Startups, die von Managerinnen oder Managern geleitet werden, sind laut einer Studie erfolgreicher als die von Fachexperten.

Ein Gastbeitrag von Lucas Fichter und Charlotte von Bernstorff. Fichter ist Wirtschaftspsychologe und Doktorand im Fachbereich psychologische Diagnostik an der Goethe-Universität Frankfurt. Von Bernstorff ist Professorin für Personalpsychologie an der BSP Business School Berlin.

Gründer müssen vielfältige Rollen bewältigen: Sie werden vom Tüftler zum Verkäufer, vom Produktdesigner zum Strategen, vom Ideenfinder zum Controller. Der typischste Rollenwechsel liegt sicher in der zumeist katapultartigen Beförderung zur Führungskraft. Ob VC-Case oder nachhaltiges Wachstumsmodell – in den meisten Fällen müssen Startup-Gründer schon von Tag eins an ein Team leiten und Management-Entscheidungen treffen. All das häufig bereits in sehr jungem Alter (45 Prozent der Gründer und Gründerinnen sind zwischen 18 und 34 Jahren alt).

Wie gut sich ein Gründer oder eine Gründerin in dieser Rolle zurechtfindet, dürfte von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des Startups sein. Ob sie sich wiederum tatsächlich auch als Manager verstehen, ist aufgrund des beschriebenen Turboaufstiegs fraglich bis unwahrscheinlich.

Mehr Gründer sehen sich als Manager

Zu mehr Erkenntnissen kamen wir mit einer aktuellen Online-Befragung des APPLIED-Projekts an der BSP Business School Berlin in Kooperation mit der Goethe-Universität Frankfurt: Zunächst wurden die teilnehmenden knapp 600 Gründer und Gründerinnen um die Einschätzung gebeten, ob sie sich persönlich eher als „Manager“ oder als „Fachexperte“ charakterisieren würden.

Ergebnis: Von allen Befragten bezeichnen sich 60,7 Prozent (355) eher als „Manager“, dagegen 39,3 Prozent (230) eher als „Fachexperte“.

Dabei spiegelt sich das unterschiedliche Selbstverständnis unmittelbar in der Kompetenz- und Aufgabenverteilung der Gründer wider: Von den selbst eingeschätzten „Managern“ übernehmen fast alle (95 Prozent) auch die Geschäftsführung – wie es von Gründern typischerweise erwartet wird. Bei den selbstbezeichneten „Fachexperten“ übernehmen dagegen 86 Prozent die Geschäftsführung, immerhin 14 Prozent geben diese Aufgabe und damit die Lenkung ihres Unternehmens ab.

Wie die Abbildung zeigt, verantworten „Manager“ und „Fachexperten“ zwar gleich häufig die Bereiche Strategie, Vertrieb und Personal. „Fachexperten“ übernehmen jedoch zusätzlich sehr viel häufiger auch noch Aufgaben in Marketing, IT, Einkauf und in der Produktion, während „Manager“ diese Themenfelder häufiger oder zügiger zu delegieren scheinen (siehe Abbildung).

Antworten der 585 befragten Gründer und Gründerinnen auf die Frage: „Für welche/n Fachbereich/e sind Sie als Gründer/in verantwortlich?“, aufgeteilt nach dem Selbstverständnis als Manager (60,7 Prozent) und Fachexperte (39,3 Prozent). Mehrfachauswahl war möglich.

„Manager“ insgesamt erfolgreicher als „Fachexperten“

Das Selbstverständnis eines Gründers oder einer Gründerin geht also zunächst einmal mit einer spezifischen Aufgabenverteilung und damit auch unterschiedlichen Strukturen im Unternehmen einher. Doch wie sieht es mit dem Erfolg dieser Unternehmen aus?

In einem zweiten Schritt wurde geprüft, ob „Manager“ und „Fachexperten“ womöglich unterschiedlich erfolgreich sind. Dazu gaben die Gründer das jährliche Umsatzwachstum ihres Unternehmens in den vergangenen fünf Jahren oder seit der Gründung an, das im Mittel bei 77,3 Prozent lag.

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Das Ergebnis ist beachtlich: Die Analyse zeigt, dass Startups von „Managern“ mit 88,1 Prozent ein um 24,5 Prozent höheres durchschnittliches Umsatzwachstum aufweisen, als Startups von „Fachexperten“ (durchschnittliches Umsatzwachstum 63,6 Prozent).

Dieser Unterschied würde sich bei einem beispielhaften Jahresumsatz von zwei Millionen Euro als eine Wachstumsdifferenz von 490.000 Euro im Folgejahr niederschlagen (und sich über die Jahre weiter erhöhen).

Der Unterschied im Umsatzwachstum dürfte damit zu erklären sein, dass sich „Fachexperten“ – gemäß ihres Selbstverständnisses und der oben genannten Aufgabenverteilung – zu sehr auf die Perfektionierung aller Bereiche ihres Unternehmens konzentrieren, keine (oder weniger) Verantwortlichkeiten abgeben und dadurch weniger Ressourcen in die Steuerung und das Wachstum des Unternehmens investieren können oder wollen.

Selbstverständnis ist auch eine Typfrage

Es liegt nahe, dass das unterschiedliche Selbstverständnis von Gründerinnen und Gründern auch mit einer entsprechenden Persönlichkeitsstruktur in Verbindung steht. Durch den zusätzlichen Einsatz einer etablierten Persönlichkeitsskala (BFI-K nach Rammstedt & John, 2005) zeigt sich, dass Gründer und Gründerinnen, die sich als „Manager“ sehen, insgesamt extrovertierter sind, also tendenziell geselliger, kontakt- oder auch durchsetzungsfreudiger als „Fachexperten“.

Dass „Manager“ insgesamt erfolgreicher sind als „Fachexperten“ lässt sich also auch (aber nicht allein) durch Persönlichkeitsunterschiede erklären, denn bestehende Studien zeigen bereits, dass extrovertierte Gründer im Allgemeinen erfolgreicher sind als introvertierte. Etwa weil ihnen das Netzwerken und Durchsetzen bei Kunden, Investoren und Mitarbeitenden einfacher gelingt. Insofern kann das Selbstverständnis als „Manager“ sowohl ein guter Erfolgsindikator sein, als auch auf einen bestimmten Typ Gründer – nämlich mit höher Durchsetzungskraft, Bühnenfreude und Aufgeschlossenheit – hinweisen.

Gründer und VCs sollten entsprechend handeln

Das Selbstverständnis eines Gründers oder einer Gründerin lässt Schlüsse über die Verantwortlichkeiten und den Erfolg des Unternehmens zu und sollte von ihnen selbst, aber auch von Investorinnen und Investoren berücksichtigt werden. Gründer können sich ihre eigene Haltung und ihre Rolle bewusst vor Augen führen und sich entsprechend ihrer persönlichen Neigungen und Bedürfnisse ergänzende oder kompensierende Mitarbeiter und Partner ins Team holen.

Für Investoren bietet die Abfrage des Selbstverständnisses dagegen einen zusätzlichen – datengestützten und nicht bloß gefühlten – Anhaltspunkt, um das Selbstbild und das unter anderem daraus resultierende spätere Verhalten von Gründerinnen und Gründern schon frühzeitig im persönlichen Gespräch oder im Pitch treffsicherer einzuschätzen.

Geldgeber können das Selbstverständnis demnach mithilfe einfacher Fragen erfassen. Damit erhalten Sie im Rahmen der Due Diligence eine weitere relevante Information. Nicht nur für die eigentliche Investitionsentscheidung, sondern auch für die Identifikation passgenauer Maßnahmen, wie Mentoring oder Coaching, um gerade „Fachexperten“ dabei zu unterstützen, sich systematischer zu strukturieren, nach und nach Verantwortlichkeiten abzugeben und in die Management-Rolle hineinzuwachsen.

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Bild: Getty Images / Tom Werner