Der Weg zum Traum hat drei Phasen: Stressreduktion, roter Faden, auf zu neuen Ufern.

Ein Beitrag von Rike Doepgen, Gründerin von Coaching Creatives. Sie ist Coach für intuitive Selbstführung und berät Menschen in Changeprozessen.

Wie finde ich den richtigen Zeitpunkt für einen beruflichen Wechsel?

Übergänge, wer liebt sie schon? Noch nicht aus dem alten Job raus, und den neuen noch nicht gefunden? Von Köln nach Berlin gewechselt und die Kollegen sind gänzlich unbekannt? In der alten Funktion ausgedient, ohne Befugnisse, aber der neue Schreibtisch ist noch nicht frei? Zwischen A und B winkt erstmal die Arbeitslosigkeit, von der man unmöglich seinen Eltern erzählen will? In diesen Zeiten stellen sich neue Fragen.

Claudio mag seinen Job als Office Manager im Empfang eines jungen Startups. Allerdings sickerte erst nach der Einstellung durch, dass Überstunden nicht bezahlt werden. Das hatte sich im Bewerbungsgespräch noch anders angehört. Zunächst kam blanke Wut zum Vorschein – „…die haben mich betrogen!“ – aber nach ein paar Monaten wendete sich das Blatt: Aus Frust waren einige seiner Kollegen gegangen, ihn fragte man, ob er an einer höher dotierten Position Interesse habe.

Die Frage, die sich nun für Claudio stellt, heißt: Bleiben oder gehen? Sicherheit oder Wandel? Viele Millionen Arbeitstätige befinden sich täglich in diesem oder einem ähnlichen Dilemma. Pauschal gibt es dafür natürlich keine Antwort, denn jeder Berufsweg ist individuell. Aber dennoch sollte man über die folgende Frage nachdenken.

Arbeite ich noch oder lebe ich schon?

Übergänge sind heutzutage an der Tagesordnung. Kaum hat man sich in einem Bereich seines Lebens eingerichtet, muss man sich schon in einem anderen neu orientieren. Das ist sehr nervenaufreibend und anstrengend, schnell kann der Eindruck entstehen, dass wir unser Leben nicht mehr in der Hand haben, sondern von den Umständen gelenkt werden. Hierzu ein kurzer Blick in die Geschichte. Noch vor hundert Jahren war für den Handwerker klar, nach seiner Ausbildung macht er den Meister und übernimmt schließlich den elterlichen Betrieb.

Die beruflichen Stationen waren vorgezeichnet und gaben Halt. Eine Frau konnte in Ausnahmen einen Beruf erlernen, den legte sie aber wie selbstverständlich ab, wenn sich Kinder anbahnten. Es gab bestimmte „Rollenerwartungen“, von der Familie, von der Gesellschaft, nur Künstler und Literaten durften einen eigenen (und oft beschwerlichen) Weg gehen.

Und heute? Gestalten wir oder werden wir „gestaltet“? Sind wir aktiv dabei, unsere Berufsbiografie in die eigenen Hände zu nehmen? Aus meiner Tätigkeit als Coach heraus glaube ich sagen zu dürfen, dass viele es nicht sind. Aktiv den eigenen Berufsweg zu gestalten, mit einem Thema vor Augen, das trägt und das erfüllt, das mit Leidenschaft verfolgt wird – wie viele können das von sich behaupten?

Vom Zwangsjob zum Traumjob

Warum hat man eigentlich überhaupt mehrere Möglichkeiten, wenn man doch nur wenige verwirklichen kann? Weil es darum geht, sein eigenes Thema zu schleifen und zu schärfen. Durch alle Misserfolge, Grenzerfahrungen und Hindernisse hindurch. Um aus dem Angepassten, Vergleichbaren  und „das macht doch jeder“ herauszukommen und ein eigenes Statement zu generieren.

Ohne Anstrengungen gibt es keine Entwicklung, ohne innere Zweifel kein Neuland. Will ich Neuland betreten, brauche ich einen Traum. Einen Traum, der mich wach macht, der mich jeden Morgen antreibt und mich alles auf Anfang setzen lässt, einen Traum, der mir Orientierung bietet, der etwas Einzigartiges schaffen will. Wie die Startups, die neue Zeichen setzen wollen, die im Internet Verbindungen knüpfen und neue Inhalte „hineingeben“, und solange online „rühren“, bis die richtige Mischung herauskommt.

Der Weg zum Traum hat drei Phasen

In der ersten Phase geht es darum, zu bewältigen, was war, das heißt, Stress reduzieren, Altes loslassen. Man beginnt zu sortieren: Dies und das war gut, das könnte weitergehen, und dies und jenes wird ausgesondert, abgegeben: Die guten ins Kröpfchen und die schlechten ins Töpfchen. Das Sortieren setzt neue Energie frei und erinnert an eigene Ressourcen und Krisenkompetenzen.

In Phase zwei geht es um den Roten Faden. Wie lautet das eigene Thema, ist es noch da, oder ist es verloren gegangen bei der schnellen Suche nach dem Anschlussjob? Zwangsjob oder Traumjob, macht das eigentlich noch einen Unterschied? Doppeltes jaja, denn der heute weit verbreitete Burnout ist darauf zurückzuführen, dass viele zu lange in einer Position verharren, die ihrer inneren Stimme gar nicht entspricht. Also Augen auf und Hand aufs Herz: Right or wrong?

Phase drei könnte man „Aufbruch zu neuen Ufern“ betiteln. Hier sind Entscheidungen gefragt. Aber Moment mal: Bauch oder Kopf entscheidet? Für den Kopf zählen Status, Gehalt, Anfahrt-Abfahrt, für den Bauch die Atmosphäre, der Teamspirit, die Entwicklungsmöglichkeiten und das, was spontan wahrnehmbar ist. Beides ist wichtig, aber nur zu oft wird der Kopf Hauptentscheider und das ist schade.

Intuition ist die kleine Schwester des Übergangs und des Neulands

Wenn Umwege, Misserfolge und Hindernisse in einer mindestens 40-jährigen Berufslaufbahn als etwas ganz Natürliches akzeptiert werden, dann fällt auf: Es geht nicht um die Addition von Etappen, sondern um das Erleben und um Selbstausdruck. Heißt in diesem Fall: das eigene Talent der Gesellschaft zur Verfügung stellen.

Wenn jeder und jede das täte, was er oder sie am besten kann, dann hätten wir wahrscheinlich eine viel innovativere Wirtschaft und eine Gesellschaft, die soziale Systeme erneuert und modernisiert. Heißt aber auch: sich neue Ziele setzen. Andrea hat sich neue Ziele gesetzt: „Ich möchte ab Herbst nur noch drei Tage als Angestellte arbeiten und den Rest der Zeit eine neue App für Rockfans entwickeln.“

Die eigene Intuition ist dabei ein kostbarer Wegweiser, der beispielsweise dazu auffordert, inne zu halten, nochmal alles neu zu sortieren und den Übergang als Chance zu sehen. Nicht selten zeigt sich, dass die Intuition schon lange dafür arbeitet, dass sich endlich Erfolg einstellt.

Übergänge lassen sich also meistern, mit den eigenen Coping-Strategien und mit Hilfe anderer: Das kann ein Gespräch mit dem besten Freund sein oder die Sicht einer neutralen Person, eines Coaches. Das Dilemma an Übergängen bringt Paulo Coelho auf den Punkt: „Der Mensch will immer, dass alles anders wird, und gleichzeitig will er, dass alles beim Alten bleibt.“

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