Den meisten Menschen in Deutschland fehlt jede Vorstellung davon, welche Bedeutung Algorithmen für ihr Leben haben. Auch wenn die wenigsten eine klare Meinung dazu haben, begegnen sie jedoch Entscheidungen, die von oder mithilfe von Algorithmen getroffen werden, mit großer Ablehnung. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie der Bertelsmann-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach.

Demnach weiß nur jeder zehnte Mensch in Deutschland, was Algorithmen sind, und wie sie funktionieren. Tatsächlich beeinflussen sie bereits einen großen Teil des Lebens. Wer eine Information googelt, auf Facebook unterwegs ist oder Online-Angebote checkt, ist Algorithmen ausgesetzt.

Sie entscheiden, wer auf Datingportalen als passender Partner vorgeschlagen und wer als kreditwürdig eingestuft wird. Sogar die Vorauswahl in einem Bewerbungsprozess auf Grundlage des Lebenslaufes wird oft Algorithmen überlassen.

Hälfte konnte nicht sagen, was ihnen dazu einfällt

„Algorithmen bestimmen zunehmend über unser Leben“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. „In Deutschland fehlt es an grundsätzlichem Wissen über den digitalen Wandel. Wir müssen dringend lernen, die Chancen und Risiken von Algorithmen richtig abzuwägen.“

Zwar hat den Zahlen zufolge schon fast drei Viertel der Befragen schon einmal den Begriff „Algorithmus“ gehört, aber fast die Hälfte konnte nicht sagen, was ihnen dazu einfällt. Immerhin weiß fast jeder Zweite, dass Algorithmen hinter personalisierter Werbung und der Zusammenstellung von Nachrichten auf Portalen stecken.

Geht es um die Haltung zu Algorithmen, so hat fast jeder Zweite dazu keine festgelegte Meinung. Dies erklären die Autoren der Studie so, dass es bislang kaum eine öffentliche Debatte dazu gebe. All jene, die im technischen Fortschritt eher Chancen sehen, haben der Studie zufolge auch eine positive Haltung zu Algorithmen. Das gilt im Schwerpunkt auch für männliche Befragte.

Algorithmen könnten „zu mehr Chancengerechtigkeit führen, allerdings auch zu mehr Diskriminierung. Wir müssen jetzt darüber diskutieren, wie wir Algorithmen in den Dienst der Gesellschaft stellen können“, sagt Dräger.

Komplettes Verbot steht nicht zur Debatte

Doch sobald Maschinen ihre Entscheidungen ohne das Eingreifen von Menschen treffen, steigt die Skepsis. Fast drei Viertel unterstützen der Umfrage zufolge ein Verbot solcher vollautomatisierten Entscheidungen.

Obwohl Menschen häufig weniger objektiv als Maschinen entscheiden, ziehen es die Deutschen offenbar vor, dass die letzte Entscheidung von einer Person getroffen wird. Tatsächlich denken der Studie zufolge nur 13 Prozent der Menschen, dass Algorithmen gerechtere Entscheidungen treffen als Menschen.

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Insgesamt sprechen sich fast zwei Drittel der Befragten in allen Gesellschaftsschichten für stärkere Kontrollen von Algorithmen aus. Ein vollständiges Verbot halten nur zehn Prozent der Menschen für sinnvoll.

Die Bertelsmann-Stiftung fordert eine öffentliche Diskussion zum Thema. „Der Staat sollte sich in den Fahrersitz setzen und Vorbild in der Anwendung und Förderung kluger, teilhabeförderlicher Algorithmen werden“, sagt Dräger.

Es sei auch eine staatliche Aufgabe, zu überprüfen, ob Algorithmen im Sinne der Menschen gestaltet würden, und die Bürger über deren Einsatz zu informieren. Ansonsten sei es langfristig schwierig, das nötige Vertrauen der Menschen in den unaufhaltsamen technologischen Fortschritt aufzubauen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

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