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Freunde von „New Work“ vertauschen die Kausalität der Arbeit.

„Gegen eine Dummheit, die gerade in Mode ist, kommt keine Klugheit auf.“ Theodor Fontane, von dem das Zitat stammt, muss es schon gewusst haben. Jede neue Idee ereilt das gleiche Schicksal. Wenn der Abgesang der First Mover am lautesten tönt, wenn sie den Verrat an der Kernidee anklagen, dann kann man sich sicher sein: Sie ist im Mainstream angekommen.

Das war bei den Rolling Stones so („Das ist ja nur noch Kommerz-Musik“), das war bei Facebook so („Früher war das noch cool, jetzt kommen auch die ganzen Langweiler dazu“), und das ist auch bei einem der größten Modebegriffe in der Arbeitswelt so: New Work. Auch New Work ist inzwischen zum Mainstream geworden. In etwa so, wie Schlagermusik zum Mainstream gehört. Nicht jeder hört gern Schlager, aber jeder kennt ihn. Und was alles dazugehört, ist keinesfalls klar entschieden – bei Helene Fischer und Roland Kaiser ist die Sache klar, aber kann man sich bei den Toten Hosen sicher sein?

„New Work“ ist ein Klammerbegriff, der seine scharfe Grenze in der öffentlichen Kommunikation verloren hat. Es gibt zwar einen begrifflichen Ursprung, der vom austro-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann stammt, aber ungeachtet dessen verbirgt sich hinter New Work inzwischen alles, was irgendwie modern klingen soll. New Work ist als Abgrenzung zur „alten“ Arbeitswelt gemeint, die sehr stark durch tayloristische Prinzipien aus dem Industriezeitalter, also durch Anweisung und Steuerung, Kontrolle und Planung geprägt ist. Und dazu – das ist wohl der kleinste gemeinsame Nenner – soll New Work einen Gegensatz bilden. 

Den Anhängern der New-Work-Bewegung geht es um mehr Sinn und Freude bei der Arbeit, um mehr Fairness in der Wirtschaft, um menschliche, artgerechte, erfüllende Arbeitsplätze.

Inzwischen hat sich eine wahrlich enthusiastische Bewegung um den Begriff formiert: Unter der Flagge New Work segelt eine immer ansehnlichere Flotte von Trainern, Coaches, Beratern und auch Unternehmen. Sie alle treffen sich auf interaktiven Großgruppenveranstaltungen, auf Open Spaces und Barcamps, und sie diskutieren und publizieren hochemotional in Blogs und auf Plattformen im Internet. Ihnen geht es um mehr Sinn und Freude bei der Arbeit, um mehr Fairness in der Wirtschaft, um menschliche, artgerechte, erfüllende Arbeitsplätze.

Ich selbst habe da auch kräftig mitgemischt – gemeinsam mit Mark Poppenborg als Gründer des Thinktanks und Netzwerks Intrinsify. Ich habe auch in meinem Blog New-Work-Unternehmen vorgestellt, als leuchtende Beispiele und Anregung, um die Arbeit im eigenen Unternehmen anders zu gestalten – bis ich meinen Denkfehler bemerkt habe. Denn mit dieser New-Work-Bewegung stimmt etwas nicht.

Der Denkfehler hinter New Work

Die New Worker regen sich gern darüber auf, dass sich so wenige Topmanager mit der besseren Gestaltung von Arbeit beschäftigen. Sie wünschen sich mehr Widerhall in den Unternehmen, die sie gern leicht herablassend als „Old Economy“ bezeichnen. Auch ich habe mich eine Zeit lang gefragt: Warum nur sind so wenige Führungskräfte an New Work interessiert?

Ja, warum sind diese blasierten Manager so ignorant? Warum verhöhnen sie die New Worker als Theoretiker oder gar Romantiker? Warum glauben sie einfach nicht an intrinsische Motivation, an Tischkicker, „Bring your own device“, Mitbestimmung, Flexibilität, Glück und Freiheit und behaupten, die schnöde Realität sei eben nun mal eine ganz andere?

Ich fand das naiv und gefährlich. Warum sind die so spießig und stur? Die werden schon sehen! Denn ich war fest davon überzeugt, dass attraktiver gestaltete und zu mehr Komplexität und Dynamik fähige „modernere“ Arbeit automatisch zu erfolgreicheren Unternehmen führen würde, die den Platzhirschen im Wettbewerb Feuer unterm Hintern machen.

Mittlerweile habe ich verstanden, dass die Manager vielleicht sogar ziemlich klug sind, wenn sie sich nicht mit New Work und ihren Leuchtturm-Beispielen beschäftigen. Warum? Weil New Work die Kausalität der Arbeit vertauscht.

Was folgt hier woraus?

Schauen wir ganz nüchtern darauf: Die Hauptaufgabe von Unternehmen ist es nicht, Arbeit zu schaffen, Arbeit zu gestalten, Arbeit menschenwürdig zu machen. Auch wenn das manche nicht gern hören. In der Wirtschaft geht’s nicht primär um Arbeit.

Nein, in der Wirtschaft dreht sich zunächst einmal alles um Wertschöpfung! Ein Unternehmen existiert allein dadurch, dass es sich zur Aufgabe gemacht hat, Ansprüche, Bedürfnisse oder Wünsche von Kunden zu befriedigen. Der Grund, warum ein Unternehmen einst gegründet wurde, ist: Einige Menschen haben sich zusammengetan, um gemeinsam etwas zu schaffen, was eine ausreichende Anzahl Kunden gern haben möchte. Die Arbeit entstand dadurch sekundär! Sie war plötzlich da und musste erledigt werden.

Hier könnt ihr einen Blick in den Gründerszene New Work Report werfen:

Arbeit folgt nicht den Wünschen von Chefs und Mitarbeitern, sie ist nicht ihr Verdienst. Arbeit folgt dem Markt, den Erfordernissen des Wettbewerbs. Sie folgt immer nur der Lösung eines dezidierten Problems und diese Lösung ist die einzige Existenzberechtigung der Arbeit. Sie dient dem Überleben des Unternehmens, denn das wird nur weiter existieren, wenn die Arbeit erledigt wird. Die Arbeit selbst ist nicht die Lösung.

Sie irgendwie zu gestalten erhöht also nicht notwendigerweise die Überlebensfähigkeit des Unternehmens. Wer das versucht, vertauscht doch glatt die Wirkungsrichtung!

Ein Beispiel: Alle reden von Agilität und agilen Teams. Das Konzept verspricht wahren Teamgeist, jeder wird wertgeschätzt, alle sind wichtig, jede Stimme zählt – echte Partizipation. Es ist der Weg, der so viel Gutes und Neues in der Firma verspricht, heißt es. Google macht es schließlich auch. Und es kommt vornehmlich auf die Haltung an, nicht auf die Methodik, da sind sich alle einig.

Und so machen sich viele mit großem Eifer daran, ihre „agile Haltung“ zu trainieren, die agilen Prozedere auf und agile Moderatoren (Scrum-Master) einzusetzen. Sie führen Retrospektiven durch, um von- und miteinander zu lernen, wie die agilen Techniken (Sprints, Standups) noch besser an das Team angepasst werden können. Es sollen schließlich alle zufrieden sein, die Fluktuation niedrig und die Kunuunu-Bewertung hoch gehalten werden.

Wenn aber die Blicke der Organisation nach innen statt nach außen gehen, wenn sich die Arbeit an den Wünschen von Managern oder „Evangelisten“ ausrichtet statt an den Bedürfnissen der Kunden, wer also Arbeit ohne Marktdruck umgestaltet, weil er sie, irgendwelchen Trends folgend, „moderner“ oder seinen eigenen Moralvorstellungen folgend „menschlicher“ machen will, kann damit krachend vor die Wand fahren. Das heißt sogar: In manchen Branchen dürfen Sie gerade nicht im New-Work-Style arbeiten, wenn Sie überleben wollen.

Lasst den Kunden nicht im Regen stehen!

Wenn Sie es genau nehmen, will ein Teil der New-Work-Bewegung genau das: die Wirtschaft ihren Moralvorstellungen anpassen. Zwar regen sich diese New Worker sehr über die alten, tayloristischen Managementmethoden des 20. Jahrhunderts auf, bei denen die Arbeit den bürokratischen internen Referenzen von Anweisungen, Vorgaben, Zielen, Budgets, Mitarbeitergesprächen, Boni und diesem ganzen damit einhergehenden Theater folgt – während der arme Kunde da draußen im Regen stehen gelassen wird. Und sie regen sich zu Recht darüber auf!

Doch dann tappen sie in die gleiche Falle wie der Taylorismus, sie ersetzen einfach eine interne Referenz durch eine andere, nämlich durch ihre persönlichen Vorstellungen von artgerechter, menschlicher Arbeit. Der Kunde steht derweil weiter im Regen. Dabei ist die externe Referenz, der Markt, der Wettbewerb, der Kunde, der bestimmende Faktor im ganzen Spiel!

Wenn die Arbeit auch noch so schön und menschlich gemacht wird, der Wettbewerber aber mit seinen weniger menschlichen Standards schon längst vorbei und auf und davon gezogen ist und den Kundenbedarf glatt abgefrühstückt hat, dann tritt der GAU ein, der größte anzunehmende Unmenschlichkeitsfall: Die Arbeitsplätze sind nicht mehr rentabel und fallen weg. Großartig! Sehr menschlich! Und die moralische Entrüstung bringt die Jobs dann auch nicht wieder zurück.

Eine Differenzierung, die es in sich hat

Gut. Aber wie kommen wir aus diesem Dilemma nun heraus? Wir wollen ja eigentlich sowohl sinnstiftende, erfüllende Arbeit als auch Erfolg am Markt. Wie geht das? Ich mache Ihnen da mal ein Angebot. Eine Differenzierung: Trennen Sie doch bitte mal in Gedanken Arbeit und Zusammenarbeit.

Arbeit ist das, was für den Kunden getan werden muss. Die Wertschöpfung. Die wirtschaftliche Realität. Das Einzige, was am Ende in harter Währung zählt. Diese Arbeit folgt allein (!) der externen Referenz, dem Kunden.

Und Zusammenarbeit? Das ist die unternehmensinterne Perspektive. Die Art und Weise, wie die Arbeit organisiert wird. Die Methodik, die Verfahren. Der Clou, der Kniff, der von den Mitarbeitern gefunden wurde, um in der ganz spezifischen Marktsituation die Arbeit auf eine ganz bestimmte, besondere Weise gemeinsam zu erledigen. Die Arbeit ist das Was, die Zusammenarbeit ist das Wie. Die Arbeit ist das Handwerk, die Zusammenarbeit ist die Kunst.

Info Die neue Arbeit ist am Ende vor allem eines: ein Fortschritt

Die Zusammenarbeit muss die Arbeit organisieren. Und die besten, die modernsten, die fittesten Unternehmen erkennen Sie daran, dass sie die Zusammenarbeit auf ihre ureigene Weise besser hinbekommen als die Wettbewerber. Sie bringen das Was und das Wie besser in Einklang als die anderen. Und machen genau deshalb den Könnern und Talenten in ihren Reihen Freude. Sie bieten ihnen einen Sinn an und stehen ihnen weder mit überflüssigen Management-Theater noch mit ihren Moralvorstellungen im Weg. Sie sind nicht nur Handwerker, sondern sie sind Künstler, die ihr Handwerk beherrschen.

Und dafür feiere ich sie! Sie machen irgendwie auch New Work, ja, das stimmt. Aber diese „neue Arbeit“ ist, vom Ende her betrachtet, nichts wirklich Neues. Nennen wir es einfach: Fortschritt.

Bild: Getty Images / EschCollection
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