Hier kann er sich das Lachen noch verkneifen: Facebook-Chef Mark Zuckerberg in Brüssel

An einer Stelle der Anhörung musste Mark Zuckerberg dann doch kurz auflachen: Als der letzte von einem Dutzend Europaabgeordneter vor ihm einleitend versprach, er werde sich „kurz fassen“.

Seit seinem Eintreffen zur Anhörung im Brüsseler EU-Parlament hatte Zuckerberg, seriös im anthrazitfarbenen Anzug statt grauem T-Shirt, eine konzentrierte, ernste Miene gewahrt. Doch diese Bemerkung fand der 34-Jährige Multimilliardär dann offenkundig doch zu spaßig, um sich weiter beherrschen zu können.

Politikern sagt man gern nach, dass sie lieber reden als zuhören. Und tatsächlich müssen sich die Vertreter des EU-Parlaments selbst an die Nase fassen, dass die mit großer Spannung erwartete Anhörung des Facebook-Chefs zur Farce wurde.

Vieles wurde einfach mehrfach gefragt

Denn von den eigentlich zur Verfügung stehenden 70 Minuten nutzten die Politiker 65, um selbst zu reden. Sie überhäuften den Gast aus dem Silicon Valley mit einem Berg an Fragen.

Besonders schlimm: Vieles wurde einfach mehrfach gefragt, Abstimmung zwischen den Politikern gab es nicht, ähnlich wie schon bei der Anhörung im US-Senat und im Washingtoner Kongress.

Und da das Schauspiel live im Internet übertragen wurde, wollte auch keiner klein beigeben und eine vorbereitete Frage wieder streichen, um sich kürzer zu fassen – ganz so wie bei Debatten im Straßburger Plenum.

Zuckerberg hätte all das beim besten Willen nicht ausführlich oder gar umfassend beantworten können, selbst wenn er zwei Stunden überzogen hätte. Das indes hatte der 34-Jährige auch gar nicht vor. Er gewährte genau 15 Minuten Nachspielzeit.

Dann deutete er nach einem kurzen Blick auf die Uhr souverän an, dass es nun langsam Zeit sei, zum Ende zu kommen. Da half aller Protest aus den Reihen der Abgeordneten nichts, die schnell noch versuchten, hier und da nachzuhaken.

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani blieb nichts anderes übrig, als auf „Flüge, die warten“ zu verweisen – als reise der amerikanische Milliardär per Linienflug weiter nach Paris zu Emmanuel Macron und nicht mit dem eigenen Jet.

Luftig, verallgemeinernd, teils phrasenhaft

Die Abgeordneten können nun darauf hoffen, dass sich wie versprochen irgendwelche Facebook-Mitarbeiter in den nächsten Tagen oder Wochen um ihren Fragenberg kümmern und eine schriftliche Antwort schicken.

Klar ist aber: Sollten es sich die Chefs der acht Fraktionen im Parlament und Vertreter des Justiz- und Innenausschusses vorgenommen haben, Mark Zuckerberg mit scharfen Fragen aus dem Konzept zu bringen, ist ihnen das an keiner Stelle gelungen.

Ganz im Gegenteil servierte ihnen der smarte Internet-Unternehmer eine gute Portion dessen, was Politiker Bürgern oder Journalisten gern selbst vorsetzen: Er antwortete luftig, oft verallgemeinernd, teils phrasenhaft, verwies ausführlich auf eigene Stärken und Leistungen, hielt dagegen Fehler und Missstände klein.

Wie ein Profi fasste Zuckerberg konkrete Einzelfragen in großen Komplexen zusammen, die diffus und luftig beantwortet werden können, etwa nach dem Thema Regulierung: Das sei etwas, das den Schutz der Privatsphäre sichern, aber auch nicht Innovation behindern dürfe. „Es ist ein Austausch, und wir freuen uns darauf“, sagte er. Wer’s glaubt.

Lest auch

Wie schon in Washington war auffällig, wie gut Zuckerberg vorbereitet war, vermutlich stundenlang trainiert von teuren PR-Profis, die wirklich ihr Geld wert sind. Wie schon vor dem US-Kongress machte er mit seinem schmalen, blassen Jungengesicht einen stillen, fast schüchternen Eindruck, als er kurz nach 18 Uhr im Parlament eintraf: wie ein Student, der zur Verteidigung seiner Doktorarbeit den hochverehrten Prüfern gegenüber tritt.

Doch zu diesem Zeitpunkt hatte der Facebook-Chef längst den Ton gesetzt für das Treffen. Er hatte nämlich seine wichtigsten Botschaften an die Parlamentsvertreter einfach vorab in die Medien sickern lassen.

Und so war schon bekannt, dass er in seinem Eingangsstatement zwar zugeben würde, Fehler gemacht habe zu haben, die er natürlich bedauere. Dass die Social-Media-Plattform aber auch sehr viel Gutes leiste, zum Beispiel nach Terrorattacken wie in Berlin, London und Paris, wo sich Menschen vernetzen und informieren konnten.

Und nicht zu vergessen: dass Facebook über 10.000 Jobs in Europa bietet und Millionen von Kleinunternehmen den Marktzugang ermöglicht – was wiederum zu Wachstum und Arbeitsplätzen führt.

Eine schärfere Regulierung wird gefordert

Nach langem Zögern hatte sich der 34-Jährige aus dem Silicon Valley überreden lassen, eine Einladung des EU-Parlaments anzunehmen. Zunächst hatte Zuckerberg seinen Chef-Lobbyisten Joel Kaplan vorschicken wollen, der schon hinter verschlossenen Türen im Deutschen Bundestag „mea culpa“ gerufen hatte.

Doch die Europaparlamentarier machten eindeutig klar: In Brüssel muss der Chef ran. Schließlich habe Facebook in der EU mehr Nutzer als in den USA.

Dass sein Unternehmen auch in der Alten Welt nicht an einem Kotau vorbeikommen würde, war dem Multimilliardär sicher schon länger klar, auch wenn von der Datenaffäre rund um die britische Cambridge Analytica offenbar nur 2,7 Millionen EU-Bürger betroffen waren, gegenüber 87 Millionen in den USA.

Aber das Thema Datensicherheit ist nun mal kurz vor Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Europa gerade in aller Munde. Außerdem sollen laut einem Whistleblower abgeschöpfte Facebook-Daten für die Kampagne der Brexit-Befürworter genutzt worden sein. Und dass Russland über Social Media Wahlen etwa in den USA zu beeinflussen versucht, ließ auch die EU aufschrecken.

Die Stimmen, die eine noch schärfere Regulierung für Facebook und andere Soziale Medien verlangen, werden daher gerade immer lauter.

Viele Passagen per „copy paste“ übernommen

Daher rückte Zuckerberg also doch noch persönlich an, und nach einigem Widerstand gab er schließlich auch die Zustimmung, dass das Treffen live übertragen werden kann. Dieses Mal war der Aufwand auch sehr viel geringer als in Washington, wo Zuckerberg Mitte April stundenlang von den Senatoren des Kongresses gegrillt worden war.

Denn viele Passagen waren per „copy paste“ einfach übernommen worden. Zum Beispiel: „Es ist in den letzten Jahren auch klar geworden, dass wir nicht genug getan haben, um zu verhindern, dass die Werkzeuge, die wir gebaut haben, Schaden anrichten.“ Oder: „Ob es falsche Nachrichten sind, ausländische Einmischung in Wahlen oder Entwickler, die Nutzerdaten missbrauchen: Wir haben uns nicht hinreichend um unsere Verantwortung gekümmert. Das war ein Fehler und es tut mir leid.“

Doch wenn Zuckerberg – wie schon in Washington – selbst bei kaum verhohlenen Attacken stets höflich und aufmerksam blieb: Den Schneid ließ er sich nicht abkaufen.

Die Frage des Liberalen Guy Verhofstadt, ob er sein Unternehmen noch im Griff habe, da er sich binnen eines Jahrzehnts 15 oder 16 Mal habe für Fehler entschuldigten müssen, ignorierte er einfach.

Ebenso wie die Bemerkung der linken Fraktionschefin Gabi Zimmer, ob es angesichts der Wahlmanipulationen, Hass-Botschaften und Fake-News auf der Plattform nicht „Zeit ist, den Stecker bei Facebook zu ziehen“. Aber mal ehrlich: Was sollte Mark Zuckerberg auf solche Fragen auch antworten?

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / JOHN THYS