Patrick Wonsowitz mit Bluetooth-Auslöser in Maastricht

Die Generation Instagram lichtet sich gerne ab: beim Kniebeugen machen, beim Playback-Singen für den Tiktok-Kanal, beim Baden. In der Regel helfen klapprige Teleskopstangen, sogenannte Selfiesticks, beim Aufnehmen des Selbstporträts per Smartphone. 2014 schafften es die Armverlängerer sogar auf die Liste der „25 besten Innovationen“ des Jahres des US-Magazins Time. Mittlerweile fristen sie ein deutlich unglamouröseres Dasein, werden weltweit für wenig Geld in Souvenirläden verkauft und von Touristen zwischen Sydney und New York in die Luft gehalten. 

Rund fünf Jahre nach dem anfänglichen Hype will ein Student mit einer Abwandlung der Stange bei Selfie- und Smartphone-Liebhabern punkten. Patrick Wonsowitz vertreibt über sein Startup Breeeze.it den sogenannten Monkeystick, eine flexible Halterung, die sich um Äste, Fahrradlenker, Türklinken, Rückspiegel oder Handgelenke wickeln lassen soll. Wir haben mit Wonsowitz über sein Gadget gesprochen.

Patrick, man könnte vorwurfsvoll fragen: Braucht die Welt wirklich noch einen Selfiestick, noch ein Stück Plastik made in China?

Der Monkeystick ist kein typischer Selfiestick und erst Recht kein Stück Plastik aus China. Wir bieten Menschen ein Gadget, mit dem sie ihre schönsten Momente einfangen können. Zwar produzieren wir in Hongkong, aber der komplette Entwicklungs- und Designprozess läuft in Deutschland ab.

Machst du selbst gern Selfies?

Viele assoziieren mit Selfie das klassische Foto mit Duckface vor dem Badezimmerspiegel. Aber das Thema „Selbstporträt“ ist viel größer. Ich gehe zum Beispiel gerne ins Fitnessstudio oder zum Tennis. Bei beiden Sportarten ist die Technik enorm wichtig. Deshalb wollte ich Handyvideos aufnehmen, um zu prüfen, ob mein Rücken beim Kreuzheben gerade ist, und um meinen Aufschlag beim Tennis zu analysieren. Ich habe aber nichts gefunden, womit ich mein Handy auf allen möglichen Gegenständen positionieren konnte. Das hat mich angespornt, mir selbst eine Lösung zu überlegen.

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Du leitest eine Agentur für Online-Marketing und jetzt auch noch ein Selfiestick-Startup. Ist das neben dem Studium nicht etwas viel?

Teilweise musste die Uni schon mal hintenanstehen. Auf Vorlesungen konnte ich mich nicht immer zu 100 Prozent vorbereiten, und bei Klausuren habe ich teilweise schlechtere Noten in Kauf genommen. Aber es hat geklappt, auch im Auslandssemester in Singapur. Jetzt habe ich noch eine Klausur vor mir, dann bin ich mit dem Studium durch. Gegründet habe ich auch, weil ich mir mein komplettes Studium selbst finanzieren wollte: Miete, Studiengebühren, Lebenshaltungskosten, Auto und so weiter. Rückblickend würde ich es immer wieder so machen.

Youtuber und Instagrammer präsentieren euer Gadget auf ihren Kanälen. Bezahlt ihr sie dafür?

Nein. So möchten wir es auch beibehalten. Inzwischen kommen immer mehr Influencer auf uns zu, die den Stick testen wollen. Teilweise geben wir dafür kostenlose Muster raus, und unsere Tester teilen dann das Feedback auf ihren Kanälen.

Du sagst, dass ihr bislang circa 19.000 Stück verkauft habt. Wie viele davon habt ihr an Influencer verschenkt?

Das ist die reine Verkaufszahl.

Wie oft kann ich den Stick eigentlich biegen und knicken? Auf Amazon schreibt ein Kunde, dass er schon nach kurzer Zeit gebrochen sei.

Das war zu Beginn tatsächlich eine Schwäche unseres Produkts. Der Draht innen ist aus einem speziellen Aluminium-Magnesium-Gemisch. Anfangs hat das Mischverhältnis noch nicht gestimmt. Daher kam es ab und an zu Reklamationen. Wir haben aber daraus gelernt und grundlegende Anpassungen vorgenommen. Seitdem hat es keine Reklamationen wegen Bruchs mehr gegeben.

 

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Wie macht ihr auf euer Produkt aufmerksam?

Unser stärkster Marketingkanal ist Instagram. Hier schalten wir Werbung und bauen auch organisch unsere Community aus, zum Beispiel mit dem Hashtag #monkeystickmoments. Im September haben wir außerdem einen eigenen Stand auf der Glow in Berlin (Beauty-Messe, Anm. d. Red.) und hoffen, hier viele Menschen von unserem Produkt überzeugen zu können. 

Du bist 25. Andere Leute in deinem Alter gehen freitags auf die Straße, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Geschäftsmodelle wie deines, bei dem monatlich Tausende Plastik-Sticks von Hongkong nach Europa transportiert werden, sehen die Demonstranten kritisch. Wie stehst du dazu?

Grundsätzlich finde ich es toll, dass sich unsere Generation immer mehr für den Klimaschutz einsetzt. Mir ist aber aufgefallen, dass die Fronten oft so verhärtet sind, dass ein konstruktiver Dialog nicht möglich ist. Solange man allen Menschen entlang der Wertschöpfungskette einen Mehrwert bietet, spricht für mich nichts gegen internationale Handelsbeziehungen. Die Globalisierung ist doch der Grund, warum wir tolle Produkte wie das iPhone oder den neuen E-Scooter nutzen können.

Selfiesticks zu verkaufen ist aber schon ein eher kurzlebiges Geschäft, oder?

Die Zeit nach dem Selfie wird sicher kommen. Wir sind realistisch und wissen, wie rasant der Markt ist. Gerade ist die Nachfrage aber riesig, und wir werden sie bedienen, auch international. Ich werde die Zeit nutzen, um so viel aus diesem Projekt zu lernen wie möglich.

Und dann?

Über Folgeprodukte haben wir im Team schon gesprochen. Konkrete Pläne gibt es zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht.

  • Wonsowitz studiert International Business in Maastricht und steht mit zwei älteren Mitgesellschafter hinter der 2017 gegründeten Breeeze.it UG.
  • Ende 2018 trat er zusammen mit Influencer Marco Strecker (1,7 Millionen Follower auf Tiktok) in einer RTL-Erfindershow auf.
  • Seitdem habe das Startup circa 19.000 Produkte verkauft, sagt Wonsowitz, bei einem Stückpreis von knapp 25 Euro bislang also einen Umsatz von rund 473.000 Euro gemacht. Die Höhe der Gewinnmarge will der Gründer nicht veröffentlicht sehen.

Bild: Monkeystick