Ist das noch zeitgemäß? Gründer müssen sich hierzulande mit haufenweise Regeln und Vorgaben herumschlagen.

Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Buch „Digitaler Suizid“ von Hubertus Porschen. Der Seriengründer hat unter anderem das Tech-Startup App-Arena aufgebaut und war drei Jahre Vorsitzender des Wirtschaftsverbands Die jungen Unternehmer. Porschen kritisiert in seinem Buch die mangelhaften Fortschritte in Sachen Digitalisierung und gibt konkrete Vorschläge, wie Deutschland aufholen kann.

Letztlich geht es um eine Ergänzung der in Deutschland historisch gewachsenen Null-Fehler-Kultur. „Fail fast, fail often“ widerspricht unserem Drang nach Perfektion. Trotzdem müssen wir lernen zu scheitern, Fehler zuzulassen – bei anderen, aber auch bei uns selbst. Nur so gewinnen wir an Geschwindigkeit und können einen höheren Kundennutzen und damit eine bessere Wettbewerbsposition erzielen. Ein Unternehmen gründen und führen, muss man lernen. Meistens klappt es nicht beim ersten Mal. Paypal-Gründer Max Levchin brauchte fünf Anläufe, Uber-Gründer Travis Kalanick scheiterte mit zwei Plattformen, bevor er mit Uber Erfolg hatte. Selbst Henry Ford setzte zwei Unternehmen in den Sand, bevor er durch die Fließbandproduktion das Auto für jeden erschwinglich machte.

Vielleicht verliert das Scheitern seinen Schrecken, wenn wir uns an die Empfehlung „fail fast, succeed faster“ halten. Auch ich bin schon mit Unternehmen gescheitert, aber ich habe jedes Mal ungeheuer viel dazu gelernt. Und dazu lernen müssen und können wir immer. Ich selbst bin mir durchaus bewusst, dass ich noch viel zu wenig weiß: über Digitalisierung, über Unternehmertum, über Gesundheit – bei anderen Themen weiß ich noch nicht einmal, dass ich nichts weiß.

Wegen viel zu vieler Regeln und einer monströsen Bürokratie läuft Deutschland jedoch Gefahr, gar nichts mehr auszuprobieren. Wer lässt sich noch auf unternehmerische Risiken ein, wenn er zusätzlich noch mit einem Bein im Gefängnis steht, weil er keinen Überblick mehr über alle Regeln und Steuergesetze hat? So sehen sich zahlreiche Kleinunternehmer, Online-Shops, Selbstständige, Freiberufler und Vereine nicht in der Lage, den Aufwand zu betreiben, der nötig wäre, um den DSGVO-Vorgaben zu entsprechen, zumal die Regelungen vage und nicht eindeutig sind. Aus Angst vor Abmahnungen und hohen Geldstrafen schalteten sie ihre Webseiten ab. Im vertraulichen Gespräch geben Steuerberater zu, dass es ihnen kaum noch möglich sei, bei der Vielzahl von neuen Regelungen und Urteilen auf dem Laufenden zu bleiben.

Digitalisierung heißt Veränderung, nicht Technologie

Ein digitales Mindset zu haben, bedeutet vor allem, veränderungsbereit zu sein und diese Haltung auch weiterzugeben. Ich wiederhole: Die Digitalisierung ist kein Technologieprojekt, sondern in erster Linie ein Veränderungsprozess. Alle, vom Mitarbeiter über die Führungskräfte bis hin zum Unternehmer, müssen ihre Komfortzone verlassen, sich neue Kompetenzen und Arbeitsmethoden aneignen und vor allem neue Denkweisen. Dem steht naturgemäß unser Gehirn im Weg, das Veränderung nicht mag, weil die Energie kostet, und deshalb am liebsten vertraute Pfade geht.

Wollen wir es zu neuem Denken und Handeln zwingen, gibt es nur zwei Wege, über die das gelingen kann: Schmerz oder Leidenschaft. Der Digital Leader, der Unternehmer, der seine Mitarbeiter in die digitale Zukunft führen will, sollte definitiv den zweiten Weg wählen.

Wir brauchen künftig Menschen, die das große Ganze im Blick haben, die sich über Grenzen hinwegsetzen, gerne mit anderen zusammenarbeiten, gespannt auf Neues sind und nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen von etwas Neuem sehen, die unternehmerisch denken und handeln und bereit sind, dazu zu lernen, andere Sichtweisen zu akzeptieren und zu betrachten.

Das wird aber niemals gelingen, wenn wir solche Menschen an allen Ecken und Enden beschränken und unsinnigen Regeln, Vorschriften und Hierarchien unterwerfen. Doch genau das tut aktuell die Politik, der Gesetzgeber. Das fängt bei Arbeitszeitregelungen aus dem vorigen Jahrhundert an und hört bei völlig antiquierten Vorschriften zur Arbeitsplatzgestaltung und -ausstattung im Homeoffice noch lange nicht auf. Arbeiten mit dem iPad oder dem Laptop auf einer Parkbank oder dem Sofa ist dort auf jeden Fall nicht vorgesehen.

Lest auch

„Digitaler Suizid“ von Hubertus Porschen ist im Oktober 2018 im Status Verlag erschienen. Gebundenes Buch, 223 Seiten, 28,90 Euro.

Bild: Getty Images / Stockbyte