„Deutschland liegt zehn Jahre hinter dem Silicon Valley“: Gäbe es mehr Chefinnen, wäre das Klima in der deutschen Wirtschaft anders, glaubt Mali Baum (nicht im Bild).

Mali Baum lebt seit sechs Jahren in der deutschen Hauptstadt. Eigentlich kommt die 43-jährige aus Tel Aviv, hat dort vier Unternehmen gegründet und kennt sich bestens aus in der israelischen Tech-Szene. In Israel und auch in New York hat sie erlebt, wie sich Frauen gegenseitig unterstützen. Baum hat Aufgaben als Mentorin angenommen und saß im Vorstand von Frauenorganisationen. Weil ihre Großeltern aus Berlin stammen, ist sie 2013 in die Heimat ihrer Familie gezogen. Und war geschockt von der deutschen Startup-Welt, wie sie im Gespräch mit Gründerszene erzählt: „Es existierten keinerlei Netzwerke, die professionelle Geschäftsfrauen miteinander verbinden.“ So sei ihr die Idee für Wlounge gekommen.

Mali Baum

Wlounge will Frauen in der Unternehmenswelt sichtbarer machen. Mit Netzwerk-Events für ausgesuchte Gäste – mal sind es nur 20, mal bis zu 500 Personen. Außerdem gibt es Mentorenprogramme und Workshops für Firmen. Baum versteht Wlounge aber nicht als Eventagentur, sondern als Plattform zum Netzwerken. „Wlounge fokussiert sich zwar auf Frauen, soll Männer aber nicht ausschließen“, erklärt die Israelin. „Wir nutzen unseren Fokus, um Männern beizubringen, dass sie in ihren höheren Positionen viel mehr Chefinnen einstellen müssen.

„Männer verstehen, dass der Vorstand nicht nur aus weißen Typen bestehen kann“

Zu den Veranstaltungen sind auch Vertreter von Konzernen und Mittelständlern sowie Wagniskapitalgeber geladen. Diese zahlen Geld für das Event, wünschen sich von Wlounge aber auch Teilnehmer aus einem bestimmten Geschäftsbereich oder in bestimmten Jobpositionen. Ziel sei es, neue Investments zu finden, Partnerschaften oder einfach Mitarbeiter. Vor allem wollten die Firmen mehr Frauen in Führungspositionen einstellen, wüssten aber nicht, wen, sagt Baum. „Die Männer verstehen schon von selbst, dass der Vorstand nicht nur aus weißen Typen bestehen kann.“

Die Israelin hat mit ihrem Unternehmen Beezeebee, einem Spielzeughersteller, viermal Geld eingesammelt. Das Kapital sei immer von Fonds gekommen, die männlich besetzt waren. Als Baum Beezeebee gründete, war sie Anfang 30. Wäre sie zehn Jahr jünger gewesen und hätte nur vor Männern gepitcht, wäre sie eingeschüchtert gewesen, glaubt sie heute. Ihre These ist, dass sich Unternehmerinnen wohler fühlen, wenn sie ihr Startup vor Teams vorstellen, in denen auch Frauen sitzen. Vor allem, wenn es um Produkte geht, deren Zielgruppe weiblich ist. Deswegen hat sie in diesem Jahr den Fonds Magda aufgesetzt.

Magda sammelt Kapital von Konzernen und Mittelständlern aus Deutschland, Tel Aviv und China ein und gibt dieses Geld an VCs weiter. Der erste Fonds soll 60 Millionen Euro wert sein. Rund ein fünftel der Summe soll an Risikokapitalgeber aus Deutschland gehen, der Rest werde an europäische VCs verteilt, erklärt die 43-Jährige. Magda stellt dabei eine Art Zwischenglied dar. Die einzige Voraussetzung ist, dass die Wagniskapitalgeber ein diverses Team und Portfolio haben müssen. Damit meint Baum vordergründig Mitarbeiterinnen und Gründerinnen, aber auch Startups mit kulturell gemischten Chefetagen. „Man kann nicht nur in Männer investieren, die wie man selbst aussieht und zur selben Universität gegangen sind. Das ist eine Blase“, erklärt sie den Hintergrund für den Magda-Fonds.

Frauen werden nicht ermutigt zu gründen

Laut aktuellem Deutschen Startup Monitor beträgt die Gründerinnenquote in Deutschland etwa 16 Prozent. Baum glaubt, dass sie höher sein könnte. „Es gibt viele Frauen, die ein Unternehmen gründen oder eine Führungsrolle haben wollen, aber Deutschland liegt mindestens zehn Jahre hinter dem Silicon Valley und Tel Aviv. Die Infrastruktur ist nicht ermutigend genug. Die Kultur ist leider nicht da“, so die 43-Jährige. Die Bundesrepublik sei ein Industrieland, es sei Kapital vorhanden, aber Konzerne und auch Universitäten würden Frauen nicht ausreichend ermuntern, den Schritt in die gehobene Position zu gehen, sagt sie weiter.

Am Ende des Gesprächs stellt Baum klar: Sie wolle nicht Frauen helfen, in ihrer Karriere aufzusteigen. Sondern sie bringe der männlich dominierten Wirtschaft bei, dass sie mehr Frauen einstellen muss.

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Bilder: Luis Alvarez / Getty Images, Mali Baum