„Umwege erhöhen die Ortskenntnis.“

Ein Beitrag von Ursula Jocham, Human Change Management. Als Expertin für Veränderungen unterstützt sie Menschen und Unternehmen, die sich verändern wollen oder müssen.

Die Studienzeit wird im Rückblick oft als die schönste Zeit bezeichnet. Wichtig ist sie allemal, denn hier werden die Weichen für die berufliche Zukunft gestellt. Doch nicht immer ist das Studium schön. Zweifel können sich einschleichen. Entscheidend ist der Umgang mit auftretenden Unsicherheiten und dessen Folgen.

„Wie soll das nur weitergehen?“

Der junge Student Paul hat sich diese Frage schon häufiger gestellt. Mit dem Start des Studiums wurde ein Neuabschnitt im Leben eingeleitet. Endlich war mit dem Start des Studiums der Grundstein für die berufliche Entwicklung gelegt. Die Devise: Erfolgreich werden – ja, aber sicher! Auf dem Campus lernte Paul eine ganz andere Welt kennen und viele neue spannende Themen und Menschen.

Doch bei gut einem Drittel der Studierenden legt sich die anfängliche Euphorie relativ rasch und macht einer großen Ernüchterung Platz. Alle anderen scheinen es mehr oder minder mühelos zu packen… Ist man zu dumm?

Bei Paul stellte sich während eines intensiven Praktikums die Frage, ob er richtig gewählt hatte. Gerade im Startup Bereich gibt es eine Flut von vielfältigen und interessanten Praktikumsstellen. In noch relativ kleinen Firmen ist der Student hautnah am Geschehen und ganz nah an Gründern und Geschäftsführern dran. Ungefiltert und mittendrin. Das bedeutet keine Schonung, vielmehr Loslegen und Verantwortung übernehmen. Aber war das dann wirklich der Bereich, in dem er seine berufliche Zukunft sah? Die Realität entpuppte sich ganz anders als Paul sich das vorgestellt hatte. Theorie und Praxis waren zwei Welten.

Solche Szenarien sind im Studentenleben wohlbekannt und nicht untypisch. Was sollte man also tun um den zunehmenden Zweifeln Herr zu werden? Alles halb so schlimm – redete Paul sich ein. Er versuchte die störenden Gedanken zu ignorieren und machte sich selbst Mut. Das gibt sich schon wieder. Augen zu und durch.. Wird schon wieder werden!

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Häufig jedoch kommen die Zweifel mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder und nagen am Studenten. Die Unlust macht sich immer stärker bemerkbar, wird fast schon chronisch und es kann sogar eine gewisse Lähmung eintreten. Spätestens dann wird es Zeit, sich mit der Situation auseinander zu setzen und die eigenen Ziele und Wünsche zu reflektieren.

Zweifel gehören zum Leben. Der positive Effekt von ihnen ist, dass Situationen und Erlebnisse reflektiert werden können. Das ist jedoch mühsam und erfordert eine gewisse Konsequenz.

Paul wägte also die Vorteile und die Nachteile des Studiums ab. Der Kopf als Heimat des Verstandes meldete allerdings andere Tendenzen als sein Bauchgefühl. Eine große Irritation kann so entstehen und innerliches Chaos ist nicht selten. Aber eine Entscheidung musste getroffen werden. So konnte es nicht weitergehen! Als Betroffener ist diese Situation nicht leicht zu bewältigen, denn die zu treffende Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf das künftige Leben. Sie ist grundlegend und schafft Fakten, die zu Veränderungen führen.

Studienabruch – keine leichte Entscheidung

Wie war Paul in diese Situation gekommen? Hatte er mit der Studienwahl die falsche Entscheidung getroffen? Zurück in die Vergangenheit – die Studienwahl. Eine der ersten wichtigen Entscheidungen wurde getroffen und das Ziel „Berufsausbildung“ anvisiert.

Studienanfänger werden immer jünger. Oft müssen heutzutage sogar noch die Eltern mit zur Immatrikulierung, weil der künftige Student noch nicht volljährig ist. Auch bei Paul waren Mama und Papa bei der Wahl der Hochschule behilflich und standen beim Studienfach mit Rat und Tat zur Seite. Klar, – man hatte sich im Internet über alles informiert, zahlreiche Blogs gelesen und in Foren gechattet. Aber wenn man nicht gerade ein Rebell ist oder schon in der Oberstufe konkrete Vorstellungen über den beruflichen Werdegang hat, dann werden die Empfehlungen und Ratschläge der Eltern nicht auf taube Ohren stoßen. Warum auch? Sie kennen ihr Kind und den Markt doch genau. Sie stehen selbst seit langer Zeit mitten im Berufsleben. Nur zu gerne nahm Paul die Hilfestellung bei der bestehenden Orientierungslosigkeit an und fühlte sich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Fakt ist jedoch, dass Eltern zwar ihren Nachwuchs recht gut kennen, aber wie man sich wirklich fühlt, das weiß nur der betroffene Mensch selbst. Seine Träume und Wünsche kennt man selbst am allerbesten. Was tut man richtig gerne und wofür „brennt“ man? Mit dem besten Freund oder der Freundin werden gemeinsame Visionen während der Schulzeit in epischer Breite und Ausführlichkeit besprochen. Es wird ergiebig online recherchiert und die künftige Position in den schönsten Farben ausgemalt. Bei Paul sagte das Herz „studiere Journalismus“, aber der Kopf rebellierte und auch die Eltern suggerierten dem gerade Volljährigen lieber den sicheren Weg des BWL-Studiums zu wählen, weil dadurch viele Möglichkeiten offen stehen.

Umwege erhöhen die Ortskenntnis

Das Studium stellte sich jedoch ganz anders heraus, als erwartet. Sollte Paul sich nun die nächsten Jahre mit BWL durchquälen oder das Studium abbrechen? Sollte er möglichst schnell reagieren um nicht noch mehr Zeit zu verlieren? War er als Studienabbrecher gescheitert und gebrandmarkt wie ein Versager? Wie sollte es nun mit der Ausbildung weitergehen? Paul war hin- und hergerissen.

Eine wichtige Grundregel für diese Situation ist: Eine falsch getroffene Entscheidung wird nicht richtiger, wenn man daran festhält. Viel Zeit ist schon verloren, aber es wurde etwas daraus gelernt! Sobald man festgestellt hat, dass der Weg in eine Sackgasse führt, gilt es umzukehren – das zeugt von Vernunft! Dann kann man eine neue Richtung einschlagen, auf dem nun als richtig erkannten Weg zum beruflichen Ziel.

Sich selbst eine Fehlentscheidung einzugestehen erfordert zudem reichlich Mut und Kraft. Aber aus Niederlagen lernt man viel, da man das Wissen und die Erfahrungen mitnimmt.

Prominente als Vorbild?

Werkstudenten werden zudem oftmals unmittelbar als feste Vollzeitmitarbeiter von Unternehmen übernommen. Manch einem wird von seinem Arbeitgeber sogar sanft geraten, das Studium doch Studium sein zu lassen… Es lockt das schnelle Geld und ein Abschluss wird als unnötig erachtet. Was zählt, ist praktische Erfahrung! Zugegeben – Bill Gates und Mark Zuckerberg haben überaus erfolgreiche Firmen auch ohne Studienabschluss gegründet. Warum also nicht diese als Vorbild nehmen?

Vielleicht ist das dann aber doch zu kurz gedacht. Denn spätestens bei einem Firmenwechsel macht sich der fehlende Abschluss negativ bemerkbar. Kann ein Studienabbrecher durchhalten oder gibt er bei auftretenden Schwierigkeiten auf? Häufig ist der Berufsabschluss auch die Bemessungsgrundlage für Gehaltseingruppierungen und beeinflusst damit unmittelbar die Vergütung. Erfolgreiche Startups wachsen und der Mitarbeiter soll sich mitentwickeln. Viele Startups legen großen Wert auf die Noten der Bewerber. Klar – die Persönlichkeit ist Trumpf und der Kandidat soll ins Team passen, aber bitte mit einem guten bis sehr guten Notenspiegel.

Worin man wirklich gut ist…

Exzellente Noten hat man aber erfahrungsgemäß eher bei den Themen und in jenen Bereichen, die einem am Herzen liegen. Die man richtig gerne macht, – die mächtig interessieren! Warum also nicht das, was einem wichtig ist in den Fokus der beruflichen Ausrichtung stellen? Aber wie weiß man, was man will? Manchmal findet man das eben nur über einen Umweg heraus. Man muss erst herausfinden was man nicht will, um das zu entdecken was einen herausfordert und befriedigt.

Paul ist nach dem Studienabbruch auf die Journalistenschule gegangen und freut sich nun auf jeden Tag der Ausbildung. Es war ein Prozess, der eine Zeitlang dauerte, aber der Weg ist nun frei für seine Entwicklung zum herausragenden Experten.

 

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