Es muss nicht immer das „Valley“ sein: Von New York über London bis nach Tel Aviv, Sydney oder Sao Paulo entstehen weltweit Startups. Und natürlich in Berlin. In einem Ecosystem-Report haben Telefónica Digital und Startup Genome nun die Startup-Szene in den größten Gründer-Hochburgen untersucht. Berlin kommt dabei weltweit auf Platz 15. Viel Hype an der Spree also um nichts?

Startup Ecosystem Report

Startup-Hochburgen: Berlin knapp unter den Top 20

Es ist die nach eigenen Angaben weltgrößte Untersuchung von Standortfaktoren für Startups, die Telefónica Digital (www.telefonica.com) mit Startup Genome (blog.startupcompass.co) zusammen präsentiert haben. Um eine möglichst aussagekräftige Studie vorlegen zu können, so werben die Betreiber, wurden rund 50.000 Datensätze gesammelt. In der Auswertung kam heraus: Das Silicon Valley ist wenig überraschend weiterhin der bedeutendste Startup-Standort – und Berlin kommt derzeit weltweit an 15. Stelle von insgesamt 20 betrachteten Startup-Hochburgen. Bei vielen Hauptstädtern dürfe dieses Ergebnis sicherlich erst einmal für Ernüchterung sorgen.

Hier die Platzierungen der größten 20 Startup-Hochburgen im Einzelnen:

  1. Silicon Valley
  2. Tel Aviv
  3. Los Angeles
  4. Seattle
  5. New York City
  6. Boston
  7. London
  8. Toronto
  9. Vancouver
  10. Chicago
  11. Paris
  12. Sydney
  13. Sao Paulo
  14. Moskau
  15. Berlin
  16. Waterloo (Kanada)
  17. Singapur
  18. Melbourne
  19. Bangalore
  20. Santiago (Chile)

Das Berliner Ökosystem sei dabei das am meisten „gehypte“ der Welt. Betrachtet an nackten Zahlen habe die Hauptstadt 88 Prozent weniger Startups hervorgebracht als das Silicon Valley. Auffällig bei der Studie ist, dass sechs der ersten zehn Startup-Hochburgen in den USA angesiedelt sind. Weil die Berliner Szene noch nicht erwachsen genug sei, so die Studie weiter, müssten sich Entrepreneure nach London orientieren, sobald sie ihr Unternehmen über eine gewisse Größe hinaus skalieren wollen. Immerhin: Für hiesige Unternehmen ist es um elf Prozent wahrscheinlicher, sich direkt monetarisieren zu können.

Klaffende Finanzierungslücke

Insbesondere bei Finanzierungen sieht der Report eine große Lücke: In Berlin bekommen Startups, so die Studienergebnisse, im Vergleich zu ihren Artgenossen im Silicon Valley rund 80 Prozent weniger Kapital. Insbesondere die erste Anschlussfinanzierung komme dabei zu knapp, wobei sich Unternehmen vergleichsweise stark auf die Angebote von Banken verlassen, während Venture Capital und Accelerator-Programme noch eine recht untergeordnete Rolle spielen. Glücklicherweise ist Studien-Sponsor Telefónica mit seinem internationalen Accelerator Wayra mittlerweile auch hierzulande aktiv.

Dabei sind die Gründer obendrein noch stärker auf sich selbst gestellt: Laut Studie halten Berliner Jungunternehmer 45 Prozent weniger Unterstützung von Mentoren als ihre kalifornischen US-Kollegen. Die Jugend des Berliner Startup-Okösystems spiegelt sich dabei auch in der Anzahl der Wiederholungstäter wider: So gebe es 28 Prozent weniger „Serial Entrepreneurs“ als im Silicon Valley.

Fehlt es an Ehrgeiz?

Auch die Gründer selbst müssen höhere Ambitionen entwickeln, fordert der Startup-Genome-Report. Zwar nicht, was die eigene Motivation oder die Arbeitsstunden angeht. Dafür aber bei den Marktgrößen zeigten sie sich zu bescheiden: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Berliner Jungunternehmen in einen Ein- bis Zehn-Milliarden-Markt wage, sei schon zehn Prozent geringer als bei den US-Pendants, oberhalb dieser Grenze seien es sogar mehr als 50 Prozent. Zudem ständen bei Valley-Startups eher Massenmärkte als Ziele an, während sich Berliner Unternehmen viel häufiger kleinere Nischen suchten.

Auf den Spitzenplätzen kann Berlin den globalen Wettbewerber immerhin beim Bildungsgrad Contra geben: Stolze 86 Prozent haben laut Untersuchung einen Universitätsabschluss oder gar einen Doktortitel. Übertroffen wird das lediglich von Madrid mit 89 Prozent und Paris mit unglaublichen 96 Prozent. London wird in der Liste mit 75 Prozent und Moskau mit 69 Prozent auf niedrigeren Plätzen geführt. Einen Negativrekord schafft die Hauptstadt dabei beim Frauenanteil: Gerade einmal drei Prozent Gründerinnen bringen Berlin zusammen mit Madrid auf den letzten Platz, London kann immerhin neun Prozent junge Unternehmerinnen vorweisen.

Noch im Wachstum begriffen

Bei all dem sollte der Ecosystem-Report gebührend differenziert betrachtet werden –  nicht zuletzt schon deshalb, weil die Daten allein auf der Nutzung der Business-Intelligence-Software von Startup Genome beruhen. Dass Berlin nach Zahlen nicht mit dem viele Jahre älteren Startup-Hotspot Silicon Valley mithalten kann, liegt auf der Hand. Gleiches dürfte allerdings auch für das Gros der anderen Standorte gelten. Dass London und Tel Aviv im europäischen Dunstkreis ebenfalls starke Startup-Hochburgen sind, ist kein Geheimnis. Und doch dürfte es wenige Beobachter geben, die der Hauptstadt nicht ein gewisses Startup-Flair und damit auch ein anwachsendes langfristiges Potenzial bescheinigen würden.

Nicht von der Hand zu weisen ist dabei, dass tatsächlich noch deutliche Lücken im Berliner Okösystem klaffen. So sind etwa die in der Studie aufgezeigten Finanzierungslücken an einigen Stellen durchaus deutlich fühlbar, auch wenn immer mehr (insbesondere US-amerikanische beziehungsweise internationale) Geldgeber den Weg an die Spree finden um insbesondere in späteren Stadien auszubessern. Know-how, Gesetzgebung, Gründermentalität (und damit auch eine des möglichen Scheiterns) – all dies gilt es darüber hinaus weiter aufzubauen.

Angesichts einer gewissen Isolation der Startup-Szene müssen Politik und Wirtschaft noch besser begreifen, welche Bedeutung eine lebendige Startup-Kultur auch für die „Old Economy“ haben kann – und wie beide sich gegenseitig anspornen können. All dies wird man natürlich auch in den anderen Startup-Hochburgen immer besser verstehen. Es bahnt sich also ein gewisser Wettbewerb an, und der soll ja bekanntlich das Geschäft beleben.

Ob der Ecosystem-Report Berlin in einigen Jahren ein besseres Zeugnis ausstellen wird? Was meinen die Leser?

Bildmaterial: Thorsten Freyer / pixelio.de