Willkommen im Team: Das Begrüßen – und Verabschieden – von Mitarbeitern kommt in Startups häufig vor. (Symbolbild)

Arbeiten im Startup – damit verbinden viele Menschen kostenlosen Kaffee und volle Obstkörbe bei niedrigem Gehalt und mindestens ausbaufähigen Arbeitsbedingungen. Was ist dran an diesem Bild? In anonymen Erfahrungsberichten lässt die Gründerszene-Redaktion Mitarbeiter junger Unternehmen sprechen. Aufgezeichnet werden sie von wechselnden Autoren. Der Startup-Alltag im Realitätscheck:

Ganz ehrlich? Ich kann mir kaum vorstellen, dass es Leute gibt, die so richtig über den Startup-Alltag abkotzen. Die Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe, sind sehr positiv. Und ich habe Vergleichswerte, weil ich vorher bei einem Großkonzern, einem Mittelständler und einer Agentur gearbeitet habe.

Für mich steht fest: Die meisten positiven Startup-Klischees stimmen. Wir haben eine große Basis an Entwicklern und Ingenieuren. Unser Team hat einen absurd niedrigen Altersdurchschnitt. Abends stoßen wir hin und wieder mit einem Bier an, gehen gemeinsam zum Badminton oder in die Boulderhalle. Es gibt ein freundschaftliches, vertrautes Verhältnis unter den Kolleginnen und Kollegen aus allen Abteilungen. Diesen Zusammenhalt kannte ich von früheren Arbeitgebern nicht. Ich bin selbst immer wieder überrascht, wie gerne ich meine Freizeit mit den Kollegen verbringe.

Du kannst fast alles direkt mit den Gründern besprechen, die mit dem gesamten Team in einem großen Büro sitzen und bei Teamevents dabei sind. Das geht so weit, dass ich sagen muss: Bis heute weiß ich bei vielen Kollegen nicht, ob sie festangestellt oder Werkstudenten sind. Das finde ich ganz schön, du merkst keinen klaren Hierarchieabfall.

„Du wirst müde, ständig neue Leute kennenzulernen“

Die Arbeit ist insgesamt herausfordernd, weil alles sehr schnell geht und sich das Unternehmen permanent weiterentwickelt. Auf der anderen Seite macht es Spaß, viel Eigeninitiative zu zeigen, selbst Entscheidungen zu treffen, drauf loszuarbeiten. Ich mag diese Hands-on-Mentalität. Jeder packt mit an, wenn es drauf ankommt, auch wenn es nicht in den eigenen Aufgabenbereich fällt. Die Dynamik ist einfach eine ganz andere als in einem Großkonzern.

Einen Haken, den ich persönlich sehe, ist die hohe personelle Fluktuation. Dadurch, dass wir so schnell wachsen, kommen häufig neue Mitarbeiter dazu, Werkstudenten verlassen das Unternehmen. Wer zwei Jahre dabei ist, zählt schon zu den langjährigen Mitarbeitern. Unsere Personalabteilung gibt sich viel Mühe, trotzdem fällt es mir manchmal schwer, neue Leute kennenlernen zu wollen. Gerade IT-ler brauchen meiner Erfahrung nach etwas länger, bis sie aufgetaut sind.

Ich fühle mich hier wohl, aber es ist immer wieder etwas anstrengend, aufnahmebereit zu sein. Im Startup musst du ständig on- und offboarden. Das ist eine Herausforderung für das gesamte Team, nicht nur für die HR-Abteilung.

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Auf das richtige Pferd gesetzt?

Eigentlich bin ich ein sehr sicherheitsliebender Mensch. Als ich von der Agentur ins Startup gewechselt bin, weil es mir dort zu stressig wurde, hat mein Umfeld mich gefragt: Ist das wirklich die richtige Entscheidung? Man weiß ja, dass nur etwa zehn Prozent der neu gegründeten Startups überleben. Wenn im Joballtag dann mal zwei Wochen lang Panikstimmung ist, weil etwas mit dem Produkt nicht so funktioniert wie geplant, fragt man sich schon: Habe ich hier auf das richtige Pferd gesetzt? Es kann immer passieren, dass das Geld ausgeht. Ein gewisser Unsicherheitsfaktor schwingt also mit. Als ich eingestiegen bin, gab es hier aber schon deutlich über 50 Mitarbeiter. Für mich war klar, es läuft. Ich weiß nicht, ob ich auch in ein Zehn-Mann-Unternehmen gegangen wäre, das die ganze Zeit auf der Kippe steht.

Dafür sind die Benefits, die man hier entgegengebracht bekommt, enorm. Da merkt man den viel besprochenen Wandel von der älteren hin zur jüngeren Generation, der andere Sachen wichtiger sind als die Zahl auf der Gehaltsabrechnung. Mein jetziger Arbeitgeber nimmt ganz selbstverständlich Geld in die Hand, damit es den Mitarbeitern gut geht. Wir haben eine Kaffeemaschine, an der wir uns kostenlos bedienen können. Apfelschorle, Spezi, das wird alles gestellt. In meinen Augen sind das kleine, aber feine Benefits, die den Unterschied machen.

„Das große Los gezogen“

Wenn ich meine Situation mit der von ehemaligen Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen vergleiche, habe ich das große Los gezogen. Ich bin zufrieden mit meinem Job, das ist viel wert.

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Ich glaube, dass unser Altersspiegel ganz gut zeigt, welche Leute gerne bei Startups arbeiten. Viele stecken sehr viel Herzblut und Lebenszeit in unser Produkt, mehr als in einem normalen Nine-to-five-Job. Startup – das kannst du gut machen, bevor du eine Familie gründest. Ich für meinen Teil kann mir vorstellen, noch ein paar Jahre hier zu bleiben. Ob ich die Startup-Experience mit 40 nochmal bräuchte? Ich glaube eher nicht.

Aufgezeichnet von Elisabeth Neuhaus

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Bild: Getty Images / Bildnachweis: Caiaimage/Martin Barraud