„Mitarbeiter haben mir mit Anfang 20 gesagt, sie bräuchten ein Sabbatical. Da muss ich manchmal den Kopf schütteln“, sagt Doreen Huber.

Doreen Huber ist erst 36 Jahre alt, hat aber schon mehrere Firmen gegründet und sich beim Berliner Liefergiganten Delivery Hero zum CSO und COO hochgearbeitet. Heute ist sie Gründerin und Geschäftsführerin des Berliner Catering-Startups Lemoncat. In den vergangenen Jahren hat Huber nach eigener Aussage „Tausende Bewerber“ interviewt – und wurde dabei häufiger enttäuscht.

Über die Jahre hat sich die Gründerin klare Regeln und Werte für die Suche nach den passenden Mitarbeitern auferlegt. Eine davon: Sie will niemanden mehr einstellen, der ständig den Job wechselt. Mit ihrer Aussage auf Gründerszene, dass sie keine Jobhopper in ihrem Team haben möchte, löste Huber vor zwei Wochen eine Debatte unter unseren Lesern aus. 

Wir haben sie deswegen noch einmal getroffen und nachgehakt. Was genau sind für sie Jobhopper? Wie erkennt sie gute Bewerber? Wie schwierig ist es für sie als Gründerin, geeignete Mitarbeiter zu finden?

Doreen, du sagst, dass du keine Jobhopper bei deinem Startup Lemoncat anstellen willst. Wie genau erkennst du sie?

Das sehe ich schon am Lebenslauf. Wenn ein Bewerber oder eine Bewerberin immer nur sechs oder neun Monate bei einem Arbeitgeber war und es nie länger als zwei Jahre ausgehalten hat, dann weiß ich: Der wird bei mir auch nicht lange bleiben. 

Ein Vorteil kann doch sein, dass diese Bewerber schon viele Firmen, die Geschäftsmodelle und Arbeitsweisen kennengelernt haben.

Mich schreckt das ab. Wenn jemand nicht mal zwei Jahre in einer Firma bleiben kann, hat diese Person für mich auch kein Durchhaltevermögen. Meine Erfahrung zeigt: Solche Jobhopper geben bei der kleinsten Kritik auf und haben keine Lust, auch mal harte Zeiten in einem Unternehmen mitzumachen. Stattdessen wechseln sie sofort und entwickeln sich nur horizontal weiter.

Was genau meinst du mit horizontal?

Sie haben in vielen verschiedenen Unternehmen die gleiche Position, aber steigen dort nie auf. 

Ist dein Eindruck, dass es immer mehr Jobhopper gibt?

Ja, mir fällt das auf. Ich will jetzt nicht alle über einen Kamm scheren, aber für mich sind das schon die Schwächen der Millennials: fehlendes Durchhaltevermögen, wenig Geduld. Ich hatte Mitarbeiter, die Anfang 20 waren und mir nach einigen Monaten im Job sagten, sie bräuchten ein Sabbatical. Da muss ich manchmal den Kopf schütteln.

Die Arbeitswelt hat sich auch verändert. Viele Mitarbeiter, gerade von Startups, müssen ständig erreichbar sein. Nicht jeder hält diesen Druck aus und braucht dann vielleicht eine Auszeit…

Das stimmt absolut. Deswegen tun wir als Arbeitgeber bei Lemoncat auch sehr viel für unsere Mitarbeiter. Zunächst einmal bieten wir natürlich gutes Essen für alle an. Wir haben in unserem Team auch Schwangere und Mütter, die wir unterstützen und denen wir viele Freiheiten einräumen. Eine Mitarbeiterin von mir darf beispielsweise einen Monat von Thailand aus arbeiten, weil ihr Freund dort arbeitet. Wir haben klare Werte definiert und kommunizieren und leben diese auch. Aber ich möchte dafür, dass unsere Mitarbeiter sich uns gegenüber verpflichten und auch durchhalten, wenn es mal chaotisch wird.

Es klingt so, als wurdest du häufig von Mitarbeitern enttäuscht …

Ich habe in den letzten Jahren Tausende Bewerber interviewt und viele hundert Mitarbeiter eingestellt. Ich bin immer überzeugt, wenn ich jemanden einstelle. Aber ja, ich hatte auch schon einige Enttäuschungen. Mitarbeiter, die dann schnell wieder gegangen sind. Am Anfang meiner Karriere bin ich einfach nicht so systematisch an diese Themen dran gegangen und dachte immer: Ach, ich bin viel netter als die anderen Chefs, bei mir bleiben sie. Aber das war nicht so. Im Laufe der Zeit habe ich deswegen meine persönlichen HR-Regeln aufgestellt.

Wie lauten diese Regeln?

1. Only the best people! Wir versuchen immer den Besten für eine Position zu finden.
2. Keine Jobhopper anstellen
3. Wenn jemand einmal bei mir gekündigt hat, gibt es kein Zurück. Raus ist raus! Nur weil es im nächsten Job nicht besser ist, haben sich die Probleme, die derjenige bei uns hatte, nicht gelöst.
4. Keine Mitarbeiter vom Wettbewerber. Eine Person soll sich für Lemoncat entscheiden, weil sie genau bei uns arbeiten will und nicht für irgendeine Firma in der Branche.
5. Wir machen immer einen Culture Check.

Wie genau sieht dieser Culture Check aus?

Das machen wir in einem separaten Interview, in dem es nicht um Fähigkeiten, sondern um die Persönlichkeit geht. Wir wollen sicherstellen, dass ein Bewerber zu unseren Werten passt. Den Culture Check mache ich am liebsten selbst. Wenn ich nicht verfügbar bin, dann machen es zwei meiner Mitarbeiter, die am längsten bei uns sind und die DNA von Lemoncat am besten verkörpern. Derjenige von uns, der das Interview führt, muss sich im Anschluss fragen: Würde ich mit dieser Person in den Urlaub fahren? Wenn man diese starke Frage selbstbewusst mit „Ja“ beantworten kann, dann passt die Person zu uns. Wenn nicht, dann werden wir den Bewerber nicht anstellen. Gerade im Startup, wo man sehr viel und intensiv zusammen arbeitet, achte ich darauf, dass wir unsere tolle Firmenkultur bewahren.

Wenn man als Arbeitgeber so hohe Maßstäbe hat, wie schwer ist es, neue Mitarbeiter zu finden?

Es war schon immer schwer, aber in den vergangenen Jahren ist es noch mal viel schwerer geworden. Die Gehälter in Berlin sind stark gestiegen und der War for Talents ist im vollen Gange. Bald wird es hier ähnlich sein wie in San Francisco. Hinzu kommt, dass es Startups mit einer großen Marke gibt, die die guten Leute anlocken. Das macht es für die kleinen Firmen noch schwerer.

Dein Unternehmen Lemoncat hat derzeit 40 Mitarbeiter. Sucht ihr gerade weitere?

Wir suchen immer gute Mitarbeiter, aber ich bin sehr stolz auf die Größe meines Teams. Ich habe Firmen gesehen, die mit 30 Mitarbeitern so viel Umsatz machen wie andere Firmen mit 350. Das ist auch mein Ziel für Lemoncat: Mehr Umsatz mit weniger Mitarbeitern. Je effizienter, desto besser.

Stellst du für Lemoncat überhaupt noch Anfänger oder Praktikanten an?

Ja, aber die Mischung muss eben stimmen. Wenn wir bei 40 Mitarbeitern zwei Praktikanten haben, ist das hilfreich. Aber zehn Praktikanten? Wir haben gar nicht die Zeit, die alle anzulernen.

Wie identifiziert man gute Anfänger oder Praktikanten?

Das erkennt man sofort! Ich sehe das häufig schon am Lebenslauf, Leistungssportler sind beispielsweise häufig super, weil die viel Durchhaltevermögen haben. Aber spätestens, wenn wir Bewerbern eine Aufgabe geben, sehen wir am Ergebnis, ob derjenige richtig super oder mittelmäßig ist. 

Ihr braucht viele Programmierer, euer Produkt soll zunehmend technischer werden. Wie hält man die sogenannten Techies, die am Arbeitsmarkt besonders beliebt sind und deswegen ständig den Job wechseln könnten?

Bisher sind unsere Programmierer uns sehr treu, auch weil wir sie immer vor neue Herausforderungen stellen. Wir haben gerade eine Software namens Caterdesk für Caterer gelauncht. Die konnten unsere Programmierer von Anfang bis Ende entwickeln. Ich glaube, das motiviert sie, weil sie eigenverantwortlich arbeiten können.

Du selbst bist 36 Jahre alt und hast als Gründerin von Lemoncat laut LinkedIn deinen siebten Job. Siehst du dich selbst auch ein bisschen als Jobhopper?

Das ist jetzt natürlich eine gemeine Frage. Meine Mutter war über 20 Jahre in einem Unternehmen. Das ist heute nur noch schwer zu finden. In meinem ersten richtigen Job war ich dreieinhalb Jahre. Während meines Studiums habe ich meine erste Firma gegründet, geleitet und nach vier Jahren an eKomi verkauft, wo ich auch weiter im Management war. Auch bei Delivery Hero war ich mehr als drei Jahre als CSO und COO. Einige Jahre im Management eines Startups mit diesem Wachstum erfordert schon Durchhaltevermögen.

Heureka Conference – The Startup and Technology Conference

Triff Doreen Huber, Founder & CEO von Lemoncat, auf der HEUREKA – The Startup & Tech Conference am 12. Juni 2019 in Berlin.

Bild: Lemoncat