Ein australischer Lego-Fan.
Ein australischer Lego-Fan

„Welt, seid mir gegrüßt, ich bin der Held der Steine in Frankfurt am Main im Herzen von Europa in meinem wunderbaren kleinen Lego-Lädchen an einem fantastischen Tag.“ So begrüßte Thomas Panke bis vor Kurzem die Zuschauer in seinen Youtube-Videos. Hunderttausende schauten ihm dabei zu. Denn Panke beschäftigt sich vor der Kamera mit Lego, dem mit Abstand beliebtesten Spielzeug in Deutschland. 

Seit mittlerweile vier Jahren stellt Panke in seinen Filmchen Lego-Sets vor, gibt Zusammenbaurat und Einkaufstipps. Doch der Fachmann für Stecksteine ist nicht nur Lego-Händler und -Fan, sondern zugleich einer der bekanntesten Kritiker des Konzerns aus Dänemark.

Dieser Tage förderte Lego seine Bekanntheit besonders: Denn zum Jahresanfang bekam Panke Post von den Anwälten des Konzerns. Sein Logo, das entfernt an einen Vier-Noppen-Stein der Kultmarke erinnert, verstoße gegen die Markenrechte des Unternehmens, schreiben die Juristen. Panke hat daraufhin sofort reagiert und sein Erkennungszeichen geändert.

„Dass Lego seine Marke verteidigt, verstehe ich gut, kein Problem“, sagt der 38-Jährige gegenüber WELT. Danach aber hört sein Verständnis auf. „Ich hätte mich gefreut, wenn mich das Unternehmen einfach angerufen hätte. Stattdessen aber bekomme ich einen Brief, in dem etwas von Wertvorstellungen steht – mit einer Deadline.“

Früher wäre das für Lego kein Problem gewesen. Niemand hätte etwas von dem Streit eines kleinen Ladens mit seinem Hauptlieferanten erfahren. Lego hätte geschrieben, und Panke hätte springen müssen. Nur haben das Internet und die sozialen Netzwerke die Machtverhältnisse verschoben zugunsten des Händlers. 

Lego, der mächtige internationale Konzern, steht jetzt da wie eine Firma, die über den Erfolg den Kontakt zu ihren Kunden verliert – selbst wenn sie juristisch recht hat. Nicht nur dieser Streit ist ein Indiz dafür. Er macht ihn aber für alle sichtbar, denn Panke schlägt zurück.

Ein Video wie eine Rache

Der Händler kündigt den Direktliefervertrag mit Lego. Vor allem aber stellt er auf Youtube eine Woche nach dem Vorfall das „CaDA C51006W RC Police Car“ vor. „Das ist kein Lego – aber es ist kompatibel“, lächelt er in die Kamera. Die Botschaft ist klar: Der „Held der Steine“ steht ab sofort nicht mehr nur für Lego-Spielwaren, sondern für Spielzeug mit kleinen Klemmsteinchen allgemein und damit auch für Konkurrenzprodukte. Passend dazu ist im Begrüßungssatz seiner Videos nicht mehr vom „Lego-Lädchen“ die Rede. Es heißt nur noch „Lädchen“.

Das Modell des Alternativherstellers ist sorgfältig gewählt. Lego hat zum Preis von 40 Euro kein vergleichbares ferngesteuertes Modell im Programm. „Wir erforschen das mal ein wenig, und dann schauen wir, ob man das empfehlen kann“, sagt Panke vielsagend.

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Legos Marketingmanager sollten gut hinsehen. Denn die Steine sind seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2010 nicht mehr markengeschützt. Andere Hersteller dürfen also Sets herausbringen, die mit Legos Teilen kompatibel sind. Die Qualität, so der erste Eindruck von Panke, wird immer besser.

Bei Lego herrscht alles andere als Gelassenheit ob der Stoßrichtung von Panke. Darauf jedenfalls lässt die Reaktion des Konzerns auf der Spielwarenmesse in Nürnberg schließen. Lego veranstaltet am Rande des Branchentreffens stets eine Pressekonferenz. Normalerweise geht es dort um Neuheiten und Verkaufszahlen. Dieses Mal ist es anders.

Die Reue des Chefs

Bevor Deutschlandchef Frédéric Lehmann über die Bilanz und neue Bausets spricht, redet er über den Helden der Steine. „Wir haben in diesem Fall nicht richtig kommuniziert“, entschuldigt er sich. „Wir hätten besser den Telefonhörer in die Hand nehmen sollen, statt sofort Briefe zu schreiben.“ Das sei nun passiert.

Notgedrungen, meinen Experten. Denn Lego steht jetzt am Pranger. Auf Youtube hat die Netzgemeinde den Zwist genau verfolgt. Was dem „Helden der Steine“ hilft. Die Zahl seiner Youtube-Abonnenten ist zuletzt binnen weniger Tage von gut 150.000 auf 210.000 gesprungen.

„Wenn denen der Blogger wichtiger ist als das Produkt, kann es gefährlich werden für Lego“, sagt Klaus-Dieter Koch, Geschäftsführer der Managementberatung BrandTrust. Ein Video, in dem Panke das Anwaltsschreiben öffentlich gemacht hat, wurde in kurzer Zeit mehr als eine Million Mal angeschaut. Eine bessere Werbung kann es nicht geben – für Panke.

Schwieriger Präzedenzfall

Lego-Manager Lehmann will die Sache richten. „Wir nehmen offenes und kritisches Feedback sehr ernst“, betont er gegenüber WELT AM SONNTAG. Lego suche den Dialog. „Wir bekommen täglich Hunderte Briefe von Kindern, Fans und Händlern. Und das soll auch so bleiben.“ Man habe eine Vielzahl von Mitarbeitern eingestellt, um die Rückmeldungen zu beantworten. „Wir sind zu Selbstkritik bereit und hinterfragen uns regelmäßig.“

Was aber am Streit mit Panke nichts ändert. „Lego ist eine weltweite Marke. Und die muss auch geschützt werden, wenn wir den Eindruck haben, dass sie verwässert wird“, sagt Lehmann.

Markenexperte Koch kann das verstehen. „Auch wenn es nach außen hin danach aussieht, dass hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird: Lego musste reagieren“, sagt der Berater. „Wenn sie es nicht machen, schaffen sie einen Präzedenzfall, auf den sich dann am Ende womöglich ein Markenpirat berufen wird.“ Da gebe es keinen Spielraum.

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Nachholbedarf sieht Koch allerdings im Umgang mit den Verbrauchern. „Da fehlt die Nähe“, sagt er. Die Homepage sei eine monologische Aneinanderreihung von Produkten. Wo ein kleiner Button auftaucht, der zu einer Lego-Community führt, komme anschließend ein Hinweis, dass man auf eine Seite weitergeleitet wird, die nicht von Lego betrieben wird. „Das Thema Vernetzung und Social Media krempelt die Gesellschaft um, aber das scheint bei Lego noch nicht vollends angekommen zu sein“, sagt Koch. Daran ändert auch das sogenannte Lego Ambassador Network im Internet nicht viel.

„Den Touch verloren“

YouTuber Panke hält Lego für entrückt. „Viele Fans – darunter auch ich – sind der Meinung, dass Lego seit 2014 spürbar den Touch verloren hat“, sagt er. „Zum einen hat die Attraktivität der einzelnen Produkte nachgelassen.“ Zum anderen gebe sich Lego gegenüber Fans und Händlern zu erfolgsverwöhnt.

Was Wieland Sulzer, der Vorsitzende des Bundesverbands des Spielwareneinzelhandels, bestätigt. „Die Zusammenarbeit mit anderen großen Firmen ist freundschaftlicher“, sagt der Unternehmer, der einen Spielwarenladen in Marburg betreibt. Es gebe viele Händler, die vom Auftreten und den einzuhaltenden Konditionen irritiert sind. Ins Detail wollen die Betroffenen nicht gehen.

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Immerhin steht Lego für viel Umsatz in ihren Geschäften. Auf stolze 17 Prozent ist der Marktanteil der Dänen hierzulande gestiegen, melden die Marktforscher von NPD Eurotoys. Damit liegen die Verbraucherumsätze in Deutschland bei 460 Millionen Euro, fast fünf Prozent mehr als im Vorjahr. 

Nur wäre wohl noch mehr möglich gewesen, wenn man sich stärker für die Käufer interessieren würde. Panke zufolge kommen viele Sets auf den Markt, die sich nicht gut verkaufen. Sets wie „Meine ersten Emotionen“ wurden um Weihnachten bei Discountern wie Lidl verramscht. Panke meint: „Es sind viel zu viele Sets am Markt, deren Sinn sich weder Händlern noch Fans erschließt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Welt.de.

Bild: Getty Images / Mark Nolan / Freier Fotograf