Juliana Danner arbeitete vor der Gründung von On and Offer selbst mehrere Jahre bei Agenturen.

Personaler in Unternehmen wählen Bewerber nach Fähigkeiten und Qualifikationen aus, nicht nach Alter, Aussehen und Geschlecht – oder? Die Realität sieht anders aus: Für Entscheider in HR-Abteilungen macht es eben doch einen Unterschied, ob es sich um eine 28-jährige gebürtige Türkin mit Kopftuch oder eine 28-jährige Deutsche handelt, die kein Kopftuch trägt. Letztere wird bevorzugt ausgewählt, auch wenn der Lebenslauf derselbe ist. Das belegen Studien (zum Beispiel diese und diese).

In den USA verzichten viele Firmen längst auf Altersangaben und Fotos in Bewerbungen. Die deutsche Wirtschaft hingegen konnte sich, von einigen Pilotprojekten einmal abgesehen, bislang kaum für das anonyme Recruiting erwärmen. Juliana Danner glaubt trotzdem daran: Sie hat eine Plattform gestartet, die freie Jobs im Grafikdesign oder der Frontend-Entwicklung besetzen soll. Dazu stellen Jobsuchende auf On and Offer eine Anzeige von sich online, geben ihre Kenntnisse und Vorstellungen an, beispielsweise zur Arbeitszeit, aber kein Foto, Geschlecht oder Geburtsdatum – und lassen sich anschließend von Arbeitgebern wie Agenturen finden.

Unternehmen, die Bewerber scouten, nicht umgekehrt: Für Tech- und IT-Jobs funktionieren auch die Plattformen Honeypot und 4Scotty nach diesem Prinzip. On and Offer, seit Juli 2018 online, ist Teil einer Bewegung von jungen Firmen, die anonyme Bewerbungen salonfähig machen und sich gegen Diskriminierung einsetzen wollen. Auch bei der Job-App Truffls sehen Unternehmen die Profile interessierter Nutzer zunächst ohne Foto. Ähnlich verfährt die estnische App Meetfrank.

Filtern per Hand statt Machine Learning

Noch hat Danner mit ihrem Jobportal aber kein Geld verdient. Erst wenn die Betaphase abgeschlossen ist, sollen Unternehmen pro vermitteltem Kontakt pauschal zehn Euro zahlen. Danner arbeitete zuvor als Art-Direktorin in Agenturen und Personalberaterin für Kreativberufe, sie steckte ihr Erspartes in die Gründung.

Technologisch ist On and Offer einfach gestrickt: Arbeitgeber müssen manuell nach Anwärtern mit passender Berufserfahrung suchen. Ziel sei es aber, in Zukunft automatisiertes Matching anzubieten, sagt Danner. Sie gründete die Plattform zusammen mit ihrem Bruder Roland von Kiedrowski, der vorher in der Personalabteilung bei Immobilienscout24 arbeitete. Dritter Mitgründer ist CTO Clemens Grunewald.

Derzeit sind etwas mehr als 200 Anzeigen bei On and Offer online. Ungefähr doppelt so viele befänden sich im Offline-Modus, erklärt Danner. Nutzer können sie auf unsichtbar setzen, wenn sie gerade keinen Job suchen. 30 Unternehmen seien bislang dabei. Wie viele Jobs die Gründerin mit ihrem Nischendienst bis heute besetzen konnte? „Das tracken wir noch nicht“, sagt sie. Es seien aber „schon einige Kontakte“ zustande gekommen.

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Bild: Saskia Uppenkamp