EyeEm Florian Meissner Instagram Flickr

Der Liebling wird zur Zielscheibe

Mit seinem Datenschutz-Debakel hat sich Instagram keine Freunde und im Falle des Berliner Unternehmens EyeEm einen mittlerweile ernstzunehmenden Konkurrenten gemacht. Trotz zahlreicher Richtigstellungen seitens des US-Unternehmens wird der Sachverhalt noch eine Weile am Foto-App-Unternehmen nagen. Denn nach den Usern erfreut sich auch die Presse an dem Thema, das besonders durch seine David-gegen-Goliath-Züge Spannung verheißt.

Das renommierte Wall Street Journal widmete dem Thema unlängst einen mehrseitigen Artikel und untersuchte den kometenhaften Aufstieg des deutschen Instagram-Mitbewerbers EyeEm, der vor dem Unglück der Konkurrenz trotz stetem Wachstums dennoch nur Mittelmaß war. So veröffentlicht das WSJ ein Gespräch mit EyeEm-Geschäftsführer Florian Meissner, der den raschen Nutzeranstieg des eigenen Unternehmens vor allem in den Aufrufen bedeutender Instagram-Nutzer zum Umstieg auf EyeEm sieht.

Auch das Technologie-Magazin T3n gibt momentan Tipps, um den Instagram-Wechsel zu EyeEm zu meistern und verlinkt ein Tool zum automatisierten Instagram-zu-EyeEm-Umzug und eine entsprechende ausführliche Anleitung.

Selbst der Spiegel beteiligte sich an der Debatte und veröffentlichte kürzlich Zahlen, die vom Web-Dienst AppStats erhoben wurden, und die Instagrams Nutzerzahlen auf die Hälfte geschrumpft sahen und seinen deutschen Mittbewerber damit vor den US-Anbieter katapultierte.

Instagram dementiert Nutzerabsprung, EyeEm wächst

Die Behauptung, dass Instagram großflächig Nutzer verloren habe, stellte sich allerdings kurzerhand als falsch heraus. AppStats selbst stellte den Sachverhalt richtig und merkte an, dass es sich bei seinen Zahlen lediglich auf die monatlich bei Facebook aktiven Nutzer bezog, während sich die offiziellen Instagram-Daten auf alle Nutzer, inklusive Mobile, beriefen.

Demnach sei Instagram so beliebt wie eh und je, was zwei Vermutungen nahe legt: Die migrierten Ex-Nutzer sind weiterhin bei Instagram aktiv und damit nicht exklusive EyeEm-Nutzer. In diesem Falle wäre der langfristige Erfolg für das deutsche Startup bei einem erneuten Umschwenk dieser Nutzer teilweise ungewiss. Vermutung zwei wäre, dass Instagram auch Nutzer als aktiv zählt, die lediglich die App installiert haben, diese aber nicht aktiv nutzen. Hier würde eine erneute Datenauswertung der nächsten Monate zur Aufklärung beitragen.

Das Wachstum von EyeEm jedenfalls ist so gut wie nie zuvor. Während vor dem Instagram-Debakel insgesamt „lediglich“ eine Million App-Downloads zu verzeichnen waren, was auf internationaler Ebene nicht ausreicht, um etwa im App-Store ganz oben mitzuspielen, sind es momentan nach Schätzung von Netzwertig etwa 50.000 Downloads täglich. Diese Menge an Downloads jedenfalls ist nötig, um in den App Store Top 25 der Free Downloads vertreten zu sein, so nimmt es der Tech-Blog an. Gegenüber WSJ spricht EyeEms Florian Meissner sogar von einer nicht näher genannten, aber deutlich höheren Zahl.

Beliner kämpfen mit Nutzeransturm

Mit dem Nutzeransturm kamen aber nicht nur die euphorische Berichterstattung, sondern auch wie zu erwarten lahmende Server und bekannte Instagram-Probleme wie das Bild-Spamming, dem Instagram-Nutzer mit dem Wechsel zu entfliehen versuchten. Der Menge an Kommentaren nach scheint die Datenschutz-Diskussion jedenfalls nur der letzte Auslöser gewesen zu sein, den Instagram-Nutzer benötigten, um auf eine Alternativ-Plattform, wie EyeEm, aufzuspringen.

In einem Post, mit dem das Berliner Unternehmen seine neuen, hauptsächlich aus den USA stammenden, Nutzer begrüßte, lesen sich vermehrt Antworten wie „Wenn ich Bilder von Teens sehen will, hätte ich auch bei Instagram bleiben können“. Momentan scheint EyeEm Probleme dieser Art allerdings in den Griff bekommen zu haben und auch die Server laufen wieder rund, was in Anbetracht des exponentiellen Nutzerwachstum eine starke Leistung ist.

Florian Meissner: Skalierung, Sprachen und Flickr

Auf Nachfrage von Gründerszene beurteilt Eyem-Geschäftsführer Florian Meissner die aktuelle Situation wenig überraschend als äußerst positiv. Trotz Nutzeransturms hat sich das Ziel der Berliner, „die beste App zu bauen und zu monetarisieren“, nicht geändert. Verändert hat sich dennoch einiges: So musste das Startup etwa von fünf auf 25 Amazon-Instanzen erhöhen und kämpft weiterhin mit der Skalierungssituation auf allen Ebenen. In der nächsten Woche soll die App darüber hinaus in 15 weiteren Sprachen gelauncht werden. Davon erhofft sich das Startup „ähnliche Effekte wie in den USA“.

In den Medien außer Acht gelassen wurde nach Meinung Meissners übrigens der Fotodienst-Konkurrent Flickr. Flickr launchte noch im Dezember eine überholte iPhone-Version und konnte so einen Großteil der Instagram-Nutzer abgreifen. Sehr zum Vorteil Eyeems, witzelt Florian Meissner, da die EyeEm-Server zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren Nutzer hätten aufnehmen können. Denn: Die Downloadzahl hatte sich allein von Oktober bis Weihnachten von einer auf zwei Millionen Downloads bereits verdoppelt.

Und das, so wiederholt Meissner, ohne einen Cent in Marketing gesteckt zu haben. „Das Wachstum ist organisch und viral und im Social Web reden die Leute mehr über EyeEm als über Flickr“, zitiert der EyeEm-Geschäftsführer den Social-Benchmarking-Dienst Topsy.

Die Zahlen bewegen sich momentan bei etwa 100.000 Downloads täglich und bestätigen damit die Schätzung von Netzwertig, da die Verteilung auf App Store und Google Play etwa gleich sei, was wiederum für ein organisches Wachstum spricht, so Meissner. Momentan scheint das Berliner App-Startup auch die Top-10 der Kategorie „Fotos und Videos“ im App Store halten zu können. Es bleibt spannend, wie sich der Markt, auch gerade mit der demnächst erscheinenden Flickr-App für Android, entwickeln wird.

Bild: EyeEm