Für manchen Mitarbeiter mag sich das Kollegenfeedback wie eine öffentliche Demütigung anfühlen – vor allem, wenn es nicht anonymsiert ist.
Für manchen Mitarbeiter mag sich das Kollegenfeedback wie eine öffentliche Demütigung anfühlen – vor allem, wenn es nicht anonymisiert ist.

„So überwacht Zalando seine Mitarbeiter“, titelte die Süddeutsche Zeitung (SZ) am Dienstag. Der Hintergrund: Bei dem Online-Modehändler gibt es eine Software namens Zonar, mit der sich Mitarbeiter jederzeit gegenseitig Feedback zu Leistung und Sozialverhalten geben können. Berliner Wissenschaftler, die diese in einer Studie für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung untersucht haben, kommen zu dem Schluss: „Im Kern geht es darum, Beschäftigte permanent zu bewerten, zu kontrollieren und zu sanktionieren.“ So werde ein Klima der Angst erzeugt – und das Gehalt gedrückt. Mitarbeiter, die befragt wurden, sprechen demnach von „360-Grad-Überwachung“, „Stasi-Methoden“ und dem Gefühl, „die ganze Zeit gute Miene zum bösen Spiel machen“ zu müssen, um keine schlechte Bewertung zu bekommen.

Zalando sieht das freilich anders. Zonar sei „kein Instrument der Kontrolle“, sondern ein „wichtiger Bestandteil unseres Talentmanagements“, sagte Personalchefin Astrid Arndt der SZ. Früher hätten allein Vorgesetzte über Gehälter und Beförderungen entschieden, heute fließe eben auch das Feedback der Kolleginnen und Kollegen ein. Der Böckler-Studie spricht das Unternehmen in einem Statement die Aussagekraft ab: Sie beruhe nur auf wenigen Mitarbeiter-Interviews, enthalte faktische Fehler und Zonar komme nur bei 5.000 der 14.000 Beschäftigten zum Einsatz. Zalando habe sich geweigert, an der Untersuchung mitzuwirken, weil schon vor deren Beginn „die Einseitigkeit und mangelnde Neutralität der Studie zu erkennen“ gewesen sei.

Ob nun „Stasi“ oder „Talentmanagement“, fest steht: Zalando ist nicht das einzige Unternehmen, das ein System zur gegenseitigen Mitarbeiterbewertung einsetzt. Einige Beispiele:

1. Amazon

Der E-Commerce-Konzern Amazon nennt sein Mitarbeiter-Bewertungssystem Forte-Prozess. Einmal im Jahr muss sich jeder Angestellte selbst einschätzen, außerdem bekommt er Feedback von Vorgesetzten und Kollegen. Nach Angaben des Unternehmens beantworten diese insbesondere zwei Fragen: „Was sind die Superkräfte dieses Kollegen?“ und „Welche Ideen zur Weiterentwicklung gibt es?“. Diese Art von Feedback sei „unverzichtbar“ für die persönliche Weiterbildung jedes Mitarbeiters. 

Bis vor wenigen Jahren nutzte der US-Konzern noch ein anderes System zur Kollegenbewertung, das Tool Anytime Feedback. Beschäftigte konnten einander darüber anonym loben oder kritisieren. Die Idee dahinter war, dass sich die Mitarbeiter kontinuierlich bewerteten, nicht nur einmal im Jahr. Hielt jemand etwa gerade eine gute Präsentation, konnte die Kollegin das gleich im Feedback-Tool vermerken. Allerdings soll das Tool auch dazu verwendet worden sein, andere zu sabotieren: Teammitglieder hätten sich zusammengetan und unbeliebte Kollegen gesammelt schlecht bewertet, schrieb New York Times 2015. Das Anytime Feedback floss in eine jährliche Gesamtbewertung ein, bei der dann auch die Vorgesetzten mitreden konnten. Wer schlecht abschitt, bekam einen „Performance Improvement Plan“. Darin waren Ziele aufgelistet, die innerhalb von drei Monaten zu erreichen waren. 

2. Google

Google hat einen umfangreichen Feedback-Prozess für seine Mitarbeiter. Neben den üblichen Vorgesetztengesprächen und Checks, ob man seine Ziele einhält, kommen beim Suchmaschinenkonzern zwei Besonderheiten hinzu: ein Self-Assessment, bei dem sich der Mitarbeiter in einem Fragebogen selbst bewertet, und Peer-Reviews. Dabei bewerten sich die Kollegen zunächst selbst und dann gegenseitig nach bestimmten Kriterien. Dazu zählen analytische Kompetenzen, selbständiges Arbeiten, Präsenz bei Meetings und das Leben der Google-internen Werte. Für die Bewerteten ist das Feedback anonym, doch Vorgesetzte sehen, wer wen wie benotet hat. Selbst- und Fremdeinschätzung fließen ins Jahresfeedback ein, das Google-Angestellte im Herbst jedes Jahres erhalten. Darin bekommen sie eine Punktzahl zwischen eins (Mitarbeiter muss sich verbessern) und fünf (Mitarbeiter ist super).

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3. Bridgewater

Als einer der größten Hedgefonds der Welt nutzt Bridgewater eine eigene Feedback-App: Dots ist auf den mobilen Arbeitsgeräten der Mitarbeiter vorinstalliert. Im Tool ist jede Kollegin und jeder Kollege aufgelistet. Mit einem Fingertippen können Beschäftigte die Leistung, Motivation oder auch Sozialkompetenz ihrer Teammitglieder auf einer Skala von eins bis zehn bewerten. Das Ergebnis fließt zusammen mit dem Feedback der Vorgesetzten in eine Gesamtwertung ein. Bei Entscheidungen in Meetings haben die Stimmen von Mitarbeitern mit dem besseren Score mehr Gewicht als die von schlechter Benoteten. Dots ist genau wie das Tool von Amazon jederzeit nutzbar, allerdings ist das Feedback bei Bridgewater nicht anonymisiert.

4. Crytek 

Im Gegensatz zu vielen US-Konzernen, die Informationen zu ihren Mitarbeiter-Scorings nur spärlich herausgeben, geht der Frankfurter Spieleentwickler Crytek offen mit seinem Feedback-System um. Bei dem Unternehmen findet einmal jährlich eine Online-Abstimmung statt, bei der sich die Mitarbeiter gegenseitig mit Sternen bewerten. „So kann niemand mehr sagen, mein Chef sieht nicht, was ich wirklich leiste“, sagte Crytek-Chef Heiko Fischer dem Blog Jobware. Durch die Zahl der Sterne könne er sehen, wie stark ein Mitarbeiter zum Unternehmenserfolg beiträgt. Von der Kollegenbewertung hängt daher auch ab, ob ein Crytek-Mitarbeiter eine Gehaltserhöhung bekommt. Beim Team kommt das nicht nur gut an: Auf Kununu spricht ein Kommentator von einem „Inner Circle“, zu dem man gehören müsse, um gute Bewertungen zu bekommen.

5. Symantec

Über das Feedback-System von Symantec ist nicht viel bekannt. Nur so viel: Auch das US-IT-Unternehmen setzt auf Bewertungen durch Kolleginnen und Kollegen. Wer besonders viel Lob von seinem Team bekommt, soll Gutscheine im Wert von 25 bis 1.000 Dollar erhalten, heißt es in einem Bericht der Welt.

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Hinweis: In der ursprünglichen Version dieses Artikel stand, Amazon setze Anytime Feedback heute noch ein. Das ist nicht korrekt. Wir haben die entsprechende Textstelle berichtigt und bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Bild: Getty Images / Charles Hewitt