In ganz Deutschland stellen Firmen ihren Arbeitsbetrieb auf Homeoffice um. Gleichzeitig verzeichnen Streaming-Dienste wie Netflix Rekordzugriffe. Meldungen zu Überlastungen häufen sich.

Wer aktuell Tage und künftig wohl bald Wochen am Stück in der eigenen Wohnung verbringt, der flüchtet sich gerne in fremde Welten. Die sind auf Streamingportalen wie Netflix und Co. nur einen Klick entfernt – und entsprechend groß ist das Interesse an Filmen und Serien im Netz aktuell weltweit.

Generell hat die Internet-Nutzung zuletzt deutlich zugelegt: Der in Frankfurt basierte weltgrößte Internet-Knoten DE-CIX hat mitgeteilt, der durchschnittliche Datenverkehr sei zuletzt um zehn Prozent gewachsen. Verstopft nun Dauer-Serien-Konsum das Internet? Das hat sich jetzt auch die EU-Kommission gefragt und sich deshalb an den US-Streaminggiganten Netflix gewandt.

EU-Kommissar Thierry Breton sprach mit Netflix-Chef Reed Hastings über Wege, die Belastung zu senken, wie die Brüsseler Behörde am Mittwoch mitteilte. Dabei sei es unter anderem um die Idee gegangen, die Bildqualität bei starker Auslastung automatisch von HD- auf Standard-Auflösung runterzuschrauben. Die Kommission rief die Streamingplattformen insgesamt auf, mit Internet-Anbietern zusammenzuarbeiten und ihren Datendurchsatz anzupassen, um das Arbeiten von zu Hause aus nicht zu bremsen.

Doch noch ein ganz anderes Problem dürfte der Datenhunger aktuell befeuern: Auch wenn das Auto seit Tagen unbewegt vor der Tür steht, die Urlaubsreise storniert und das Licht gedimmt ist, dreht die Welt beim CO2-Ausstoß jetzt wohl erst richtig auf – gerade durch Streaming, das nun sogar schon die EU-Behörden beschäftigt.

„Stranger Things“ ist besonders klimaschädlich

Denn wie eine Studie des britischen Vergleichsportals „Save on Energy“ zeigt, stoßen Serienjunkies daheim keineswegs weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre, als wenn sie mit dem Auto ins Büro oder in den Urlaub fahren.

Lest auch

Das Portal schlüsselt für die zehn beliebtesten Netflix-Produktionen zwischen Oktober 2018 und September 2019 auf, wie viel CO2-Äquivalenten und Autokilometern die Millionen Streams beim US-Konzern entsprechen. Die Nutzerzahlen dafür stammen direkt von Netflix, die Umrechnung erfolgt auf Basis zweier Studien. So hatten US-Forscher aus Berkeley 2014 errechnet, dass eine halbe Stunde Streaming 0,2 Kilogramm Kohlendioxid verursacht. Seitdem ist die Infrastruktur wohl klimafreundlicher geworden, aber neuere Zahlen gibt es nicht. Die Stanford-Professorin Ines Azevedo kam zu dem Ergebnis, dass 30 Minuten innerstädtisches Autofahren 1,8 Kilogramm CO2 ausstoßen.

Es handelt sich dementsprechend um Schätzwerte, die allein den Konsum, nicht jedoch die Produktion der Serien einschließen. Das Ergebnis: Keine Serie wurde im untersuchten Zeitraum so oft abgerufen wie die dritte Staffel der Horror–Mystery-Serie „Stranger Things“. 64 Millionen Menschen wollten wissen, was das fiktive Schattenmonster in der Serienkleinstadt Hawkins als Nächstes vorhat – und sorgten damit für die Emission von 189 Millionen Tonnen Kohlendioxid oder entsprechend 677 Millionen Pkw-Kilometern.

Das ist eine enorme „Fahrleistung“ von der Couch aus – vor allem, wenn man sich bewusst macht, dass ein Deutscher mit dem Pkw im Schnitt 11.750 Kilometer pro Jahr zurücklegt, wie eine Studie des Vergleichsportals Check24 besagt. Beide Beobachtungen kombiniert, steht das Endergebnis, dass allein „Strangers Things“ den Daten zufolge so viel CO2 in die Atmosphäre bläst wie etwa 57.600 deutsche Autofahrer.

Auch Filme sorgen für viele Emissionen

Die auch in Deutschland beliebten Serien „You“ auf Rang drei und „Sex Education“ auf fünf trugen mit 428 beziehungsweise 378 Millionen umgerechneten Pkw-Kilometern ebenfalls einen großen Teil zum „Klimakiller Serien“ bei. Doch nicht nur manchmal tagelanger Serienkonsum lässt Netflix-Server und Rechenzentren glühen. Auch einen Film zu streamen, kann zur Klimasünde werden.

9 Netflix-Filme, die Gründer gesehen haben sollten

Das britische Portal listet auch die klimaschädlichsten, in diesem Fall also erfolgreichsten Filmproduktionen von Netflix auf. Mit Abstand auf Platz eins landet der Horrorthriller „Birdbox“. 80 Millionen Mal wurde die Postapokalypse abgerufen. Dieser eine Film sei „Save on Energy“ zufolge für 235 Millionen gefahrene Kilometer „verantwortlich“. Das entspricht 66.000 Tonnen CO2.

Auf Platz zwei folgt die Krimikomödie „Murder Mystery“ mit Jennifer Aniston und Adam Sandler. Dritter ist der Actionthriller „Tripple Frontier“ mit Ben Affleck. Der Konsum beider Filme entspricht jeweils rund 4000 Erdumrundungen mit dem Auto.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Netflix