiten eure Angestellten noch im Homeoffice? Wenn ja: Wann plant ihr wieder ins Büro zu gehen?

Ja, aktuell arbeitet ein Großteil remote, wobei das natürlich nicht für unsere Rösterei und das Café zutrifft. Das Büro hat inzwischen freiwillig geöffnet, es kommen aber nur ein paar Leute. Wir hatten jüngst den ersten positiven COVID-19-Fall, was noch einmal gezeigt hat, dass diese Situation wohl auch noch eine Weile andauern wird.

Könnt ihr euch vorstellen, künftig komplett auf ein eigenes Büro zu verzichten?

Nein. Ich bin der Überzeugung, dass wir einen Ort brauchen, an dem wir zusammen kommen können. Ich merke auch, dass meine Kollegen das remote arbeiten ganz unterschiedlich verkraften. Die einen feiern es ab, die anderen kommen überhaupt nicht klar damit. Ich kann meinen Kollegen weder das eine noch das andere verschreiben. Ich denke, es wird etwas in der Mitte werden. Die Situation ist zudem noch so frisch, dass wir aus meiner Sicht noch nicht in der Lage sind, eine so radikale Entscheidung zu treffen.

Welche Tools und Tricks haben eurem Team in den vergangenen Wochen geholfen?

Wir haben von Beginn an regelmäßig und transparent unsere Entscheidungen erklärt, gerade zum Thema Kurzarbeit. Letztendlich hat das Management jede einzelne Kollegin und jeden Kollegen angerufen, erklärt, welche Auswirkungen es für sie oder ihn hat und alle Fragen beantwortet. Ansonsten haben wir Remote Beers und anderes ausprobiert, um die Stimmung im Team aufrechtzuerhalten. Das war anfangs gut, aber nach dem dritten Mal auch langweilig. Am Ende glaube ich, bleiben wir Rudeltiere und brauchen persönlichen Kontakt. Nicht zuletzt versuchen wir im Management, maximal unaufgeregt zu reagieren. Grundsätzlich vertrauen wir jedem einzelnen unserer Kollegen und sehen davon ab, zu viele Vorschriften zu machen.

 

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Was hat in den vergangenen Wochen nicht funktioniert?

In Äthiopien hatten wir vor, ein großes Projekt abzuschließen, bei dem nun 40.000 Menschen Zugang zu sauberem Wasser haben. Hier konnten die letzten Trainings nicht durchgeführt werden und die Feier mit unseren Partnern muss warten. Auch die Projektplanung im Ostkongo stockt, da Kommunikation und Reisen vor Ort schwierig sind.

Zudem wollten wir eigentlich im Mai oder Juni unser zweites Café in Berlin-Prenzlauer Berg aufmachen. Das mussten wir vorerst aufgeben. Das bedeutet, dass wir unsere Offline-Wachstumsstrategie hinterfragen müssen, um uns an die neuen Umstände anzupassen. So suchen wir aktuell eher extrem kleine Flächen, um kleine flexible Kiosks zu eröffnen.

Viele Menschen haben durch die Veränderungen in den vergangenen Wochen persönliche Krisen erlebt, euer Team oder ihr als Chefs womöglich auch. Wie seid ihr als Führungskräfte damit umgegangen?

Das ist aus meiner Sicht die größte Herausforderung. Unsere Kolleginnen und Kollegen reagieren ganz unterschiedlich auf die Situation. Junge Familien freuen sich, Familien mit etwas älteren Kindern sind eher genervt und zuhause sitzende Singles stellen sich auf einmal die großen Fragen des Lebens, was auch frustrierend sein kann. Wir versuchen mit regelmäßiger Kommunikation dem entgegenzuwirken. Aber das reicht inzwischen nicht mehr aus. Wir werden im August die Terrasse in unserem Café im Wedding eröffnen, mit deutlich erweitertem Brunch Angebot. Das wollen wir nutzen, um eine Art Team-Event zu machen, sofern es die rechtliche Lage dann zulässt. Ansonsten haben wir auch deshalb das Büro geöffnet. Der Arbeitsweg und der Büroalltag schafft Routine und damit eine Art Stabilität. Ich denke, dass der Firma aktuell vor allem die Aufgabe zukommt, Stabilität und Sicherheit in einer sich stark veränderten Umwelt zu bieten.

Bild: Coffee Circle
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