Die Geschäftsführung der Nucom Group teilen sich die Co-CEOs Florian Tappeiner (links) und Claas van Delden

217 Minuten pro Tag – soviel Zeit verbringen die Deutschen durchschnittlich immer noch vor dem Fernseher. Doch bei den 14 bis 29-Jährigen waren es zuletzt nur noch 73 Minuten täglich. Den Nachwuchs scheint die Flimmerkiste also immer weniger abzuholen. Kein Verlass mehr auf die Cashcow lineares Fernsehen.

Der Privatsender Prosiebensat.1 setzt darum verstärkt auf Startup-Investments, um sich so weniger abhängig vom klassischen Fernsehgeschäft zu machen. Zumindest in Deutschland gibt es keine vergleichbaren Initiativen aus dem Privatfernsehen. Unter dem Dach der Nucom Group bündelt der Fernsehkonzern seit Anfang 2018 seine Mehrheitsbeteiligungen an E-Commerce-Unternehmen, die alle eigentlich schon keine richtigen Startups mehr sind. So wie etwa der Kosmetikversand Flaconi, die Vergleichsportale Verivox und billigermietwagen.de oder auch der Erotikhändler Amorelie. Um die frühphasigeren Unternehmen kümmert sich bei dem Sender wiederum die Tochterfirma Sevenventures, die aktuell unter anderem bei der Reinigungsplattform Helpling oder der Matratzenfirma Casper investiert ist.

„Wir fokussieren uns auf Unternehmen, die bereits etwas reifer und idealerweise schon profitabel sind und heben sie auf die nächste Stufe – also zum Beispiel von 100 auf 300 bis 500 Millionen Euro Umsatz“, erklärt der Co-CEO Florian Tappeiner das Investmentkonzept der Nucom Group. Die Beteiligungen der Gruppe haben vor allem eines gemeinsam: Sie richten sich alle an ein großes Publikum. „Die Firmen müssen Massenmärkte adressieren, denn unsere Medien sind Massenmedien“, sagt Claas van Delden, der sich mit Tappeiner die Geschäftsführung der Nucom teilt. 

Günstige Fernsehminuten und Markenaufbau 

Für die Firmen wiederum lohnt sich eine Beteiligung der Nucom einerseits aufgrund der Werbedeals. Die Gruppe sei selbst der größte Werbekunde von Prosiebensat.1, so Florian Tappeiner. Das bedeutet günstige Konditionen für ihre Startups. Aber die Gesellschafter helfen auch beim strategischen Markenaufbau der Unternehmen.

So wie bei der Erlebnisplattform Mydays. „Als wir Mydays gekauft haben, stand das damals für nichts“, erzählt van Delden im Gespräch mit Gründerszene. Man habe die Marke dann als Gegensatz zum anderen deutschen Gutscheinanbieter Jochen Schweizer entwickelt, der damals noch Wettbewerber war und heute selbst zum Portfolio gehört. Jochen Schweizer sei eher „Action, Adrenalin und Attacke“ gewesen, Mydays habe man deshalb als die weiblichere, softere Variante entwickelt.

Um das operative Geschäft kümmern sich in den Firmen nach wie vor die CEOs so wie aktuell noch Lea-Sophie Cramer bei Amorelie oder Thomas Faschian bei Flaconi. Über einen Firmenbeirat ist die Nucom aber an den strategischen Entscheidungen involviert.

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In den Beiräten sitzen auch externe Experten, bei Amorelie beispielsweise ist es die Geschäftsfrau Linda Dauriz, Ex-Managerin bei Hugo Boss. Dauriz war es, die den Kontakt zu Claire Midwood vermittelte. Die ehemalige Apple-Managerin Midwood wird nun die Nachfolge von Lea-Sophie Cramer als Amorelie-Chefin antreten.

US-Investor General Atlantic will von der Nucom starkes Wachstum sehen 

Kurz nach dem Start der Nucom beteiligt sich der US-amerikanische Investor General Atlantic (GA) für insgesamt 800 Millionen Euro mit damals 25,1 Prozent an der Gruppe. Mittlerweile hat GA seine Anteile auf insgesamt 28 Prozent erhöht. Das Investment sorgt für ein internationales Netzwerk und Renommee. Doch der amerikanische Geldgeber brachte auch ehrgeizige Ziele mit: In den nächsten Jahren will General Atlantic sein Geld verdreifacht sehen. Die Nucom peilt deshalb ein jährliches Wachstum von zehn bis 15 Prozent an. Ihr Jahresumsatz soll im Jahr 2023 zwei Milliarden betragen. Für das Jahr 2019 ist ein Umsatz von einer Milliarde geplant.

Um ihre hochgesteckten Ziele zu erreichen, ist die Nucom stets auf der Suche nach potenziellen Zukäufen. Einer der größten Deals seit dem Nucom-Start war die Übernahme des amerikanischen Datingsportals Eharmony durch Parship im Oktober 2018. Nun scheint die Beteiligungsgesellschaft eine weitere US-amerikanische Dating-App ins Auge gefasst zu haben, wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insider vermeldete. Der Münchner Investor soll aktuell eine mögliche Übernahme der Meet-Gruppe ausloten, zu der auch das Dresdner Startup Lovoo gehört. Ein Sprecher der Nucom Group wollte die Meldung auf Nachfrage von Gründerszene nicht kommentieren.

Aktuell sind die Münchner bei zehn Firmen beteiligt und decken damit insgesamt vier Geschäftsbereiche ab. Auch neue Bereiche schaue man sich immer wieder an, sagt van Delden. Als Beispiel nennt er den Bereich Education. Nur von Konkurrenzprodukten zu Google, Facebook oder Amazon lasse man die Finger, sagt er. Dass man da tendenziell schlechte Karten habe, hat er an der eigenen Haut erfahren müssen: Van Delden war mal in StudiVZ investiert.

Foto: Prosiebensat.1