Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf der Futurapolis in Toulouse
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf der Futurapolis in Toulouse

Der Auftritt von Peter Altmaier war gut gemeint. Nur eine Woche lag hinter seiner Vereidigung, da eilte der neue Wirtschaftsminister in den hippen Berliner Holzmarkt. Altmaier stieg auf die Bühne und eröffnete die Pitchnight der Digital-Hub-Initiative. Bei der Veranstaltung können Gründer Investoren von ihrer Idee überzeugen, das Wirtschaftsministerium hatte sie organisiert. Altmaier stand also zwischen Paletten-Möbeln und Industrie-Chic, dann sagte er: „Ich habe diese Initiative bis heute Mittag nicht gekannt.“ 

Natürlich: Der Satz war als Understatement gemeint. Als Botschaft, dass Altmaier das Thema bislang nicht auf dem Schirm hatte, jetzt aber mit voller Kraft angehen will. Es folgten leuchtende Sätze über Elon Musk, Estland und die digitale Revolution. Demut und Angriffslust zugleich: so geht die eine Lesart des Satzes. Genauso aber bringt er auf den Punkt, was in Deutschland in Sachen Digital-Politik noch immer falsch läuft: die fatale Fokussierung auf die Vergangenheit und auf das Jetzt.

Wenn in Deutschland über Digitalisierung geredet wird, geht es dabei fast immer um verpasste Chancen. Dann folgt das Versprechen, es jetzt aber endlich besser zu machen. Endlich für schnelles Internet zu sorgen, für flächendeckende Mobilfunkabdeckung und eine durchdachte Startup-Förderung. Worum es in der Diskussion fast nie geht, sind Themen, die in Zukunft nach vorne preschen werden. Themen, bei denen die Politik den Rahmen setzen muss. Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Mustererkennung: Solche Technologien kommen in der deutschen Debatte höchstens als inhaltsleere Phrasen vor.

Macron sinniert im Videochat über KI, Algorithmen und die Rolle der Politik

Dass es auch anders geht, konnte die Berliner Republik neulich bei ihren Kollegen in Paris beobachten. Da setzte sich Frankreichs Präsident Macron im Élysée-Palast vor einen Mac und erläuterte dem amerikanischen Wired-Journalisten per Videochat seine KI-Agenda fürs Land. 1,5 Milliarden Euro wolle er in den kommenden fünf Jahren für Startups, Forschung, und Unternehmensansiedlungen locker machen, verkündete Macron. Dann tauchte der Präsident in echte und spannende Gedanken über die Verantwortung von Algorithmen, über deren Auswirkungen auf Demokratie und die Rolle der Politik ab.

Macrons Vorstoß ist ein Lehrstück, wie Politik auf die anstehenden Disruptionen einwirken kann. Für Deutschland als Startup-Nährboden und Wirtschaftsstandort ist er auch eine Gefahr. Passend zur Initiative kündigten Samsung, Fujitsu, Deepmind, IBM und Microsoft an, KI-Labore in Frankreich aufzubauen. Facebook und Google sind bereits vor Ort.

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Die Bundesrepublik kann zwar mit soliden Forschungseinrichtungen wie dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), dem Karlsruher KIT oder den zuletzt angekündigten Zentren für maschinelles Lernen dagegenhalten. Gerade an der Verzahnung zwischen Forschung und Wirtschaft aber hapert es seit langem. Besserung? Kaum in Sicht.

Wo bleibt Altmaiers Chefin?

Im Koalitionsvertrag prahlt die Bundesregierung nun mit großen Worten: Weltspitze bei digitaler Infrastruktur, Hightech-Strategie, Arbeit 4.0. Außerdem soll ein deutsch-französisches KI-Kompetenzzentrum her. Genau das aber erwähnt Macron in seinem Wired-Interview mit keinem Wort. Wenn es sein muss, so die Botschaft, geht es auch ohne die Bundesrepublik.

Für Deutschland sollte das eine Warnung sein. Passt Berlin nicht auf, eilt der auserwählte KI-Partner bald alleine davon. Statt sich an den alten Debatten über Gigabit-Netze abzuarbeiten, muss die Regierung die Debatte jetzt endlich nach vorne drehen. Mit welchen Daten wollen wir Algorithmen füttern? Wer übernimmt Verantwortung für Künstliche Intelligenz? Wie pushen wir Startups, ohne Datensicherheit komplett aus den Augen zu verlieren. Solche Fragen müssen in die Diskussion.

Am Donnerstag besteht dazu die nächste Gelegenheit. Beim Startup Camp in Berlin tritt Peter Altmaier als Redner auf. Später will er auch Fragen der Gründerinnen und Gründer beantworten. Es ist die nächste schöne Geste des Wirtschaftsministers. Noch schöner wäre es, wenn er die vielen Worte bald mit Taten unterfüttert – und beim nächsten Mal auch seine Chefin mitbringt.

Bild: Getty Images / REMY GABALDA / Stringer