Der Meetingraum der Berliner Agentur Kooperative stand für mehrere Wochen fast komplett leer.

Jeden Montag rief die Berliner Kreativagentur Kooperative ihre 30 Mitarbeiter zum Teamlunch. Das wöchentliche All-Hands-Meeting für die komplette Belegschaft. Über die Woche verteilt trafen sich die Angestellte außerdem zu Jours fixes – innerhalb von Teams, zwischen Mitarbeitern verschiedener Abteilungen oder mit der Geschäftsführung. Insgesamt etwa 100 Termine kamen so in einem Monat zusammen. Termine, die Zeit fraßen und oft unnötig waren. Daher entschied sich Kooperative, für mehrere Wochen sämtliche Besprechungen zu streichen. „So konnten wir reflektieren, welche Meetings wir wirklich brauchen, welche sinnvoll sind und welche wir abschaffen können“, erzählt Personalmanagerin Laura Neumann im Gespräch mit Gründerszene.

Die Agentur Kooperative Berlin veranstaltet Events, produziert Podcasts sowie Videos und berät Non-Profit-Organisationen. Die zehn Jahre alte Firma wird von Oliver Baumann-Gibbon und Markus Heidmeier geführt.

Die Maßnahme wurde in einem kleinen Arbeitskreis beschlossen und dann im Team abgestimmt. Die Personalabteilung hat die Mitarbeiter etwa drei Monate im Voraus über das Projekt informiert, für das Experiment sämtliche Meetings aus dem Kalender gestrichen. Die Berliner Firma entschied sich bewusst für den Spätsommer, weil in dieser Phase weniger Projektfristen liegen. Ursprünglich war ein Monat als meetingfreier Zeitraum angedacht. Weil im September aber noch einige Kollegen im Urlaub waren, verlängerte die Agentur den Test um einen weiteren Monat. Eine kürzere Testphase würde die HR-Managerin Neumann im Rückblick nicht empfehlen, weil wichtige Besprechungen sonst einfach auf den nächsten geplanten Termin etwa in zwei Wochen verschoben werden könnten, wie sie sagt. Das würde den Zweck des Experiments nicht erfüllen.

Kein Meeting-Verbot ausgesprochen

Ein Meeting-Verbot sprach das Unternehmen allerdings nicht aus. Vereinzelte Termine fanden daher weiterhin statt, allerdings mussten nicht alle Personen daran teilnehmen. „Wenn ich ein Thema mit dem Kollegen kurz auf dem Flur besprechen kann, muss ich dafür nicht eine halbe Stunde in seinem Kalender blocken“, sagt Neumann. Ihre Agentur empfiehlt daher, Themen lieber in Stand-ups oder Chats zu diskutieren. „Wir sind wieder schneller in unserer Arbeitsweise geworden, sind auf Kolleginnen zugegangen und haben direkt gefragt“, so Neumann. 

Einen Nachteil gab es dann aber doch: Die Kooperative fand keinen Ersatz für das All-Hands-Meeting und montägliche Kochen, keinen anderen Weg, wichtige Dinge dem ganzen Team zu kommunizieren. Die Agentur wollte auch nicht alle Mitarbeiter dazu zwingen, immer sämtliche Teamchats zu verfolgen – eben, weil es kein Verbot und keine Zwänge geben sollte. „Wir haben gemerkt, dass wir uns kulturell verloren haben“, sagt Neumann. Sie sei am Ende froh gewesen, als der Test wieder vorbei war.

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Nach den zwei Monaten entschied jede Abteilung für sich, welche Termine sie beibehalten will. Fast alle Besprechungen wurden wieder aufgenommen, viele aber gekürzt. „Wir haben festgestellt, dass wir ganz ohne Meetings auch nicht arbeiten wollen“, sagt die Personalerin. Manche hätten sich aber aus einzelnen Terminen herausgezogen, neue Schnittstellen seien geschaffen worden. Und vor allem klare Regeln: Für jedes Treffen gibt es nun einen Verantwortlichen, der es leitet und zum Abschluss konkrete Maßnahmen oder Fristen formuliert.

Auch wenn die Agentur ihren Kalender nur von wenigen Terminen befreien konnte, arbeite sie jetzt dennoch effektiver als vor dem Experiment, sagt Neumann.

Mehr zum Thema gibt es im Gründerszene New Work Report:

Bild: Kooperative Berlin