Die Simfy-Gründer Christoph Lange und Steffen Wicker verlassen den Kölner Musik-Streamingdienst. Für Startups ist ein solcher Weggang zwar nicht unbedingt etwas ungewöhnliches. Und doch bleiben zur Zukunft des Unternehmens, das sich selbst für die Herausforderungen des harten Wettbewerbs gegen Anbieter wie Spotify, Deezer und möglicherweise bald Apple gut gewappnet sieht, einige Fragen offen.

Simfy Gründer Spotify

Gründer verlassen Simfy

Der Musik-Dienst Simfy (www.simfy.de) hat ein paar ruppige Monate hinter sich. Einerseits konnte man sich als erste Streaming-Plattform mit eigenem Gema-Abkommen etablieren, und wenn man den Zahlen glaubt, die Simfy-CEO Gerrit Schumann gegenüber Netzwertig nennt, hat sich das Kölner Unternehmen im Jahr 2012 auch recht ordentlich entwickelt: Demnach stieg der Umsatz um mehr als 400 Prozent, der Verlust wurde gleichzeitig um 85 Prozent verringert. Von einem Gewinn ist Simfy damit allerdings immer noch weit entfernt. Hoffnung besteht aus Sicht von Schumann trotzdem: Die Anzahl der (zahlenden) Abonnenten habe sich versechsfacht und die Kündigungsquote will man um 60 Prozent reduziert haben. Für das kommende Jahr bereite man sich mit neuen Mobil- und Desktop-Clients auf „massives Wachstum“ vor.

Auf der anderen Seite strauchelt Simfy schon seit längerem mit seinem Geschäftmodell. Das anfängliche Freemium-Angebot wurde bekanntlich längst wieder eingestellt – und auf dem stufenweisen Weg dahin so mancher Nutzer vergrätzt. Dass nun die Gründer Christoph Lange und Steffen Wicker Simfy verlassen, deutet zudem darauf hin, dass gegenüber dem bisherigen und dem neuen, noch nicht genannten Eigentümer Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Neuausrichtung von Simfy bestehen. Dass letztere kommen wird, deutet Schumann zwar an, konkrete Details nennt er aber nicht.

Harter Wettbewerb

Tatsächlich wird es in den kommenden Monaten schwierig werden, sich in dem hart umkämpften Markt zu behaupten. Zum einen hat der Simfy-Hauptkonkurrent Spotify (www.spotify.com) gerade erst einen attraktiven Deal mit der Deutschen Telekom angekündigt, der dem schwedischen Anbieter eine ganz erhebliche Reichweite beschert. Das französische Unternehmen Deezer (www.deezer.com) hat sich derweil mit 130 Millionen US-Dollar ebenfalls zum schlagfertigen Schwergewicht aufgemotzt. Aber auch ganz andere Anbieter entdecken das Segment: So hat etwa Microsoft gerade einen vergleichbaren Dienst angekündigt. Und sollte Apple ebenfalls einen Streaming-Dienst anbieten – gerüchtehalber sollen entsprechende Gespräche mit den großen Labels längst stattfinden –, würde insbesondere der immer stärker wachsende Mobil-Markt für andere Anbieter deutlich an Potenzial verlieren.

Insbesondere die GEMA spielt im Wettbewerb der Streaming-Dienste – zumindest hieruzlande – auch eine Rolle. Während Grooveshark den Forderungen der GEMA bereits erlegen ist, hatten vor allem offene Lizenzfragen den Start des vor sechs Jahren gegründeten Spotify in Deutschland verzögert. Dieser wurde erst durch eine Gebührenordnung der Musikverwertungsgesellschaft Gema und des IT-Fachverbands Bitkom aus dem Dezember 2011 möglich gemacht. Es bleibt aber ohnehin abzuwarten, ob auch der Druck auf die GEMA nicht perspektivisch zunehmen wird, nachdem die Einnahme-Kanäle der Major Labels immer mehr in Richtung online drehen.

Spotify hängt Simfy ab

Am Ende des Tages stellt sich der Wettbewerb zwischen den Musik-Streaming-Diensten schlichtweg als ein „Big-Boys-Game“ dar: Wer nicht ausreichend Kapital anzieht, verliert. Und es scheint, als wären diese Big Boys bereits definiert. Mit einem Gesamtfinanzierungsvolumen von 188 Millionen Euro bringt es Spotify auf gut das Sechsfache an Kapital wie Wettbewerber Simfy. Ähnlich sieht es auch beim französischen Konkurrenten Deezer aus, der wohl bereits das Zeitliche gesegnet hätte, wenn der russische Investor Len Blavatnik das Unternehmen nicht mit einem 130-Millionen Investment subventionieren würde.

Mit operativer Exzellenz ist gegen ein solches Ungleichgewicht nur schwerlich anzukommen – und Simfy verfügt ja de facto über eine ähnliche hohe Song-Anzahl wie seine Wettbewerber. Hat es Simfy also mit einer schwierigen Marktsituation zu tun, weil der deutsche Markt keine umfangreicheren Finanzierungen hergibt? Mitnichten.

Freilich machen dort, wo Simfy mit Geldgebern wie DuMont Venture, der NRW Bank und Earlybird vertreten ist, Investoren wie Accel Partners, Wellington Partners oder Founders Fund den schwedischen Wettbewerber attraktiver für US-Investments. Doch neben der strategischen Positionierung hatte Simfy lange auch Probleme seinen Cash-Cycle zum Laufen zu bringen. Während Spotify sehr früh erkannte, dass die Abspiel-Möglichkeiten auf mobilen Endgeräten zum wesentlichen Pro-Argument für Premium-Accounts werden würden, verpasste Simfy diesen Aspekt des Geschäftsmodells zu Beginn.

Es könnte also schließlich eine Mischung aus gut finanziertem Konkurrenten sowie strategischer Fehlplatzierung werden, die die Luft für Simfy in einem teuren Wettbewerb dünn werden lassen. Springen Teile des Gründerteams ab, gibt dies auch ein Bild des Innenlebens von Simfy ab – ebenso wie ein wesentlich aggressiver gestriktes Geschäftsmodell, bei dem nur noch die ersten zwei Monate kostenlos sind. In Verbindung mit dem Umstand, dass selbst ein Offliner wie Media Saturn den Kölner eine Absage in Sachen Finanzierung erteilt haben soll, kommen womöglich harte Zeiten auf Simfy zu.

Update 05.11.2012, 15.48 Uhr: Simfy-CEO Gerrit Schumann kommentiert gegenüber Gründerszene zu diesem Artikel:

Bzgl. Meinungsverschiedenheiten der scheidenden Gründer mit dem neuen Investor:

Da gibt es keinen Zusammenhang. Es handelt sich hierbei auch um einen Investor, keinen Käufer, der zum Eigentümer des Unternehmens wird. Es handelt sich hierbei im einen Minderheitsinvestment. Somit sitzen die derzeitigen simfy Gesellschafter weiter am Tisch und im Boot, wenn es um unternehmensstrategische Entscheidungen geht.

Bzgl. Weggang der Gründer:

Der Weggang von Christoph und Steffen hat wirklich nichts damit zu tun, dass es Meinungsverschiedenheiten mit dem neuen Investor gibt, sondern ist wie gesagt von langer Hand geplant, läuft absolut konstruktiv und harmonisch ab. Denn die beiden sind ja heute auch noch aktiv dabei und nicht Hals über Kopf weg.

 Bzgl. Marktsituation:

Zunächst ist völlig klar, dass wir deutlich mehr Wettbewerb haben als noch vor einem Jahr. Wir haben definitiv Fehler in der Vergangenheit gemacht, sind z.B. zu oft zu früh mit Apps oder Features an den Markt gegangen, bevor sie marktreif waren. Aber wir konnten auch jede Menge daraus lernen und konzentrieren uns deswegen nach intensiver Entwicklungszeit auf die nächste Generation von Apps. Wir konnten Stabilität und Performance aller Apps schon dieses Jahr deutlich steigern, indem wir unsere gesamte Plattform refaktoriert haben.

Dabei spielt die Größe der Finanzierung nicht die primäre Rolle – Produkt, Konzept, Service müssen stimmen. Ich sehe eine ganz lange Liste an Punkten, die noch gut gelöst werden müssen, damit Musikstreaming die Masse abholt. Viele Nutzer werden meiner Meinung nach noch gar nicht abgeholt, auch wenn ich mir alle anderen Marktteilnehmer anschaue. Und das haben uns die letzten drei Jahren aufgezeigt, wo jetzt die Reise hingehen muss. Sicherlich keine einfache Aufgabe für uns, aber auch eine enorme Chance. Denn wir haben viele treue Nutzer, einen steigenden Nutzungstrend und zum Beispiel unsere Kooperation mit Sonos zeigt auch ein zunehmend breiter werdendes Anwendungsfeld von simfy. Wir haben heute eine sehr gute Basis und unsere Produkte haben sich – größtenteils „unter der Haube“ – enorm weiter entwickelt. Den großen Quantensprung planen wir für das Frühjahr nächstes Jahr mit den neuen Apps.

 Bzgl. einer potenziellen Finanzierung durch Media Saturn:

Auch hier kann ich nochmal betonen, dass es sich hier um ein Gerücht handelt, was eindeutig nicht stimmt.

Bildmaterial: jurec / pixelio.de