Die eigentliche Arbeit beginnt erst nach der Show. Das betont Investor Carsten Maschmeyer häufig in der Startup-Sendung „Die Höhle der Löwen“. Wir wollten wissen, wie genau diese Arbeit nach der Aufzeichnung aussieht, wie die Zusammenarbeit zwischen ihm als Investor und den Startups funktioniert und was geschieht, falls man sich nicht auf eine Strategie für das Unternehmen einigen kann.

Um zu verstehen, warum die Löwen bereit sind, in einer Unterhaltungssendung viel Geld in Startups zu investieren, muss man wissen, dass die Fernsehzuschauer immer nur kurze Ausschnitte aus den Pitches zu sehen bekommen. Häufig stehen die Gründer bis zu 90 Minuten vor den Kameras und müssen sehr ausführliche und tief gehende Fragen beantworten. Daraus werden in der Postproduktion fünf bis zehn Minuten Material für die Sendung geschnitten.

Zwischen den Pitches werden bei der Aufzeichnung der Sendung kurze Pausen gemacht. Die Löwen haben dann 20 Minuten Zeit. Das reicht kaum für einen kurzen Handschlag, das Austauschen von Telefonnummern und eine Verabredung für den Abend in Köln. Maschmeyer erklärt: „Wir sind ja alle echte Investoren, und wenn die Kamera aus ist, stürzen gleich Mitarbeiter auf uns zu und wollen Entscheidungen zum Alltagsgeschäft.“ Die Startups werden in der kurzen Umbaupause interviewt und müssen für Fotos zur Verfügung stehen.

„Warum habt ihr mich als Investor gewählt?“

Doch nach Drehschluss ist endlich Zeit, sich zu unterhalten. Meistens gegen 21:30 Uhr in einem Restaurant in Köln, sagt Maschmeyer. Als erstes interessiert ihn dann, warum die Gründer sein Angebot angenommen haben und nicht das Geld seiner Konkurrenten. Auch er will natürlich lernen. Außerdem hat er eine klare, erste Message für die Gründer: Die Ausstrahlung der Sendung erfolgt oft erst fünf bis acht Monate nach dem Drehtag. Bis dahin muss sichergestellt sein, dass das Produkt des Startups auch wirklich in ausreichender Menge erhältlich ist.

Für digitale Produkte heißt das: Die Server müssen einem gewaltigen Ansturm gewachsen sein. Im Falle von der App Finanzguru war das zuletzt etwa nicht der Fall. Die eigenen Kapazitäten wurden zwar angepasst, doch die Server der Partnerbanken verursachten Wartezeiten von bis zu sechs Stunden.

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An der Seite von Maschmeyer verfolgen drei oder vier „Relationmanager“ aus seinem Team die TV-Dreharbeiten. Sie schauen sich die lange Fassung der Pitches an und jeweils zwei von ihnen nehmen als Duo ein Startup unter ihre Fittiche, in das Maschmeyer investieren will. In den ersten Tagen nach dem Deal im Fernsehen wird abgeklopft, ob alle Angaben aus dem Pitch auch wirklich zutreffen.

„Den Pitch wie in der Theater-AG geübt“

Maschmeyer sagt: „Oft haben Gründer eine Scheu, ihre wirklich Marge im Fernsehen zu nennen. Oder es kommt vor, dass die versprochenen Patente nur Gebrauchsmuster sind. Es gab auch Gründer, die haben Schulden nicht erwähnt.“ Doch nun kommen die Karten auf den Tisch. Während dieser Phase kann es passieren, dass ein Deal noch platzt, weil Angaben, die vor der Kamera gemacht wurden, nicht zutreffend sind. „Es wird leider hin und wieder geflunkert“, sagt Maschmeyer.

Nach der Due Diligence wird eine Woche langüber die Strategie des Startups diskutiert: Wo sehen die Gründer ihr Produkt in fünf Jahren? Wird es weitere Produkte geben? Wie sehen die nächsten Features aus? In welche Märkte sollte man expandieren? Sind die richtigen Leute an Bord, um die Strategie umzusetzen? Dabei gibt es auch hin und wieder Enttäuschungen. Maschmeyer: „Wir haben erlebt, dass Gründer ihren Pitch wie in einer Theater-AG geübt und im TV vorgeführt haben. Aber auf ganz normale Investoren-Fragen hatten sie hinterher keine Antworten.“

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Wenn diese Anfangsphase der Zusammenarbeit zwischen Investor und Startup überstanden ist, übernehmen zwei Relationmanager die Betreuung. Einer von ihnen bleibt immer am Ball. „Zusammen in Urlaub dürfen die nicht“, sagt Maschmeyer. Jeden Monat werden die KPIs aller Startups im Investor-Portfolio überprüft. Anschließend wird im Team diskutiert, ob man noch auf dem richtigen Weg ist oder die Strategie ändern sollte. So ein Tag kann schon mal 20 Stunden haben. Maschmeyer nimmt an diesen Sitzungen teil.

Falsches Spiel sollte unbedingt verhindert werden

Es kommt vor, dass Maschmeyer mit Gründern, bei denen es nicht so richtig läuft, anschließend in einem persönlichen Gespräch über mögliche Fehler spricht: „Ich gehe dann alleine mit denen essen.“ Dann kommen auch schmerzhafte Fragen auf den Tisch: Liegt es am Personal, an der Marke, am Pricing oder sind die Gründer einfach nur zu faul? Es ist schon vorgekommen, dass Maschmeyer einen neuen Mitgründer ins Team geholt hat, um Probleme zu lösen.

Einmal musste die Zusammenarbeit aus persönlichen Gründen beendet werden. Maschmeyer: „In diesem sehr speziellen Fall waren die Gründer einfach unbelehrbar. Da haben wir kein weiteres Geld investiert und keine weitere Energie hineingesteckt.“Auch wenn Gründerpersönlichkeiten ihre Ecken und Kanten hätten, müssten sie in der Lage sein, im Team mit dem Investor am gemeinsamen Erfolg zu arbeiten.

Andere Startups haben versucht, die TV-Show als Marketing-Vehikel zu missbrauchen. Der Deal, der mit Handschlag geschlossen wurde, wird dann so lange aufgeschoben, bis die Sendung ausgestrahlt wird. Anschließend steigt naturgemäß die Bewertung und die Gründer können mehr Geld verlangen, weniger Anteile abgeben oder sich einen anderen Investor suchen. Maschmeyer habe angeregt, dass die Produktionsfirma diese Art des falschen Spiels nicht mehr dudelt. Sein Vorschlag: Wer vor der Ausstrahlung nicht zum Notar geht, soll nicht im Fernsehen gesendet werden.

„Sechs Talkshows pro Drehtag, ohne das Thema zu kennen“

Immerhin haben 60 Prozent der in der Höhle der Löwen geschlossenen Deals Bestand. Das sei im Vergleich mit dem wirklichen Leben außerhalb des Fernsehens ein guter Wert, sagt Maschmeyer: „Im Vergleich zum Alltagsgeschäft, wo nach einer Due Diligence viele Investmentmöglichkeiten nicht gemacht werden, ist die Quote der erfolgreichen Deals in der ‚Höhle der Löwen‘ sehr gut.“ Für ihn gilt: Nur wenn sich hinterher in der Sendung präsentierte Fakten und Zahlen als unzutreffend herausstellen, kann der Deal platzen.

Doch auch für die erfahrenen Geldgeber ist es immer wieder eine Herausforderung, vor laufenden Kameras das richtige Startup für ein lohnendes Investment zu finden. „Meine Frau Veronica hat das ganz gut beschrieben“, erzählt Maschmeyer: „Wir machen eigentlich pro Drehtag sechs Talkshows, ohne dass wir vorher wissen, was das Thema ist. Dafür ist die Quote der erfolgreichen Deals eigentlich sehr gut.“

Hinweis: Die DHDL-Produktionsfirma schließt Gründer, die vor der Ausstrahlung nicht zum Notar gegangen sind, nicht von der gesendeten Show aus. Hierbei handelt es sich um einen Vorschlag von Carsten Maschmeyer. Der Text wurde nachträglich angepasst.
Bild: MG RTL D / Bernd-Michael Maurer