Midem-Chef Alexandre Deniot glaubt weiter an die Kraft der Musik.

Einmal im Jahr trifft sich die Musikindustrie unter Palmen. Dort, wo sich sonst die Filmstars fotografieren lassen und auch normale Menschen attraktiver aussehen als sonst: in Cannes an der Côte d’Azur. Direkt am Meer steht für derartige Anlässe ein überraschend hässlicher Zweckbau, der die ansonsten malerische Stadt verschandelt. Drinnen herrscht ein reges Treiben, denn alle sind gekommen: Produzenten, Musiker, Verlage, Plattenfirmen und natürlich auch viele Startups. Ja, auf dem Szene-Treffen Midem gibt es sogar Musik. Direkt am Strand natürlich. 

So richtig gut geht es der Musikindustrie nicht. Seit Jahren wird gerätselt, wie es eigentlich weitergehen soll mit der Branche. Musik hat ihre gesellschaftliche Relevanz eingebüßt, vor allem junge Konsumenten sind es gewöhnt, dass sie nichts kostet.

Midem-Chef Alexandre Deniot, der auch Schlagzeuger ist, schwärmt im Interview mit Gründerszene trotzdem von den Möglichkeiten des Streamings. Musik könne dadurch wirklich blitzschnell global werden, sagt er. Er sorgt seit Januar 2017 dafür, dass auch Musiker aus China oder Afrika ihren Auftritt in Cannes bekommen – und Gehör in der Branche finden.

Spotify will jetzt Musiker direkt verpflichten

In einem Kinosaal stellen sich unter dem Label „Midemlab“ Startups vor, die im weitesten Sinne mit Musik oder deren Verteilung zu tun haben. Die größte Rolle spielt an diesem Pitch-Nachmittag immer noch die Personalisierung von Musikplaylisten. Es wird munter mit den Buzzwords „künstliche Intelligenz“ und „Blockchain“ geworben, um mögliche Investoren an Bord zu holen. Zum Beispiel auch vom Startup Alissia aus München, das mit der Blockchain und künstlicher Intelligenz für ein neues Musikerlebnis sorgen will. 

Ziel der meisten Geschäftsmodelle ist es, der Hörerschaft automatisch die richtige Musik-Mischung zur Verfügung zu stellen. Weltweit werden immer noch sehr viele CDs verkauft – und immer mehr Schallplatten. Es ist aber abzusehen, dass Streaming bereits in wenigen Jahren den Markt beherrschen wird, erwartet auch Alexandre Deniot. Weil es so einfach sei, die richtige Musik zu finden, meint er.

Der große Player Spotify hat gerade bekannt gegeben, dass er jetzt auch Musiker und Bands direkt verpflichten wird. Und auch YouTube ist jetzt in das Streaming-Geschäft eingestiegen. Der neue Dienst unterscheidet sich von anderen Modellen durch die Einbindung von Videos, die der Kunde anschauen muss, wenn er die Gratis-Variante des Angebotes nutzt. Das sind weitere Schläge gegen die Plattenindustrie, die sich schon wieder neu erfinden muss. Was bleibt ihr eigentlich noch als Geschäftsmodell?

Plattenfirmen besitzen immer noch großes Know-how

Alexandre Deniot ist weiter optimistisch für seine Branche und gerade was junge Musiker angeht. Sie verstünden durch die digitale Verbreitung ihrer Musik besser, wer ihre Fans seien und wie sie ihre Fangemeinschaft vergrößern könnten. Allerdings, so Deniot, müssten Musiker heute viel mehr Manager und Marketing-Experten sein. Früher hätten das Plattenfirmen übernommen. Heute sollte eine Band selber in der Lage sein, digitale Kanäle für sich zu nutzen.

Die neuen Modelle haben laut Deniot das Spiel in der Musikbranche verändert. Die Plattenfirmen würden sich heute als Dienstleister für Künstler darstellen und begreifen, statt als Schaltzentrale der Industrie Produkte in den Markt zu drücken und musikalische Trends zu bestimmen. Sie besäßen immer noch großes Know-how, wenn es um Dinge wie Promotion oder die Organisation von großen Tourneen ginge. Dieses Wissen müssten sich Streamingdienste noch aufbauen, wenn sie in Zukunft wirklich die Plattenfirmen ersetzen wollten.

Gratis-Musik zur teuren Flasche Rosé

Aber es gibt laut Deniot eben auch gute Beispiele für eine neue Sorte Künstler, die man vielleicht am besten als Künstler-Entrepreneure bezeichnen könne. Sie kämen auch ohne Hilfe von Musikfirmen aus. Diese Musiker seien in der Lage, ihre Musik selbstständig digital zu vertreiben und brauchten dafür keine Hilfe von großen Firmen, die dafür einen großen Anteil der Umsätze fordern. Die Verdienstmöglichkeiten durch Streamingdienste sind trotzdem recht übersichtlich. Aber das kann sich ja noch ändern.  

Am Abend weht der Sound einer Folk-Pop-Band über die berühmte Croisette. Man lauscht den Klängen und nippt am Rosé. Wann gibt es in Cannes schonmal etwas gratis? Aber genau diese Gratis-Mentalität ist das größte Problem der Musikbranche in digitalen Zeiten. Da ändern auch die 10 Euro im Monat für ein Streaming-Abo nichts. 

Bild: Youtube/Screenshot