* Pardon my French.

Inzwischen hat es wirklich jeder verstanden. Jede große Firma, die Energieversorger, die Mittelständler – ja, auch der Hidden Champion aus dem Schwabenland. Man muss etwas tun. In Sachen Technologie. Da schwirren gerade so Begriffe herum: Blockchain, künstliche Intelligenz. Nicht mehr so sehr Big Data. Da ist man irgendwie drumherum gekommen. Mit ganz viel Glück und Abwarten. Aber jetzt sollte man wirklich mal genauer schauen, was es mit dieser neuen Technik auf sich hat, oder?

In Deutschland ist es ja üblich erstmal einen Verein zu gründen. Oder eine Arbeitskreis. Dann hat man das Thema von der Backe und kann sich gemütlich dem Tagesgeschäft zuwenden. Läuft. Die werden das schon machen. Auch in der Politik wird gerne so gearbeitet. Für Zukunftstechnologien haben wir inzwischen einige zuständige Menschen in der Regierung. Vor lauter Streit in der Union und Beschäftigung mit Migrationspolitik geraten die Maßnahmen, bei denen es um die Zukunft der deutschen Wirtschaft geht, aber leider immer wieder in den Hintergrund. 

Ganz viele Forderungen an die Politik

Doch da gibt es zum Beispiel eine neue Allianz zur Stärkung digitaler Infrastruktur in Deutschland. Hinter dem, was wir Internet nennen, verbergen sich nämlich riesige Rechenzentren und sogenannte „Verteilerknoten“. So genau möchte man es als ganz normaler Amazon-Besteller lieber nicht wissen. Diese Unternehmen agierten bis jetzt im Verborgenen. Es ist ein sehr sensibles Geschäft mit verwundbarer Technik. Aus diesem Grund scheint den zuständigen Unternehmen jetzt eine Lobby zu fehlen. Das soll anders werden. Die Allianz dieser Unternehmen stellt unter dem selbstbewussten Motto „Wir sind das Internet“ Forderungen an die Politik. Das tun auch ganz viele andere Verbände, Allianzen, Interessenvertreter.

René Obermann, der vom Telekom-Chef zum Investor geworden ist, setzte sich vor ein paar Tagen auf dem Deutschen Eigenkapitaltag dafür ein, dass in Deutschland in Zukunft mehr Risikokapital für Technologie-Unternehmen zur Verfügung steht. Gerade mit der Later-Stage-Finanzierung sieht es hierzulande immer noch finster aus, erzählte er mir im Interview auf der Bühne der Veranstaltung. Es dürfe nicht sein, dass wir den Anschluss an die USA und China verlieren.

Leider ist nur sehr wenig passiert

So weit entfernt sind all diese Forderungen nicht von dem, was die Politik seit Jahren selber fordert und in langen Thesenpapieren schreibt: Abbau der Bürokratie, Glasfaserverkabelung, bessere Ausbildung, mehr Risikokapital für Gründer, gründerfreundlicheres Klima, Unterstützung von Technologiefirmen. Ein altbekannter Refrain. Das alles verspricht auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier in seinen Reden. Er hat allerdings das Problem, dass in den vergangenen Jahren sehr viel versprochen wurde – aber leider ist nur sehr wenig passiert.

Jetzt gibt es laut Informationen des Handelsblattes offenbar zumindest einen Schlachtplan. Wenn man die Ankündigung von Altmaier liest, kann er einem schon ein bisschen leid tun: „Innerhalb des nächsten halben Jahres werden wir eine Roadmap haben.“ Ein Roadmap. Na, super. Immerhin! Was in dieser Roadmap drinstehen soll, wird offenbar am 27. Juni entschieden. Denn dann soll das sogenannte „Digitalkabinett“ zum ersten Mal tagen. Es heißt, dass alle Ministerinnen und Minister, deren Themenbereiche von der Digitalisierung betroffen seien, dort teilnehmen werden. Es müssten also eigentlich alle sein.

Wer ist eigentlich zuständig für die Planung des Planes?

Die oberste Chefin der deutschen Digitalisierung ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie soll diese Sitzung leiten. Das Handelsblatts berichtet weiter, dass das Bundeskanzleramt die Ministerien verdonnert hat, vor der Sitzung eine Digitalstrategie für das eigene Haus zu entwickeln und dem Kanzleramt zur Verfügung zu stellen. Wahrscheinlich haben die Ministerien irgendwo noch ein paar Pläne in den Schubladen, sonst wäre es etwas knapp mit der Zeit. Alle Strategien, die im Kanzleramt eingehen, sollen dann am 27. Juni besprochen und bis Ende des Jahres zu einer Digitalstrategie zusammengefasst werden. Diese soll beim Digitalgipfel am 3. und 4. Dezember in Nürnberg vorgestellt werden. Federführend ist wohl Kanzleramtschef Helge Braun. Oder vielleicht doch Staatsministerin Doro Bär?

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Es gibt jetzt zwei Lesarten dieser Roadmap-Pläne. Man könnte schockiert feststellen, dass es nach fast 25 Jahren Internet-Neuland immer noch keine digitale Strategie für Deutschland gibt. Oder wir freuen uns einfach, dass es jetzt zumindest mal einen Plan gibt, wenigstens die Planungen zu koordinieren, damit ein Plan entsteht, den man dann irgendwann mal verfolgen kann. Von Umsetzung wollen wir an dieser Stelle gar nicht sprechen. Daran scheitern auch immer noch viele Unternehmen in Deutschland.

In der Zwischenzeit rasen die Chinesen in die Zukunft

Laut den neuesten Zahlen sind im wichtigen verarbeitenden Gewerbe 53 Prozent der Unternehmen noch nicht digitalisiert. Bei der Cloud-Nutzung ist Deutschland in Unternehmen ist Deutschland immer noch Schlusslicht im internationalen Vergleich. Gnädig verschweigen wir das Thema Glasfaser. Nur ein Viertel der deutschen Firmen gilt als hoch digitalisiert. Das passt hervorragend zum Schneckentempo der Politik. Wenn die Pläne im Dezember vorgestellt werden, rechnen wir im Frühjahr des kommenden Jahres mit ersten Umsetzungen. Oder ist das zu optimistisch? Inzwischen schauen wir nach China, wo Unternehmen gerade Knowhow aus Deutschland in Form von Tech-Startups aufkaufen, und erzählen uns Grusel-Geschichten über staatliche Totalüberwachung.

Uns bleibt genug Zeit für den alten Klopfer „Physical“ von Olivia Newton-John, den Power-Pop-Queen Juliana Hatfield mit Schrammel-Gitarren geerdet hat.

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