Erst im September 2010 ist die Onlinedrogerie AllesAnna gestartet, nun musste das Unternehmen deutliche Entlassungen vornehmen. Über den genauen Umfang der Entlassungen gehen die verschiedenen Hinweise auseinander, AllesAnna selbst spricht von Einschnitten von 20 Prozent.

AllesAnna, Online-Drogerie, Massenentlassungen

Laut AllesAnna wurden 20 Prozent entlassen

Es sollen gleich mehrere Mitarbeiter sein, die bei AllesAnna (www.allesanna.de) gehen mussten. Wie viele dies genau waren, schwankt aber je nach Gesprächspartner. Während unbestätigte Informationen an Gründerszene herangetragen wurden, die von rund 80 Mitarbeitern und 64 Entlassungen sprechen, sagen Andere, dass 20 von 45 gehen mussten.

AllesAnna-Geschäftsführer Fabian-Carlos Guhl informierte Gründerszene über eine Entlassungsquote von 20 Prozent: „Im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen haben wir 20 Prozent entlassen. Ein Restrukturierungsprozess ist ein normaler Zyklus in jedem Unternehmen. Wir sind den Herausforderungen weiterhin gewachsen und auf Wachstum eingestellt.“ Guhl hält derzeit neun Prozent an AllesAnna, während Michael Brehm Hauptanteilseigner mit 44 Prozent ist.

Glaubt man dem Flurgeflüster des Marktes, soll AllesAnna aber auch kurz vor dem Abschluss einer Finanzierungsrunde stehen. Corporate Finance Partners soll derzeit versuchen, Geldgeber für AllesAnna zu akquirieren, was Gründerszene bisher aber nicht bestätigt kriegen konnte. Finanziell wurde das Team nun durch die Entlassungen sicher auch zurecht gerückt. Von den entlassenen Mitarbeitern sollen einige bereits bei Zalando (www.zalando.de), andere bei Rebate Networks (www.rebatenetworks.com) untergekommen sein.

AllesAnna geht einen schweren Markt an

Zugegebenermaßen ist der von AllesAnna anvisierte Drogeriemarkt im Internet auch sehr herausfordernd. Drogeriekäufer sind sehr preissensibel und große Marken wie dm oder Rossmann sehr präsent. Vor allem wird der stationäre Handel als Preismaßstab herangezogen, mit dem ein Onlineshop derzeit nicht wirklich konkurrieren kann. Erst ab einem Warenkorb von 50 Euro lohnt sich das Modell Onlinedrogerie, doch kauft praktisch kein Online-Nutzer in diesen Dimensionen ein. Allenfalls junge Eltern vermögen solche Abnahmemengen anzugehen, sodass es nicht verwunderlich ist, dass auch AllesAnna die Themen Windeln und Babies anvisiert haben soll.

Insgesamt scheint aber das gesamte Drogerie-Modell im Internet nicht so gut zu konvertieren. Hinzu kommt, dass ein direkt Beteiligter gegenüber Gründerszene zu verstehen gab, dass es AllesAnna teilweise nur vermochte, binnen acht Tagen zu liefern – ein Zeitraum, der für Kunden, die durch Amazon und Zalando verwöhnt sind, viel zu lang ist. Geschäftsführer Guhl teilte Gründerszene mit, dass es sich dabei aber nur um Startprobleme aufgrund eines mangelnden Bestandsabgleiches gehandelt haben soll, was nun behoben sei, sodass Lieferzeiten von zwei Tagen nun der Standard sein sollen.

Weiter heißt es von besagter direkter Quelle, dass die Usability des Shops sehr zu wünschen übrig gelassen hatte, auch weil das verwendete System Adyen einen sehr komplizierten Checkout-Prozess beinhaltet, bei dem technische Probleme wie fehlende Titel, falsche Bilder oder gelöschte Produkte, die erneut im Warenkorb auftauchten, das Arbeiten erschwerten.

Quasi zeitgleich zu AllesAnna war auch LisaLiefert gestartet, ebenfalls eine Online-Drogerie, die ihr Modell inzwischen gedreht hat. Mittlerweile nennt LisaLiefert (www.lisaliefert.de) sich Lucrato (www.lucrato.de) und fungiert nur noch als Preisvergleich für Drogerieartikel, bei dem Nutzer ganze Warenkörbe auf den günstigsten Anbieter hin betrachten können. Was genau es mit dem Drogeriemarkt auf sich hat, fragte Gründerszene erneut den Experten Christian Litsch.

Experte Christian Litsch zu Online-Drogerien

Aus gegebenem Anlass befragte Gründerszene erneut seinen Experten Christian Litsch zum Geschäftsmodell von AllesAnna. Christian Litsch war bis 2010 über mehrere Jahre in der Kosmetikbranche für Marken wie Kiehl’s, Giorgio Armani, Shu Uemura und Christian Dior international tätig. Heute arbeitet er als Manager Unternehmensentwicklung mit Schwerpunkt Brand-Management, Business-Development und E-Commerce für die Otto Group bei Heine in Karlsruhe und unterstützt und berät seit 2006 StartUps in Sachen Marketing und PR.

Christian, was sind die Schwierigkeiten am Modell von AllesAnna?

AllesAnna hatte sich auf das dünne Eis des deutschen Markt für Fast-Moving-Consumer-Goods (FMCG) getraut. Der Wind ist rau, der Wettbewerb hart und die Gewinnmarge sehr, sehr gering. Es ist kein Geheimnis, dass auf dem deutschen Konsumgütermarkt durch den starken Wettbewerb zwischen Discountern und großen Filialisten die Margen im Vergleich zum Ausland wie Frankreich oder den USA nur funktionieren können, wenn wirkliche Massen umgesetzt werden und onlineseitig sind wir hier im Drogeriebereich einfach zu weit davon entfernt.

Liegt evtl. nur schlechtes Timing vor oder hakt es am Modell selbst?

Als erste große Hürde sehe ich die wohl schlechteren Einkaufskonditionen wie Preise, Discounts und Jahresbonis von AllesAnna im Gegensatz zu Platzhirschen wie Schlecker, Rossmann & Co., die nochmals ordentlich auf die Gewinnmarge drücken, da man preislich mit dem Stationärhandel mindestens mithalten muss. Hier hätte man als Startup Einkaufsprofis von Mitbewerbern direkt abwerben müssen, die das Spiel mit der Industrie seit Jahren kennen und so durch ihr Verhandlungsgeschick, die gerade am Anfang kleineren Einkaufmengen preislich auffangen können.

Der zweite Stolperstein ist die versandkostenfreie Lieferung. Ein Traum jedes Onlineshoppers – aber gerade diese Kosten sind sehr schwierig durch die bereits geringen Gewinnmargen im FMCG-Markt wieder aufzufangen. Auch bin ich mir sicher, dass im Vergleich zu großen Versendern, ebenfalls die Konditionen bei den Paketlieferdiensten nicht gerade die besten sind. Man muss sich vorstellen, dass man einfach gerechnet allein bei nur durchschnittlichen 500 Versendungen pro Tag Versandkosten in Höhe von um die 90.000 Euro pro Monat anfallen, die ich erst einmal aus der winzigen Gewinnmarge on top finanzieren muss.

Der nächste weitere Knackpunkt an einem Modell wie AllesAnna ist die regionale Verfügbarkeit der Drogeriemärkte im Stationärhandel. Fast auf jedem Dorf findet man eine Schlecker-Filiale und selbst in kleineren Städten hat der Kampf zwischen dm, Rossmann und Müller und wie sie alle heißen bereits vor Jahren begonnen. Man sollte sich aber auch einmal die Abverkaufszahlen im Drogeriesortiment der Discounter anschauen. Wie man nun an der neuen Schlecker-Strategie erkennen kann, spielt ebenfalls immer mehr das Einkaufserlebnis im Markt vor Ort eine große Rolle. dm macht dies bereits seit Jahren erfolgreich vor. Wenn die Kundin nur schnell noch ein Deo benötigt, kommt sie sicherlich bei solch einer attraktiven Aufmachung mit einem gefüllten Körbchen an Crèmes, Zahnpasta und dann doch noch sicherheitshalber eine Flasche Weichspüler, Backpapier und Kaugummis aus dem Laden wieder heraus.

Wie siehst Du die Chance eines Drogerie-Markts im Netz?

Um ehrlich zu sein, hier ist wirklich nichts zu holen. Bei den Onlineshops von Schlecker & Co. könnte es deshalb nur funktionieren, da man als Online-Filiale direkten Zugriff auf ein bereits bestehendes und gut gefülltes Warehouse mit Produkten zu extrem günstigen Einkaufskonditionen hat und man so nur noch die Mehrfachverwertung onlineseitig fahren muss.

Als einen weiteren Risikofaktor für ein Startup wie AllesAnna sehe ich hier das Invest für Online-Marketing. Denn um ordentlichen Traffic auf den Shop zu ziehen und Bestellungen zu generieren, wird dies die ersten Jahre sehr teuer sein und die Refinanzierung über die bereits genannten sehr mageren Gewinnmargen im FMCG-Markt ist einfach nicht zu stemmen. Ein Schlecker kann hierzu noch einfach unter seine Printanzeigen und Handzettel den Stempel „schlecker.de“ drücken und muss dies nicht extra bezahlen.