Sina Gritzuhn und Sanja Stankovic stecken hinter dem Gründerinnen-Monitor

Gründerinnen müssen stärker sichtbar werden, fanden Sina Gritzuhn und Sanja Stankovic. Deshalb launchten die beiden Ende April den Female Founders StartupSpot – eine Datenbank, in der alle deutschen Startups mit mindestens einer Frau im Gründungsteam verzeichnet sind. Derzeit sind es mehr als 360.

Der Female Founders StartupSpot ist der erste themenspezifische Zweig von Hamburg Startups, einer Datenbank, die Gritzuhn und Stankovic 2014 ins Leben riefen. Die Angaben aus Hamburg Startups dienen als Quelle für den neuen Monitor. Die beiden wollen zeigen: Auch wenn sie noch in der Unterzahl sind, es gibt sie, die Gründerinnen – und zwar nicht nur in der Mode, sondern vor allem im Service, Commerce und Tech. Gritzuhn und Stankovic hätten oft das Gefühl gehabt, dass Panels oder Gründer-Wettbewerbe, bei denen primär Männer auf der Bühne stehen, nicht der realen Gründerdarstellung entsprechen, erzählen sie Gründerszene im Interview. Nun sei es an der Zeit gewesen, die Fakten dazu zu liefern. 

Wie ist denn die Idee zum Female Founders StartupSpot entstanden?

Sina: Das Thema, dass Frauen nicht ausreichend sichtbar sind, begleitet uns eigentlich, seitdem wir beruflich aktiv sind. Jedes Panel, das ausschließlich mit Männern besetzt war, hat einen Stich im Herz hinterlassen. Als Co-Gründerin der Digital Media Women beschäftigt sich Sanja bereits seit acht Jahren mit dem Thema. Egal, ob wir eine Jury besetzen oder ein Panel kuratieren, wir achten immer darauf, dass wir Frauen dabei haben. Was auch – Überraschung – möglich und gar nicht so schwer ist. (lacht)

Sanja: Wir wollen den Stempel „Uns geht’s so schlecht“ definitiv vermeiden. Aber insgesamt ist die Startup-Szene schon extrem Männer-dominiert. Sei es auf Veranstaltungen oder, wenn wir beispielsweise einen Wettbewerb veranstaltet haben, für den sich natürlich viel mehr Männer beworben haben als Frauen. Wir hatten oft das Gefühl, dass das nicht der realen Gründerdarstellung entspricht. Und da wir mit unserer Datenbank bereits eine gute Datengrundlage hatten, war einfach der Zeitpunkt da, um Fakten zu zeigen.


Wie genau funktioniert der Female Founders StartupSpot?

Sanja: Im Prinzip haben wir in unserer Datenbank einen Filter integriert, der die angelegten Startup-Profile anhand der Bedingung „Mindestens eine Frau im Gründungsteam“ filtert.

Sina: Wichtig ist, dass der Female Founders StartupSpot keine reine Gründerinnendatenbank ist, sondern lediglich heterogene Gründungsteams sichtbar macht, also Teams mit mindestens einer Frau im Gründungsteam. Somit werden aus den 13 Prozent Gründerinnen-Anteil in Deutschland direkt mal 25 Prozent, was die Perspektive auf das Thema komplett verschiebt.

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Sanja: Das heißt, ein Viertel aller deutschen Startups werden von Frauen mitgegründet. Es wäre völlig falsch zu sagen: Wir brauchen mehr Startups, die ausschließlich von Frauen gegründet werden. Weil gerade die unterschiedlichen Sichtweisen auf Themen viele Unternehmen so erfolgreich machen.

Was könnt ihr denn anhand der eingetragenen Startups in eurer Datenbank über die Gründerinnenszene sagen?

Sina: Anhand unserer Livedaten sieht man, dass Frauen sehr divers gründen. Im Commerce werden etwa 20 Prozent der Startups von Frauen mitgegründet, im Food-Bereich nahezu 16, auch im Tech-Bereich sind es 14 Prozent. Im Fashion-Bereich gibt es hingegen nur sechs Prozent Frauen im Gründungsteam. Nur weil man im Team Frauen mit an Board hat, heißt das nicht, dass sich alles nur um Fashion und Windeln dreht.

Darüber hinaus zeigen die Daten, dass in Teams mit Mitgründerinnen mehr Frauen beschäftigt sind, aber nicht ausschließlich. 43 Prozent der Gründungsmitglieder sind noch immer männlich. Das zeigt, dass Frauen nicht nur mit Frauen, sondern gerne divers gründen. Wenn man sich die ungefilterte Datenbank mit 1.300 Startups anschaut, hat man hingegen nur 17 Prozent Gründerinnen. Das beweist, dass männliche Teams gerne in großen Gruppen gründen und scheinbar am liebsten nur mit Männern.

Wollen Gründerinnen stärker hervorheben: Sanja Gritzuhn und Sina Stankovic

Welche Mission verfolgt ihr damit?

Sina: Primär geht es uns um das Thema Sichtbarkeit und Perspektivwechsel – wegzukommen von der Aussage, es gäbe zu wenig Gründerinnen, hinzukommen zu dem Punkt: Es gibt durchaus ganz viele spannende Startup-Teams, bei denen Frauen mitwirken. Und diese dann sichtbar zu machen, um wiederum auch anderen Teams Mut zu geben.

Sanja: Sichtbarkeit ist auf jeden Fall das Wort, das über allem steht. Ich merke das immer wieder, wenn mich jemand nach einem coolen Startup in einem bestimmten Bereich fragt und ich selbst in unserer Datenbank recherchiere. Es gibt wirklich tolle Gründerinnern – auch im Tech-Bereich. Natürlich reichen die noch nicht in den Tausenderbereich, aber es gibt sie und wir wollen endlich, dass Schluss mit der Aussage ist, dass es keine Tech-Gründerinnen gibt. Weil das stimmt einfach nicht.

Die beiden Gründerinnen des Female Founders StartupSpot mit  Justina Adu von QVC Next (2. v. re.), Dagmar Wöhrl (2. v. li.) und Justus Lumpe von der NOAH-Konferenz (li.). Dagmar Wöhrl ist Schirmherrin des Female Founders StartupSpot und erklärt auch ganz genau wieso: „Wir brauchen mehr weibliche Vorbilder. Das Potenzial ist ja bereits vorhanden, wir müssen das eben nur viel stärker sichtbar machen.“

Auch wenn rund ein Viertel aller deutschen Startups von Frauen mit gegründet werden – Warum, glaubt ihr, gibt es noch immer mehr männliche Gründer als Gründerinnen?

Sina: Ich glaube tatsächlich, dass sich noch immer viele junge Frauen nach der Ausbildung eher für eine Stelle im großen Unternehmen entscheiden als Männer. Wenn Frauen beispielsweise auf eine Bühne gehen, überprüfen sie erst mal, ob sie zu dem Thema wirklich etwas sagen können. Viele Frauen trauen sich einfach noch nicht. Daher ist es umso wichtiger, dass es Beispiele gibt von Frauen, die sich schon getraut haben. Und damit zu zeigen: „Hey, jeder kann das! Du auch.“ Das ist noch nicht bis zur letzten Ecke durchgedrungen, aber ich finde schon, dass sich die Tendenz verändert.

Sanja: Ich finde es ganz schwer, das an bestimmten Beispielen festzumachen, aber ich finde schon, dass es oftmals noch eine Rolle spielt, ob man ein Mann oder eine Frau ist. Das kann positiv sein, wenn beispielsweise unbedingt eine Frau auf der Bühne gebraucht wird – dann hat man als Frau einen Bonus. Wenn man smart ist, kann man das auch irgendwie gut nutzen. Wenn man dann aber in einer reinen Männerrunde sitzt, in der Frauen gar nicht erwünscht sind, ist das ganz klar ein Nachteil. Wir haben beides schon erlebt. 

Wichtig ist, dass man dabei eine gute Portion Humor bewahrt. Mittlerweile haben wir das Glück, dass viele mit uns zusammenarbeiten wollen, aber gut möglich, dass wir viel stärker performen mussten, um uns diese Anerkennung zu erarbeiten.

Welche Hürden müssen in euren Augen erst noch überwunden werden, damit die Verteilung von Frauen und Männern in der Startup-Szene ausgeglichener ist?

Sina: Basierend auf unseren Erfahrungen würde ich sagen, der Zugang zu Investment ist einer der wichtigsten Punkte, wenn es um Skalierung und schnelles Wachstum geht. Das ist für Gründerinnen noch deutlich schwieriger. Wir haben auch schon oft gehört, dass bei gemischten Teams in Gesprächen mit potenziellen Investoren vornehmlich mit dem Mann im Team gesprochen wird. Es ist leider noch immer in den Köpfen verankert, dass Frauen das offensichtlich nicht meistern können – warum auch immer. Ich glaube auch, dass Frauen nachhaltiger gründen als reine Männerteams und eher auf sichere, nachhaltigere Wachstumsstrategien setzen, die im klassischen Sinne nicht unbedingt mit Investments übereinkommen.

Was waren eure größten Herausforderungen während der Gründung?

Sina: Eine der größten Herausforderungen war für mich auf jeden Fall die Teamzusammenstellung – vor allem, als wir von drei auf zwei geschrumpft sind (Der Mitgründer Tim Jaudszims hat das Team 2015 verlassen). Wir haben von Anfang an nie nach Venture Capital gesucht, weil wir uns eher als Redaktion oder Agentur verstehen als ein klassisches Startup. Eine andere Herausforderung für mich war oder ist noch immer die Planung über drei Monate hinaus. Wenn man das Jahr budgetär planen will, weiß man ganz lange nicht, ob der Plan aufgeht, ob das Geld reicht, ob man den einen Auftrag bekommt, ob man im nächsten Jahr dort steht, wo man stehen will. 

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Sanja: Wir sind damals eher mit einer intrinsischen Motivation gestartet als mit dem Plan, aus unserer Idee ein großes Business zu machen. Uns hat einfach gestört, dass Hamburg als Ökosystem für Startups nicht sichtbar war. Weil das, was wir gemacht haben, auf fruchtbaren Boden gestoßen ist, sind wir dann mit der Zeit, mehr oder weniger ins Unternehmertum hineingerutscht. Wir waren lange Zeit nur zu zweit. Irgendwann musste dann der Schalter umgelegt und die Entscheidung getroffen werden, das Ganze strategischer aufzubauen, weil es auf Dauer nicht genügt hätte, nur von Sponsorengeldern zu leben. Daher haben wir Produkte entwickelt, die ein regelmäßiges Einkommen bieten. Nur so konnten wir als Team auch wirklich wachsen.

Was sind denn so die Vernetzungs- und Anknüpfungspunkte, die ihr Gründerinnen empfehlen würdet?

Sanja: Ganz wichtig: Netzwerken, den Austausch suchen und Feedback einholen. Mittlerweile gibt es an jedem Standort Startup-Veranstaltungen, auf denen man potenzielle Mitstreiter und potenzielle Kunden kennenlernen kann. Außerdem gibt es mittlerweile viele Events, auf denen man beispielsweise seine Idee pitchen kann, um dadurch ins Visier von Venture Capitalists und Investoren zu gelangen. Das ist sicherlich ein extrem hilfreiches Mittel. Frauen kann man nur raten bei allen Nachteilen, die man hat, die Vorteile gut zu nutzen.

Sina: Mutig sein und auf die Bühne gehen. Wenn man irgendwo die Möglichkeit hat, seine Idee, sein Startup zu präsentieren, dann sollte man das auch tun. Nicht fünfmal an sich und seinem Können zweifeln, sondern einfach machen und die Bühne nutzen.

Bilder: Rieka Anscheit, Mathias Jäger / StartupSpot