Ein wichtiger Teil der Karriereplanung: Aufschreiben, welche Eigenschaften und Interessen man hat.
Ein wichtiger Teil der Karriereplanung: aufschreiben, welche Eigenschaften und Interessen man hat.

„Und, was willst du mal werden?“ Diese Frage kennt wohl jeder aus der Kindheit. Chefarzt, Politikerin, Modedesignerin oder Feuerwehrmann, antwortete man damals überzeugt. Die meisten werden diese Karriereziele als Erwachsene wohl nicht erreicht haben – vielleicht, weil sich die Interessen in der Pubertät geändert haben. Oder, weil man sich lieber für „etwas Sicheres“ entschieden und statt Modedesign BWL studiert hat. Oder, weil man den heutigen Job einfach durch Zufall bekommen hat.

Egal, wie sie zu ihrer aktuellen Arbeitsstelle gekommen sind: So richtig zufrieden damit sind längst nicht alle Arbeitnehmer in Deutschland. 50 Prozent würden gerne in den nächsten zwölf Monaten ihre Arbeitsstelle wechseln, hat eine Studie von April 2018 ergeben. Doch was können Angestellte machen, um nicht von einem unpassenden Job zum nächsten zu wechseln? Das hat Karriere-Coach Ragnhild Struss beim Gründerinnen-Event Female Future Force Day Ende August in Berlin verraten. Sie sagt: Jeder kann sein eigener Coach sein, wenn es um die Planung der beruflichen Zukunft geht. Alles, was es dazu braucht: Stift und College-Block oder ein leeres Word-Dokument – und genügend Zeit zum Nachdenken. Karriereplanung darf auch mal mehrere Wochen in Anspruch nehmen, sagt Struss. Sie rät, die Planung in sieben Schritte einzuteilen:  

1. Persönlichkeitsanalyse

Im ersten Schritt heißt es: Sei dein eigener Psychologe. Zehn Fragen sollten sich Karriereplanende stellen, um herauszufinden, wer sie sind und was ihnen wichtig ist.

  • Welche Charaktereigenschaften habe ich?
    Bin ich besonders hilfsbereit, dominant oder gelassen? Hier gilt: Nicht nur an Eigenschaften denken, die beruflich Sinn machen könnten, sondern auch an solche, die zunächst irrelevant erscheinen. Dass man ein geselliger Typ ist, der am liebsten jeden Abend Freunde einlädt, mag unwichtig klingen, kann aber bei der Karriereplanung helfen: Man ist dann wohl eher Teamplayer als Einzelkämpfer.
  • Talente: Was fällt mir leichter als anderen?
    Bin ich stets derjenige, der die Budgetplanung für den Urlaub mit Freunden übernimmt? Der die Bachelor-Arbeiten der anderen auf Rechtschreibung korrigiert oder die nächste Grillparty plant? Hinter all diesen Dingen stecken verborgene Talente, die bei der Berufswahl helfen können.
  • Was sind meine Werte und inneren Überzeugungen?
    Wonach richte ich mein Verhalten aus? Welche Glaubenssätze habe ich – etwa „Ohne Fleiß kein Preis“?
  • Was waren meine Kindheitsträume und Visionen?
    Jeder, der seine Karriere plant, sollte sich fragen, was er eigentlich als Kind erreichen wollte – zu einem Zeitpunkt, an dem er noch nicht strategisch überlegt hat, was er einmal „werden will“. Vielleicht ist ja der Kindheits-Berufswunsch auch jetzt wieder aktuell.
  • Was motiviert mich?
    Ist es Lob, die Aussicht auf mehr Geld – oder vielleicht eher der Spruch „Das schaffst du doch niemals”?
  • Welche Bedürfnisse habe ich? 
    Was brauche ich, damit ich zufrieden bin? Das können etwa Individualität, Harmonie, Sicherheit oder Abwechslung sein.
  • Welche Interessen habe ich?
    Was mache ich gerne in meiner Freizeit? Und was würde ich gerne einmal ausprobieren, habe aber nie die Zeit dafür gefunden – etwa Programmieren? Auch wenn so etwas zunächst irrelevant für die Karriereplanung erscheint: Um ein umfassendes Bild der eigenen Persönlichkeit zu bekommen, lohnt es sich, es aufzuschreiben, sagt Coach Struss. 
  • Welche Gewohnheiten habe ich?
    Wichtig ist auch, sich selbst mit seinen gewohnten Verhaltensweisen zu konfrontieren. „Dein Leben ist die Summe deiner Entscheidungen“, sagt Struss. Heißt: Alles, was ein Mensch machst, trägt dazu bei, an welchem Punkt im Leben er gerade steht. Ein unpassender Job ist nicht von selbst ins Leben getreten – man hat ihn sich ausgesucht.
  • Was sind meine Fähigkeiten und Kompetenzen?
    Hierzu zählen die Ausbildung und das Feedback von Arbeitgebern und Kollegen.
  • Fremdbild: Was sagen eigentlich die anderen über mich?
    Für diesen Schritt sollte man sich genügend Zeit nehmen, rät Struss. Sie empfiehlt, einen Fragebogen über sich selbst zu entwerfen, den die eigenen Freunde und Familienmitglieder ausfüllen sollen. Darin werden sie gebeten, aufzuschreiben, was die Person ihrer Meinung nach besonders gut kann.

2. Freie Assoziation

Der zweite Schritt des Karriereplanungs-Prozesses: Alles, was man im ersten Schritt notiert hat, noch einmal durchlesen und spontane Assoziationen gleich notieren. Eventuell merkt man schon jetzt, warum einen der aktuelle Job nicht glücklich macht – etwa, weil man ein Teamplayer ist, der gerne Events im Freundeskreis plant, aber beruflich in der Buchhaltung eines Konzerns sitzt. Die Erkenntnis mag simpel erscheinen, Struss zufolge kommt sie oftmals aber tatsächlich erst, wenn man sich intensiv mit seiner eigenen Persönlichkeit befasst hat. 

3. Übertragung auf die Berufswelt

„Wenn du dir die Persönlichkeitsanalyse durchliest, als handele es sich um eine fremde Person und nicht dich selbst, was würdest du dieser Person raten?“, fasst Struss den dritten Schritt zusammen. Welche Anforderungen müsste ein Job für diese Person erfüllen? Welche Arbeitszeiten, Tätigkeiten, Unternehmensformen und Kollegen würden ihr wohl gefallen? 

4. Übertragung auf den eigenen Job

Im vierten Schritt sollen Karriereplanende die Ergebnisse aus dem vorherigen Schritt verwenden, um ihren persönlichen Traumjob zu konfigurieren. Dabei gilt: groß denken! Wer herausgefunden hat, dass er im Privaten ein hervorragender Leader ist, sollte etwa auch beruflich eine Führungsposition anstreben. Für Personen, die gerne unternehmerisch denken und denen es besonders wichtig ist, eigene Ideen umzusetzen, ist vielleicht die Gründung eines Startups der richtige nächste Schritt. 

5. Maßnahmen

Was ist notwendig, um den Berufswunsch zu erreichen? Muss ich eine Schulung besuchen, meinen Alltag umstrukturieren – oder einfach nur meine Einstellung ändern?

6. Netzwerk nutzen

„Nutze gezielt die Schwarmintelligenz”, rät Struss. Im persönlichen Umfeld könnte es Personen geben, die beim Erreichen des Karriereziels helfen können – und das sogar gerne. Viele seien gehemmt, Freunde um Hilfe zu bitten, sagt Struss. „Sie glauben, sie würden ausgelacht werden, wenn sie ihre Karriereziele offenbaren.“ Dabei passiere das so gut wie nie. Also: Mut zum eigenen Berufswunsch!

7. Bewerbungen verschicken

Für eine erfolgreiche Bewerbung braucht es in den meisten Fällen einen Lebenslauf und ein Anschreiben. Überzeugend aufzuschreiben, warum man die beste Wahl für die freie Stelle ist, falle einem viel leichter, wenn man vorher seine Persönlichkeit analysiert habe, versichert Struss. Und empfiehlt: Wer im Schriftlichen wenig versiert ist, sollte sich nicht scheuen, für die Bewerbung professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen – oder wieder das eigene Netzwerk um Rat zu bitten.

Wichtig ist: Nicht jedes Ziel ist schnell erreichbar. Die Planung der eigenen Karriere erfordert ein realistisches Erwartungsmanagement, betont Struss. Senior-Beraterin oder Chefredakteur wird man nicht von heute auf morgen, sondern vielleicht erst in mehreren Jahren und nach mehreren Zwischenstufen auf der Karriereleiter. Gleich morgen den ersten Schritt in die richtige Richtung zu gehen, das wiederum ist möglich. 

Bild: Getty Images / Lilly Roadstones