Ich habe es immer gewusst. Zu irgendetwas muss die deutsche Akribie in Sachen Datenschutz doch gut sein. Jetzt wird mir alles klar. Denn seit einer Woche bekomme ich einen Haufen Emails mit ähnlichem Inhalt. Und der lautet ungefähr so:

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Die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) tritt zum 25.05.2018 in Kraft. Wir nehmen den Schutz Ihrer Daten sehr ernst und sichern unsere Adressdatenbank ab.
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So langsam wird deutlich, dass die neue Datenschutzgrundverordnung vor allem ein Wellnessprogramm für meine Email-Inbox werden kann. Denn ich beantworte nicht eine einzige dieser Anfragen. Das müsste im Umkehrschluss heißen, dass sich die Zahl meiner erhaltenen Mails ab dem 25. Mai ungefähr halbiert. Wenn sich alle Newsletter-Anbieter an die neue Verordnung halten würden. Und davon gehe ich einfach mal von aus. 

Für mich bleibt am Ende nur die Frage: Werde ich eine dieser Mails vermissen? Gibt es da irgendetwas, an das ich mich gewöhnt habe? Seit Tagen zermartere ich mein Hirn. Aber es fällt mir nichts ein. Irgendwann hat man auf einen Knopf gedrückt, seit dem kamen diese Mails. Immer mehr. Nie war Zeit, sich darum zu kümmern. Ich habe die volle Mailbox einfach aus Bequemlichkeit hingenommen. Aber in ein paar Tagen erscheint der mächtige Endgegner aller unerwünscht erhaltenen Newsletter auf der Bildfläche: die DSGVO.

Immer erstmal zu Ende lesen

Ein Kollegen wies mich in der Morgenkonferenz allerdings darauf hin, dass einige Firmen einen etwas anderen Weg gehen. Nicht ganz fein, wahrscheinlich nicht ganz legal – aber sie wollen mich als Adressaten unbedingt behalten. Deshalb formulieren sie ihre Mails etwas anders. Bei diesen Anfragen muss ich klicken, wenn ich aus dem Verteiler endgültig heraus möchte. Opt-out nennt man das wohl. Mein Tipp deshalb, wenn auch ihr an meinem Kommunikations-Verschlankungsprogramm teilnehmen möchtet: Immer erstmal zu Ende lesen, bevor ihr diese Mails einfach löscht.

Wollte die neue Datenschutzgrundverordnung nicht eigentlich etwas ganz anderes erreichen? Was genau dabei herauskommen sollte, können sogar Experten, die sich den ganzen Tag damit beschäftigen, nicht genau vorhersagen. Abgesehen, dass eine überlebensgroße Abmahnindustrie entstehen wird, die wackere Handwerksbetriebe verklagt, weil diese die Bestimmungen nicht einhalten.

Den Rest wird dann die Rechtsprechung zeigen, heißt es lapidar. In den meisten Fällen dieser Art von Regulierungen sind die Anwender so findig, dass sie sich auch bei unübersichtlichsten Lagen ihren eigenen Weg bahnen. So wie jetzt mit den Newslettern. Es entsteht ein ganzes Ökosystem aus Workarounds, Tricks und Kniffen, die die bestehende Gesetzgebung unterlaufen, und Kanzleien, die einfach nur Geld damit verdienen wollen. 

Ich freue mich auf die ePrivacy

Es tut mir furchtbar leid, dass so viele Firmen in Europa jetzt immense Kräfte in die Anpassung ihrer Geschäfte an die neuen Regulierungen investieren müssen. Google und Amazon arbeiten derweil an der Programmierung unserer Zukunft. Aber in dem Punkt der Mailvermeidung hat sich die Sache für mich als Anwender bereits jetzt gelohnt. Danke, liebe Datenschutzgrundverordnung! Deshalb freue ich mich schon jetzt auf die neue Verordnung in Sachen ePrivacy, die wohl 2019 in Kraft treten soll. Vielleicht sorgt sie dafür, dass ich meine Mail dann endlich in weniger als einer Stunde abarbeiten kann. 

Bis dahin verbringen wir die Zeit mit guter Musik und hören das neue Album von den Arctic Monkeys.

Foto: Youtube / Arctic Monkeys / Screenshot