Unseren anonymen Gesprächspartner hat der Startup-Job frustriert. (Symbolbild)

Arbeiten im Startup – damit verbinden viele Menschen wohl kostenlosen Kaffee und volle Obstkörbe bei niedrigem Gehalt und mindestens ausbaufähigen Arbeitsbedingungen. Was ist dran an diesem Bild? In anonymen Erfahrungsberichten lässt die Gründerszene-Redaktion Mitarbeiter junger Unternehmen sprechen. Aufgezeichnet werden sie von wechselnden Autoren. Der Startup-Alltag im Realitätscheck:

Ich habe bei einer jungen Maschinenbaufirma gearbeitet, der Ausgründung einer Universität. Als ich in das Unternehmen kam, war gerade ein großer Auftrag aus Asien hereingekommen. Ich wurde hauptsächlich eingestellt, um auf diesem Projekt zu arbeiten. Nach sechs Monaten wurde mein Vertrag entfristet.

Es war mein erster Job nach dem Masterabschluss als Ingenieur. Während ich mich Stück für Stück einarbeitete, wurde ich relativ schnell mit einem Problem konfrontiert, das wohl auf viele Startups zutrifft: fehlende Strukturen in Arbeitsprozessen. Dadurch, dass es offiziell kaum Hierarchieebenen gab, gab es auch wenig Hierarchieverantwortung. Schnell wurden Sachen heruntergereicht. Mir war oft nicht klar, was mache ich, was die Anderen? Die Aufgabenbereiche sind ineinander verschwommen.

Dazu kam, dass die Geschäftsleitung häufig abwesend war. Auf derselben Hierarchieebene hatten sich deshalb letztlich doch latente Weisungsrollen etabliert, die wichtig waren für einen halbwegs geordneten Ablauf. Sie waren aber instabiler, weil sie nicht von oben vorgegeben waren. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass es komplett ohne Hierarchie einfach nicht funktioniert.

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Das Team, fast alles frische Master-Absolventen, war deswegen gestresst. Das Problem wurde auch mit dem Chef besprochen, richtig geändert hat sich in meiner Zeit aber nichts.

Ein zu spätes „Danke“

Mein Arbeitsalltag sah ungefähr so aus: Mir wurde ein Problem vor die Füße gelegt und ich sollte gucken, was ich daraus mache. Nach dem Motto: Wie du ans Ziel kommst, liegt an dir. Natürlich ist es nett, wenn jemand einem zutraut, direkt sehr viel Verantwortung zu übernehmen. Aber zu einem gewissen Grad bedeutet sie auch Überforderung, gerade am Anfang des Berufslebens.

Denn mir wurde über die Zeit immer mehr und mehr Verantwortung aufgebrummt. De facto habe ich für ein paar Monate sogar die Rolle des stellvertretenden Geschäftsführers übernommen, weil der eigentliche Stellvertreter aus persönlichen Gründen gefehlt hat. Das wurde leider nie thematisiert, auch in meinem Gehalt hat es sich nicht widergespiegelt. Nach wie vor bekam ich 3.500 Euro brutto pro Monat. Das hat mich frustriert.

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Einmal meinte der Chef zu mir, dass er zufrieden sei, dass alles so gut laufe. Da hatte ich echt einen Kloß im Hals stecken. Von einem Dankeschön hätte ich mir zwar nichts kaufen können, aber es wäre eine nette Geste gewesen. Die Wertschätzung meiner Arbeit habe ich vermisst. Gedankt wurde mir erst zu einem viel späteren Zeitpunkt, als das für mich schon kein Grund mehr war, zu bleiben.

Lieber lernen von Leuten mit Plan

Über das Projekt hinaus, für das ich eingestellt worden war, gab es für mich nämlich keine Perspektive bei der Firma. Das war der Hauptgrund, warum ich gekündigt habe. Gestern (das Gespräch wurde 2019 aufgezeichnet, Anm. d. Red.) war mein letzter Arbeitstag. Demnächst fange ich bei einem Industrieunternehmen an. Von der neuen Stelle erhoffe ich mir, dass ich mir nicht alles selbst erarbeiten muss, sondern von Leuten mit Plan lernen kann.

Aus der Erfahrung bei dem Uni-Spin-off nehme ich für mich den Vorsatz mit, sinnlose Prozesse bei zukünftigen Arbeitgebern sofort anzusprechen. Man muss seine Rechte einfordern und auch mal sagen, dass man so und so viel Verantwortung höchstens für Betrag X übernehmen möchte. Man sollte nicht immer im Defizit arbeiten oder zu sehr in Vorleistung treten. Meiner Erfahrung nach ist es oft eher positiv, eine starke Meinung zu äußern. Man bekommt dafür nicht unbedingt auf die Finger.

Mein Highlight in der Zeit war, dass das Projekt für die Firma gut lief. Es brachte ihr mehrere Folgeaufträge rein. Die Investition meiner Arbeit hat sich für das Unternehmen also gelohnt. Für mich ist das eine Bestätigung, dass ich in der Lage bin, trotz schwieriger Umstände an Herausforderungen zu wachsen.

Ich denke, dass ich den Job in meiner damaligen Situation nochmal antreten würde. Ich habe in der Zeit viel über das Führen von Arbeitskräften, über Arbeitsprozesse und auch einiges über mich erfahren. Diese Kompetenzen hätte ich woanders vielleicht nicht so schnell gelernt, aber dafür hätte ich jetzt auch weniger graue Haare.

Aufgezeichnet von Elisabeth Neuhaus

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Bild: Getty Images / Maskot