Weniger hierarchische Strukturen und mehr Transparenz steigern die Motivation von Mitarbeitern

Nur jeder fünfte Mitarbeiter findet den Führungsstil seines Vorgesetzten motivierend genug, um sich auf der Arbeit voll reinzuhängen. Heißt: Der Großteil der Angestellten findet die Leadership-Skills seiner Chefs nicht inspirierend genug, um eine gute Leistung zu erbringen. Das ergab der Gallup Engagement Index 2016, eine Umfrage über Mitarbeitermotivation. Die Führungskräfte selbst sind sich dessen gar nicht bewusst: 97 Prozent halten sich für einen guten Boss. Die Studie zeigt außerdem, dass nur 40 Prozent der Vorgesetzten 2016 eine Fortbildung besucht haben, um den Umgang mit ihren Mitarbeitern zu verbessern.

Ein Fehler. Denn wie die Vierteljahresschrift des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln von Ende 2017 zeigt, müssen Führungskräfte immer mehr auch Impulsgeber und Motivator sein – und dafür sind personalpolitische Veränderungen erforderlich.

Doch wie müsste die Personal- und Führungspolitik in Unternehmen aussehen, um die Mitarbeiter zu mehr Teilnahme zu aktivieren und ihre Motivation zu steigern? Wir hätten da drei Vorschläge.

1. Situativer Führungsstil

Idee:

Der situative Führungsstil wurde von den Verhaltensforschern Paul Hersey und Ken Blanchard vorgestellt. Die beiden unterscheiden zwischen zwei Ebenen: der Aufgaben- und der Personenorientierung. Handelt der Vorgesetzte aufgabenorientiert, stehen konkrete Ziele und Projekte im Vordergrund. Der personenorientierte Chef konzentriert sich hingegen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, gibt seinen Mitarbeitern Feedback und Tipps.

Je nach psychologischer und sachlicher Reife ihrer Mitarbeiter, passen Führungskräfte ihren Stil an den jeweiligen Kollegen an, so Hersey und Blanchard. Unerfahrene Arbeitnehmer und solche mit geringer Eigenmotivation sollten eher autoritär geführt werden – Mitarbeiter mit hoher Eigenmotivation erhalten hingegen mehr Freiräume.

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Vorteil:

Der situative Führungsstil lässt sich flexibel gestalten, sodass die Mitarbeiter individuell gefördert werden können.

Nachteil:

Der Vorgesetzte muss die Stärken und Schwächen seiner Angestellten gut kennen und diese im Blick behalten – schließlich können sich diese mit der Erfahrung sowie der Zeit verändern.

2. Network-Leadership-Modell

Idee:

Die Relevanz von Netzwerken wird in Zukunft steigen, wie der Quartalsbericht des Kölner Wirtschaftsinstituts deutlich macht. Das Network-Leadership-Modell baut auf dieser Annahme auf. Anstatt Teams nach bestimmten Kriterien zusammenzustellen, arbeiten Mitarbeiter laut dieses Modells in Netzwerkstrukturen zusammen, die auf natürliche Weise entstehen und wachsen. Dementsprechend wird auch die Führungsriege nicht bewusst ernannt, sondern entsteht aus dem Netzwerk heraus und kann sich im Laufe des Prozesses wieder verändern.

Das Modell geht prinzipiell davon aus, dass jedes Teammitglied einen potenziellen Leader darstellen könnte. Auf diese Weise soll jede Person je nach Erfahrung und Kompetenz automatisch bei thematisch passenden Projekten als potenzieller Leader in Frage kommen.

Ziel ist, das Unternehmen dadurch zu einer Wir-Marke zu machen, die ihre neuen Netzwerkmitglieder nicht mit hohen Gehältern und Statussymbolen triggert, sondern mit Freiraum, Vertrauen und einer autonomen, natürlichen Arbeitsweise.

Vorteil:

Die Mitarbeiter sind auf natürlichem Wege miteinander verbunden, weil sie sich in ihrem Netzwerk freiwillig dazu entschieden haben zusammenzuarbeiten. Sie wissen von ihren jeweiligen Stärken und Schwächen und können dadurch die Potenziale der Kollegen vollkommen ausschöpfen. Zudem entsteht kein Machtgefälle, weil jeder die Chance auf eine Leader-Rolle hat.

Nachteil:

Die flachen und kaum vorhandenen Hierarchien bergen die Gefahr, dass die Mitarbeiter die Orientierung verlieren könnten. Zudem ist eine offene und transparente Kommunikation wichtig, damit bei solch enger Zusammenarbeit keine langfristigen zwischenmenschlichen Konflikte entstehen. Dazu gehört auch, dass zumindest die Art der Kommunikation von Vornherein klar strukturiert sein muss.

3. VOPA-Plus-Modell

Idee:

Das VOPA-Plus-Modell nach Willms Buhse geht in eine ähnliche Richtung. Der Theorie zufolge beruht Leadership in erster Linie auf Vertrauen und setzt sich aus den Komponenten Vernetzung, Offenheit, Partizipation und Agilität zusammen.

Vernetzung bedeutet, dass Unternehmen verschiedenste Kommunikationskanäle nutzen sollen. Nicht nur, um sich nach außen zu präsentieren, sondern auch intern – um Stakeholder und alle Mitarbeiter miteinzubeziehen.

Offenheit kann lediglich durch absolute Transparenz gewährleistet werden. Heißt: Die Informationen, die die Angestellten brauchen, um sowohl ihre Aufgaben erfüllen als auch langfristig am Erfolg des Unternehmens mitwirken zu können, müssen aktiv bereitgestellt und transparent gemacht werden.

Die Partizipation der Mitarbeiter sieht vor, diese an wichtigen Entscheidungen teilhaben zu lassen – und zwar nicht nur durch eine Scheinpartizipation, bei der die Vorgesetzten am Ende doch wieder das finale Wort haben, sondern ihre persönlichen Einschätzungen wirklich ernst nehmen.

Um agiles Arbeiten ermöglichen zu können, müssen die Führungskräfte lernen, einen Teil der Verantwortung abzugeben und ihre Mitarbeiter zunehmend autonom arbeiten zu lassen. Das heißt auch, dass sie gegenüber Fehlern toleranter werden und ihren Mitarbeitern den Freiraum geben müssen, Fehler selbst zu erkennen und zu beseitigen.

Vorteil:

Die Mitarbeiter werden nicht einfach nur als Leistungsträger gesehen, sondern haben die Chance, tatsächlich am Unternehmen mitwirken zu können. Daraus resultiert automatisch eine gesteigerte Motivation und erhöhte Leistungsbereitschaft.

Nachteil:

In der Führungsriege besteht das Risiko, dass nicht alle diese Werte vertreten und stattdessen ihren eigenen Führungsstil durchzusetzen meinen. Das Modell lässt sich nur dann verwirklichen, wenn alle Beteiligten dahinter stehen. Zusätzlich bleibt die Gefahr der Scheinpartizipation weiterhin bestehen.

Bild: Getty Images / Hinterhaus Productions; Bilder im Text: 1. Darstellung nach dem Modell der situativen Führung, 2. Eigene Darstellung, 3. Darstellung nach dem VOPA-Plus-Modell