Peter Endres (li.) und Paul Berg haben früher in Konzernen gearbeitet und leiten jetzt die Geschäfte von GoodJobs

In seinen früheren Jobs in deutschen Konzernen hatte der 27-jährige Paul Berg oftmals das Gefühl, dass kaum ein Mitarbeiter wusste, wofür er eigentlich arbeitet. Seine neue Stelle sollte daher anders aussehen, einen Sinn haben. Nach seinem Studium am Bodensee zog es Berg nach Berlin, wo er dann über einen gemeinsamen Kontakt David Diallo kennenlernte. Diallo hatte zu dem Zeitpunkt bereits myPhotobook sowie ePubli gegründet, die NOAH Foundation initiiert und das Enorm-Magazin gestartet. Und auch er wusste: Wenn noch einmal etwas gründen, dann mit Sinn. 

So entwickelten die beiden die Idee für GoodJobs: einem Portal für Jobs rund um nachhaltige Berufe und eine Karriere mit Sinn. Auf dem Portal finden die Nutzer ausgewählte Stellenanzeigen, die anhand spezieller GoodJob-Kriterien geprüft werden. Ziel ist es, dass möglichst viele Menschen einen nachhaltigen oder sozialen Job finden, der ihnen auch in der Arbeit ein bewusstes Handeln ermöglicht. 

GoodJobs wurde damit das vierte Unternehmen der Impact Ventures Group, die Diallo 2014 mit Peter M. Endres, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Ergo Direkt, gegründet hatte. Heute besteht die Impact Ventures Group aus insgesamt sechs Unternehmen: dem Social Publish Verlag, das das Enorm-Magazin herausbringt, dem Onlinemagazin Good Impact, Good Travel, Good Jobs, Good Events sowie Good News.

An der Spitze von GoodJobs stehen mit Peter Endres, David Diallo und Paul Berg drei verschiedene Generationen.

Paul, inwiefern haben dir deine Konzernerfahrungen gezeigt, dass du dir deine Arbeit anders vorstellst?

Paul: Die Arbeit hat mir jeden Tag ein Stück weit die Seele ausgesaugt. Ich bin davon ausgegangen, dass in einem Unternehmen, das von außen spannend aussieht, auch nur motivierte Menschen arbeiten. Personen, die Lust haben, genau für dieses eine Unternehmen in dieser einen Branche zu arbeiten und genau diese Vision miteinander teilen. Mit der Zeit habe ich allerdings gemerkt, dass das oftmals nicht der Fall war. Viele hatten gar nicht diese eine Vision, sondern primär die Umsatzsteigerung vor Augen. Das ist auch völlig okay. Nur war das für mich in dem Moment – weil ich davon eben eine ganz andere Vorstellung hatte – ein bisschen hart. 

Jeder hat eine andere Antwort darauf, was Sinn bedeutet. Ist es dann nicht schwierig, den Nutzern eine bestimmte Sichtweise aufzudrücken?

Paul: Vor allem wäre es naiv und arrogant zu glauben, dass es nur eine Definition von Sinn gibt. Nur weil wir sagen, dass wir vom Sinn nachhaltiger Jobs überzeugt sind, heißt es nicht, dass wir alle anderen Jobs für sinnlos halten. Wir glauben, dass nachhaltige und soziale Organisationen es verdient haben, hervorgehoben zu werden.

Peter, vor GoodJobs warst du Vorstandsvorsitzender bei Ergo Direkt. Was hat dich dazu motiviert, ganz neu anzufangen und ein soziales Startup zu gründen?

Peter: Ich habe davon geträumt, noch mal eine Firma aufzustellen und alles ein Stück besser zu machen. Ob bei Ergo Direkt oder jetzt bei GoodJobs – das Wichtigste für mich war immer, dass alle Mitarbeiter am Montag zur Arbeit kommen und sich freuen. Dass jeder Einzelne für seine Arbeit brennt und gerne im Unternehmen arbeitet. Das war bei einer Firma mit 2.000 Mitarbeitern nicht mehr so einfach. Es gibt immer die zehn Prozent, die nicht mitziehen. Bei GoodJobs können wir da noch mal ganz anders anfangen und sind auf einem guten Weg.

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Paul: Obwohl man dazu sagen muss, dass der Anspruch, dass man sich auf Montag freuen und Spaß an der Arbeit haben soll, jetzt auch keine neue Erfindung ist. 

Was hast du aus deiner Zeit bei Ergo Direkt mitgenommen?

Peter: Das Wichtigste ist, dass man mit Menschen auf Augenhöhe umgeht, sie als Subjekte behandelt und nicht als Objekte. Normalerweise sind Mitarbeiter in großen Unternehmen Objekte, die dieses und jenes zu erledigen, zu machen, zu erreichen haben. Subjekt ist: Wir machen etwas zusammen und wir sind alle auf Augenhöhe. Obwohl wir völlig andere Lebensläufe und Erfahrungen haben. Ich selbst habe mir vor Vorstellungsgesprächen bei Ergo Direkt nie Lebensläufe angeschaut. Klar, hat das die Personalabteilung vorgefiltert, aber ich wollte nie Noten wissen oder Zeugnisse sehen. Ich wollte schlichtweg die Person kennenlernen. Bei GoodJobs haben wir jetzt drei Generationen vertreten: Paul ist Mitte 20, David 40 und ich bin 65. Und es funktioniert! Einfach, weil wir unterschiedliche Blickwinkel haben.

GoodJobs ist ein Social Startup. Allerdings braucht es Umsätze, um Mitarbeiter und andere laufenden Kosten zu zahlen. Wie steht das für euch im Verhältnis?

Paul: Jedes Social Business muss wie jedes andere Unternehmen Umsatz und Profit generieren. Das Ziel ist allerdings, ein gesellschaftliches Problem zu lösen und eben nicht den Profit zu maximieren. In erster Linie wollen wir mehr motivierte und talentierte Leute zu nachhaltigen Organisationen bringen. Dafür brauchen wir Umsatz, um unsere Kosten zu decken – alles was darüber hinausgeht stecken wir in den Auf- und Ausbau unseres Teams.

Wie wieviel zahlt ihr euch und euren Angestellten?

Paul: Wir sind nun knapp 20 Mitarbeiter bei GoodJobs. Verglichen mit anderen Online-Startups unserer Größe in Berlin sind unsere Gehälter sicherlich noch leicht unter dem Branchenschnitt. Das gilt insbesondere auch für die Gründer. Peter bekommt kein Gehalt.

Investmentbanker genießen mindestens ein genauso hohes Ansehen wie Personen mit sozialen Jobs, jedoch aus einem anderen Grund: Sie haben Geld und damit auch Macht. Wie beurteilt ihr das?

Paul: Das stimmt. Einerseits wird es immer hoch angesehen, wenn jemand zur UN geht oder Krankenschwester wird. Andererseits sehen Jugendliche auf Instagram vor allem Personen, die mit ihrem Geld protzen und fette Jobs haben – aber nicht, um das Glück zu finden, sondern um das nächste große Geld zu machen. Dieses Missverhältnis wollen wir ins Gleichgewicht bringen und es schaffen, dass ein Typ lieber mit seinem Job mit Sinn angibt als mit seinem Investmentjob.

Was muss sich ändern, bis ein sozialer Job mit geringerem Gehalt höher angesehen wird als beispielsweise ein Investmentjob mit besserer Bezahlung?

Peter: Meiner Ansicht nach sind wir schon voll in dieser Trendwende. Meinen Kindern ist es nicht mehr wichtig, die klassische Karriere zu machen. Früher war es viel wichtiger sagen zu können „Ich arbeite bei Porsche oder Daimler“ – das hat damals Eindruck gemacht. 

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Paul: Das sehe ich auch so. Aktuelle Arbeitsmarktstudien zeigen ja, dass das Gehalt im Vergleich zum Sinn-Aspekt an Bedeutung verliert. Solange wir es schaffen, existenzielle Bedürfnisse sicherzustellen und eine geringe Arbeitslosenquote haben, machen die Menschen sich immer mehr Gedanken, für was und wen sie eigentlich arbeiten.

Wie sieht demnach für euch der Arbeitsmarkt der Zukunft aus?

Paul: Meine Hoffnung ist, dass, wenn mehr Jobs aufgrund von Automatisierung oder Digitalisierung wegfallen und es ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt, Tätigkeiten mit Sinn verstärkt an Bedeutung gewinnen. Ich hoffe, dass wir dann einfach mehr Zeit haben, uns um sinnvolle Dinge zu kümmern.

Paul: Das ist dann aber auch eine Sache, die verstärkt von unserem Bildungssystem unterstützt werden muss. Wenn du nicht alles einigermaßen gut kannst, fällst du durch das Abitur – auch wenn du ein begnadeter Musiker, Handwerker oder Mathematiker bist.

Bild: GoodJobs