Hat gerade in einem Essay einen interessanten Sinneswandel hingelegt: Facebook-Chef Mark Zuckerberg

Als Mark Zuckerberg 2003 seine erste soziale Webseite „FaceMash“ programmierte, basierte diese auf einem Privatsphäre-Verstoß: Zuckerberg brach in das gesicherte Netzwerk seiner Universität Harvard ein und stahl Passfotos seiner Kommilitonen aus der Datenbank für Studienausweise. Der Datenbank-Bruch kostete Zuckerberg beinahe seinen Studienplatz. Die Offiziellen der Universität verdeutlichten dem jungen Studenten eindringlich, dass die Zweckentfremdung der Bilder gegen die Persönlichkeitsrechte seiner Mitstudenten verstieß.

Ein Jahr später gründete Zuckerberg das soziale Netzwerk Facebook – und überzeugte seine Nutzer davon, ihm ganz freiwillig ihre Bilder zur Veröffentlichung zu überlassen. 15 Jahre lang war Öffentlichkeit das neue Normal in sozialen Netzwerken. Doch nun, nach massiver Kritik an Facebook aufgrund der Datenschutzskandale der vergangenen Jahre, erinnert sich Zuckerberg an die Harvard-Lektion aus dem Jahr 2003 und veröffentlicht einen erstaunlichen Text: Privatsphäre soll künftig Facebook prägen, der Konzern legt eine 180-Grad-Wende hin.

In einem Essay von über 3000 Wörtern erklärt der 34-jährige CEO, dass der Schutz der persönlichen Daten seiner Nutzer künftig das höchste Ziel seiner Plattform ist – dafür soll Facebook umgebaut werden: „Öffentliche soziale Netzwerke werden weiterhin sehr wichtig in den Leben der Menschen bleiben – um sich mit anderen zu verbinden, um neue Leute, Ideen und Inhalte zu entdecken und um Menschen Öffentlichkeit zu geben“, schreibt Zuckerberg. „Aber jetzt, wo Menschen auch privat interagieren wollen, gibt es eine Möglichkeit, eine einfachere Plattform zu bauen, die auf Privatsphäre fokussiert ist.“

Zuckerberg kündigt in seinem Text eine ganze Reihe von Änderungen für sein Netzwerk an: Künftig soll die Verschlüsselung in allen Anwendungen verbessert werden, zudem will Zuckerberg seine Server aus autoritär regierten Ländern zurückziehen. Beide Schritte sollen helfen, die Nutzerdaten vor einem Zugriff von außen zu schützen. Durch die Implementierung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung soll jedoch auch Facebook selbst nicht länger mitlesen können, was etwa im Messenger gechattet wird.

Facebook will die Jugendsünden seiner Nutzer vergessen

Auf Facebooks mobiler Plattform Whatsapp ist diese Verschlüsselung bereits jetzt Standard – künftig könnte dieser Standard für das ganze Netzwerk gelten. Bereits vor einigen Wochen hatte Facebook angekündigt, bald nur noch eine Infrastrukturplattform und eine Softwarebasis im Hintergrund für alle Dienste und Apps des Unternehmens verwenden zu wollen. Die Details der neuen Plattform jedoch könnten eher an eine private Whatsapp-Gruppe erinnern als an das Facebook, wie es bisher bekannt ist.

Weiterhin schreibt Zuckerberg von der Idee, dass Kommunikation künftig vergänglich sein soll: Nachrichten werden nicht wie bisher ewig gespeichert, sondern bekommen ein internes Verfallsdatum, können nach Tagen oder Monaten automatisch gelöscht werden. Facebook will die Jugendsünden seiner Nutzer vergessen.

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Wie jedoch diese neuen Privatsphäre-Vorgaben mit dem Facebook-Geschäftsmodell zu vereinbaren sind, dass erklärt Zuckerberg in seinem Aufsatz nicht. Auch kündigt er nicht an, dass Facebook selbst künftig weniger Metadaten seiner Nutzer sammeln will. Die grundlegende Idee, den Werbekunden den Zugriff auf Zielgruppen nach Alter, Geschlecht, Wohnort, Freundeskreisen und Interessen sortiert zu verkaufen, bleibt auch im neuen Facebook erhalten. Dabei war genau diese Datensammlung und ihre Weitergabe an Entwickler von Apps der Stein, der die Facebook-Skandallawine der vergangenen Jahre ins Rollen brachte.

Zudem ist der Inhalt der Kommunikation für Facebook bereits aktuell nicht sonderlich relevant – viel lukrativer aus Sicht der Werbevermarkter ist, die öffentlich geäußerten Interessen der Nutzer – etwa über Mitgliedschaft in Gruppen – mit Wohnorten und sozioökonomischen Daten zu verknüpfen. Darüber jedoch äußert Zuckerberg ebenfalls nichts substanzielles. Personalisierte Werbung wird es weiterhin geben.

Probleme bei Zwei-Faktor-Authentifizierung

Zuckerberg hat sich für das laufende Jahr die Aufgabe gestellt, jeden Tag daran zu arbeiten, Facebook zu verbessern – dafür spricht er mit Kritikern und Angestellten, Forschern und Nutzern seiner Produkte. Das nun veröffentlichte Essay ist ein erstes sichtbares Resultat dieser Arbeit.

Gleichzeitig aber scheinen seine Angestellte den Richtungswechsel noch nicht verinnerlicht zu haben. Erst in den vergangenen Tagen war ein weiterer Vertrauensbruch an den Nutzern öffentlich geworden: Facebook hatte die Nutzer um die Preisgabe ihrer Mobiltelefonnummern gebeten, um auf deren Basis die Login-Sicherheit zu verbessern:

Wer seinen Facebook-Account mittels Zwei-Faktor-Authentifizierung schützen will, bekommt bei jedem Login auf einem neuen Gerät eine Nachricht mit Sicherheitscode aufs Smartphone. Diese Woche wurde bekannt, dass Facebook die Mobilfunknummern nicht nur für die Sicherheitsfunktion nutzt, sondern auch die Suche nach Nutzern per Nummer erlaubt und Werbefunktionen daran koppelt. Die Funktion bleibt aktuell auch nach der öffentlichen Kritik von Datenschützern weiterhin aktiv. Ob Facebook darauf noch reagiert, könnte als Indikator dafür gelten, wie ernst der CEO seine neue Privatsphäre-Verpflichtung nimmt.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / Christophe Morin / IP3