Paketdienste beklagen sich darüber, dass ihnen Großkunden wie Amazon Tarife von weniger als zwei Euro je Paket in der bundesweiten Zustellung abtrotzen.

Ganz offensichtlich ist es keine gute Zeit, als Topmanager in einem Paketdienst zu arbeiten. Zumindest betrifft dies die Zustelldienste, die vor allem Privatadressen beliefern. Nach Informationen des Branchendienstes KEP-Meldungen muss Frank Rausch, der Deutschlandchef des Paketzustellers Hermes, seinen Posten abgeben. Zuvor hatte bereits der Vorstand der Deutschen Post für die Paketzustellung, Jürgen Gerdes, nach drei Jahrzehnten im Unternehmen seinen Job verloren. 

Die für verlässliche Informationen bekannten KEP-Meldungen vermelden, dass Hermes-Europachefin Carole Walker die Entscheidung getroffen habe. Als Begründung wird die schwache Geschäftsentwicklung genannt. Tatsächlich weist Hermes Deutschland für das vergangene Geschäftsjahr einen operativen Verlust aus. Auch die Ankündigung von Manager Rausch, zukünftig für Paketzustellungen an die Haustür einen Aufpreis von 50 Cent verlangen zu wollen, soll in der Führungsetage negativ aufgenommen worden sein.

Zudem habe die Kritik an den teilweise katastrophalen Arbeitsbedingungen der Paketzusteller mit mehreren Razzien bei Subunternehmern bei der Personalentscheidung eine Rolle gespielt. Erst am vergangenen Wochenende hatte ein WELT-Bericht äußerst fragwürdige Methoden der Geschäftsbeziehungen zwischen Hermes und den für das Unternehmen tätigen selbstständigen Speditionsunternehmern aufgedeckt. 

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Trotz der Unterschiede zwischen den Paketdiensten zeigen die Personalmaßnahmen doch auch Parallelen. Bei der Deutschen Post sah sich Konzernchef Frank Appel offenbar gezwungen, in das Geschäft der Brief- und Paketzustellung einzugreifen. Manager Gerdes musste gehen, Appel selbst verantwortet seither diesen wichtigsten Geschäftsbereich der Post. Das größte und zugleich zwischen der Post und Hermes gemeinsame Problem, das dahintersteckt, betrifft das Preisgebaren in der Branche. Verkürzt gesagt, schaffen es die Zustellunternehmen nicht mehr, mit den geringen Preisen am Markt noch Gewinne zu erzielen. Das gilt, auch wenn Zusteller wie die Deutsche Post und Hermes diese Paketpreise selbst zu verantworten haben.

Die untere Preisgrenze bei Paketdiensten erreicht

Seit Jahren schon klagen die Paketdienste darüber, dass ihnen Großkunden wie Amazon oder Zalando Tarife von weniger als zwei Euro je Paket in der bundesweiten Zustellung abtrotzen. Die Folgen sind eine geringe Bezahlung und stetig steigende Arbeitsbelastungen der Paketzusteller. Oftmals sind die Fahrer die Buhmänner der Nation, wenn sich Besteller bei den Onlineshops in den sozialen Medien über die Qualität der Paketzustellung auslassen.

Doch nun scheint eine Grenze erreicht zu sein: Aufgrund der guten Beschäftigung in Deutschland finden die Paketdienste kaum mehr Fahrer. Auf einen Mindestlohn von knapp unter neun Euro lassen sich zumindest in den Großstädten neue Bewerber nicht mehr ein.

In Städten wie München oder Düsseldorf ist die Bezahlung tatsächlich schon höher. Die Deutsche Post wiederum, die im Unterschied zu Hermes mit angestellten und nicht mit selbstständigen Fahrern arbeitet, musste in diesem und in den vergangenen Jahren kräftige Lohnerhöhungen akzeptieren.

Diese Entwicklung wird nun deutlich: In der Brief- und Paketzustellung ist der Anteil der Personalkosten mit 70 Prozent am gesamten Betriebsaufwand extrem hoch. Steigende Kosten für Mieten und Baukosten der Sortieranlagen kommen hinzu. Die Kalkulationen stimmen nicht mehr auf, die Geschäftszahlen sind im Sinkflug begriffen.

Weitergabe des Kostendrucks an Subunternehmer kaum mehr möglich

Auch die Arbeitsweise von Hermes, den Kostendruck an die Subunternehmer weiterzugeben, geht nicht mehr auf. Dies zeigen die häufigen Klagen der Beschäftigten über ihren Arbeitsalltag in den sozialen Medien ebenso wie die Kundenkritik über Fehler oder Unzuverlässigkeit in der Paketzustellung. 

Die Reaktion erfolgt bereits. So hat Postchef Appel angekündigt, die Versandpreise erhöhen zu wollen. Dies hatten Manager von Hermes mehrfach gefordert und auf den marktbeherrschenden Konkurrenten Deutsche Post verwiesen. Sollte es tatsächlich zu anderen Tarifen kommen, heißt das: Onlinebesteller werden dann wohl mehr Geld für die Paketzustellung bezahlen müssen.

Möglich ist es auch, dass die Rücksendungen, die Retouren, nicht mehr auf ewig für den Besteller kostenlos bleiben werden. Bei Textilien zum Beispiel geht jedes zweite Paket zurück an die Onlineshops – die wiederum ihren Kunden das teure Hobby der Anprobe zu Hause und der Retoure danach überhaupt erst antrainiert haben.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / Emanuele Cremaschi