neue Top Level Domains

Eine völlig neue Online-Landschaft

Kurz, prägnant, leicht zu merken: So lautet die Formel für den optimalen Domainnamen. Leicht gesagt – tatsächlich ist die Namenssuche jedoch mittlerweile schwierig geworden, insbesondere, wenn es um die Kombination mit begehrten Endungen wie .de oder .com geht. Diesen Engpass sollen die sogenannten neuen Top Level Domains (nTLD) beseitigen, deren Start jetzt unmittelbar bevorsteht. Klar ist schon vor dem Beginn der Registrierungsphase, dass die nTLDs die Internetlandschaft nachhaltig verändern werden – allein schon durch ihre Masse.

Angesichts des Ausmaßes der Veränderungen ist es um das Thema nTLDs noch immer erstaunlich ruhig. Dabei lohnt es sich gerade für Gründer, sich rechtzeitig damit auseinanderzusetzen, um Potenziale auszuloten, Chancen zu nutzen und Risiken richtig einzuschätzen.

nTLDs: Mehr als 1.400 neue Endungen

Derzeit gibt es neben den länderspezifischen Top Level Domains wie .de oder .at insgesamt 22 generische TLDs, beispielsweise .com, .info und .net. In den vergangenen zehn Jahren implementierte die Internetverwaltung ICANN lediglich zehn neue gTLDs im Domain Name System (DNS) des Webs. Mit dem nTLD-Programm sollen jetzt innerhalb kurzer Zeit rund 1.400 neue Endungen dazukommen.

Insgesamt sind bei der ICANN genau 1.930 Bewerbungen um eine neue Endung eingegangen. Nachdem bislang 33 Bewerbungen zurückgezogen wurden (Stand 5. April), durchlaufen gerade 1897 Anträge das Prüfverfahren (initial evaluation). Für 253 Endungen liegen mehrfache Bewerbungen vor, so dass am Ende wohl rund 1.400 neue Top Level Domains übrig bleiben.

Neben neuen generischen Top Level Domains wie .app, .cloud und .blog wird es in Zukunft auch geografische Endungen wie .berlin, .paris oder .bayern geben. Dazu kommen noch Endungen, die Unternehmen und Verbände für ihre eigene Online-Präsenz nutzen wollen – von .adac und .apple über .google bis .zara. Einen Überblick über alle kommenden Endungen inklusive Hintergrundinformationen liefert die Seite ICANNwiki. Über den Stand und die Ergebnisse der der initial evaluation informiert die Application Result-Seite der ICANN.

Verunsicherungen durch Verzögerungen

Dass das Thema neue Top Level Domains bisher eher ein Insider-Thema ist, hängt sicherlich auch mit zahlreichen Verzögerungen und daraus entstandenen Verunsicherungen auf dem bisherigen Weg zu den neuen Endungen zusammen. Eigentlich sollten die ersten nTLDs bereits online sein, durch diverse Pannen bei der ICANN wurde die Einführung jedoch immer wieder verschoben. Der aktuelle Fahrplan soll aber eingehalten werden, egal was passiert, kündigte ICANN-CEO Fadi Chehadé im März an.

Demnach könnten noch im April die sogenannten internationalisierten nTLDs in die Registrierungsphase starten, also beispielsweise .net in asiatischen Schriftzeichen. Anschließend wird der Internet-Namensraum dann schubweise um alle anderen neuen Endungen erweitert – ein Prozess, der sich über Jahre hinziehen wird.

Neue Top Level Domains: neue Vielfalt im Internet

Unbestreitbarer Pluspunkt des nTLD-Programms ist, dass die bisherigen Engpässe bei der Suche nach aussagekräftigen Internetadressen schon bald der Vergangenheit angehören werden. Die neuen Adressendungen geben Startups wieder eine Chance, sich einen prägnanten Domainnamen zu sichern. Durch die neue Vielfalt erweitern sich die kreativen Möglichkeiten, es können neue Wege abseits der ausgetretenen Pfade beschritten werden.

Zum Beispiel:

  • Endungen passend zum Geschäftsbereich: Wer im Bereich Apps aktiv ist, kann in Zukunft seine Ideen online ganz gezielt unter .app vermarkten.
  • An der Zielgruppe ausgerichtete TLDs: Angebote für Familien, Kinder oder junge Eltern lassen sich unter TLDs wie .baby und .family bündeln.
  • Lokale Spezialisierung: Mit geografischen TLDs wie .köln oder .saarland werden Bewohner bestimmter Städte oder Regionen angesprochen.

Weichen für die Web-Zukunft stellen

Mit den neuen Top Level Domains entwickelt sich die Domainendung von einem (unverzichtbaren) Anhängsel zu einem kreativen Bestandteil der Namensfindung. Es kann wesentlich mehr gespielt, variiert und ausprobiert werden. Umgekehrt ist dieses Mehr an Möglichkeiten natürlich auch eine Herausforderung. Wo bisher die Begrenzung auf wenige Endungen vielen Ideen ein schnelles Ende setzte, aber auch für einen klaren Fokus sorgte, kann in Zukunft immer noch eine Ecke weitergedacht werden.

Sinnvoll ist es natürlich, als Startup bei dieser Weichenstellung im Web so früh wie möglich dabei zu sein. Bei einer Reihe von Unternehmen können schon jetzt unverbindlich Domains in Kombination mit neuen Endungen vorbestellt werden. Gründer sichern sich so frühzeitig Wunschdomains, ohne dafür ein finanzielles Risiko eingehen zu müssen.

Zudem muss im Zuge der Umwälzungen im Internet die Konkurrenz im Auge behalten werden. Denn natürlich kann es sein, dass ein anderes Unternehmen dieselbe oder eine ganz ähnliche Adresse registrieren lassen möchte. Großen Unternehmen steht für solche Fälle das von der ICANN eingerichtete Trademark Clearing House zur Verfügung, um die eigene Marke oder den eigenen Namen zu schützen. Startups müssen wohl oder übel selber die Augen aufhalten.

.com oder .app? Etabliert versus neu

Klar sein sollte allen Gründern, dass sie trotz der kommenden neuen Endungen auch weiterhin nicht die alten, etablierten TLDs unterschätzen sollten. Denn Alter und Etabliertheit haben auch im sich so schnell wandelnden Netz ihre guten Seiten. Für Nutzer stehen sie für bekannt und vertrauenswürdig. Und auch bei Suchmaschinen haben die klassischen Endungen erstmal das bessere Ranking – die Newcomer müssen sich noch beweisen.

Dazu kommen die Unsicherheiten, die es um die Einführung der Top Level Domains gab und gibt. Da es niemals zuvor in der Geschichte des Internets eine so umfassende Erweiterung des DNS gab, kann heute noch niemand sagen, ob dieses Experiment wirklich klappt, beziehungsweise welche Hindernisse noch auftauchen könnten. Zuletzt warnte Verisign, Betreiber der Registry für .com-Domains in seinem „Verisign Labs Technical Report“ sogar vor einem drohenden Kollaps des Internets durch die Integration mehrerer hundert neuer Adressendungen.

Sprich: Wer noch eine gute, unbesetzte Adresse kombiniert mit einer der klassischen Endungen findet, sollte sich diese unbedingt sichern und die neuen TLDs als Ergänzung im Blick behalten.

„Stell Dir vor, es ist Revolution und keiner geht hin“

So könnte man die Lage im Moment zugespitzt beschreiben: Das Internet wird in den kommenden Monaten sein Gesicht komplett verändern – aber so richtig nimmt das derzeit noch keiner wahr. Daran sind sicherlich auch die alles andere als perfekte Kommunikationsstrategie der ICANN und die vielen Verzögerungen schuld. Doch trotz aller Unwägbarkeiten und der Aussicht, dass einige Endungen erst in zwei oder drei Jahren verfügbar sind, sollten Startups das Thema neue Top Level Domains schon jetzt auf ihrer Agenda haben.

Die letzte große TLD-Einführung von .eu hat gezeigt, dass das Interesse im Vorfeld begrenzt war, der Run aber schlagartig startete, als es in die Registrierungsphase ging – und dann sind einfach diejenigen im Vorteil, die gut vorbereitet sind.

Bild: Checkdomain GmbH