Von Spielsachen bis multilinguales SEO, von Rabattmarken bis Dokumentenverschlüsselung – die Bandbreite der pitchenden Startups war groß. Gewonnen hat am Ende Squadmail, das für Ordnung in der Inbox sorgen will und damit durchaus einen Nerv aller digital Schaffenden treffen könnte. Ein Bericht von der NEXT in Berlin.

Squadmail: wie Dropbox für Emails

Gewinner des Startup-Pitchings der NEXT in Berlin ist Squadmail (www.squadmail.com). Die Jury bestehend aus sechs Experten entschied sich für den Email-Sortierer, weil das Jungunternehmen einen Nerv getroffen habe: „Wenn es wirklich funktioniert, ist Squadmail eine elegante Lösung für ein weit verbreitetes Alltagsproblem“, kommentiert Jörg Rheinbold, Juror beim Pitching und Geschäftsführer beim Frühphasenfinanzierer M10 Partners (www.m10-partners.com), die Entscheidung gegenüber Gründerszene. Nun soll, zumindest für ihn, eine Tech-Dilligence folgen um zu prüfen, ob die technische Umsetzung hohen Anforderungen stand hält und wie nützlich sich das Tool in der Praxis letztendlich erweist.

Squadmail soll sich der tagtäglichen Email-Flut widmen: Unzählige Antworten von mehreren zu einer Nachricht und projektspezifische Emails, die den Posteingangsordner zum überlaufen bringen. Dazu legt die Software Unterordner an, deren Inhalt mit jedem anderen E-Mailkonto teilen und synchronisiert diese regelmäßig. Jeder Ordner kann zudem über eine eigene Adresse erreicht werden. Der besondere Charme der Lösung liege darin, sagt Philipp Mayer, einer der Squadmail-Gründer, dass keinerlei zusätzliche Software benötigt werde und Squadmail mit jedem Imap-fähigen Mail-Dienst genutzt werden könne – von Apple Mail über Thunderbird und Google Mail bis hin zu Outlook.

Großer Wettbewerb beim Pitching

Einfach sei die Entscheidung allerdings nicht gefallen. Lediglich eine Stimme, so betont Juror Peter Borchers von der Deutschen Telekom, habe letztendlich die Entscheidung für Squadmail gebracht – von insgesamt 30 abgegebenen Voten. Als Gewinn des Pitchings dürfen sich die drei Gründer Benjamin Eckart, Jan Brunnert und Philipp Mayer erst einmal über Hilfe bei Marketing, Mentoring und Texting freuen. Einen Gegenwert von 10.000 Euro soll die Unterstützung laut Christian Renner von der Telekom haben, die Leistungen werden über den jüngst angekündigten Inkubator Hub:raum bereit stellt.

Für Squadmail selbst steht jetzt eine neue Finanzierungsrunde an. Bis August ist das Berliner Startup von noch über das Program Exist mit Kapital ausgestattet. Bis dahin soll nun ein neuer Geldgeber gefunden werden. Neben dem nun dazugewonnenen Renommee kann das junge Unternehmen dabei auch mit der Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und der Europäischen Union werben und auf mittlerweile rund 500 teils namhafte Kunden verweisen.

Zwölf Startups pitchen um das Wohlwollen der Jury

Die Bandbreite der Teilnehmer beim Startup-Pitch auf der NEXT in Berlin war bemerkenswert groß. Ein Schwerpunkt waren dabei E-Commerce-Angebote: Meine Spielzeugkiste (www.meinespielzeugkiste.de) vermietet nach Lernzielen sortiertes Spielzeug für eine monatliche Gebühr, 10 Stamps (www.10stamps.de) will die Rabattprogramme in kleinen Cafés, dem Burger-Laden, beim Friseur und im Mini-Laden auf das Mobiltelefon bringen und Kjero (www.kjero.com) will zur Produktvermarktung Kunden nicht mit Werbeprospekten sondern den Produkten selbst versorgen.

Die Mehrheit der angepriesenen Dienste widmete sich dennoch reinen Internet-Themen, was für eine Veranstaltung im Rahmen der Berlin Web Week auch kaum verwunderlich sein dürfte. Mark the Globe (www.marktheglobe.com) will SEO mehrsprachig umsetzen, Slidemotion aus Facebook-Bildern per Click Videos machen, Bee FM (www.beefm.com) Musik über soziale Netze verteilen, Eyequest (www.eyequest.de) Bilder von Nutzern an bestimmten Orten anfordern.

Der vielleicht größte Fokus aber lag auf Tools für digital Natives: Refinder (www.getrefinder.com) soll Dokumente aus verschiedenen Cloud-Diensten zusammen bringen, Fileee (www.fileee.com) die Ablage von Papierdokumenten digitalisieren, BoxCryptor (www.boxcryptor.com) für die Sicherheit von Dropbox- und Google Drive-Dokumenten sorgen und Flakka (www.flakka.com) Inhalte als P2P-Dienst auf mehreren Geräten darstellen. Auch der Gewinner Squadmail fällt in diese Kategorie.

Unterschiedliche Bedenken bei den Geschäftsmodellen

Die Bedenken der Jury, die die Konzepte auf Vermarktbarkeit zu prüfen hatte, gingen dabei in viele Richtungen. Standen bei Eyequest zum Beispiel mögliche Probleme beim Aufbau der eigenen Probleme im Vordergrund, war es bei Flakka die Frage, wie leicht sich das Modell von bereits bestehenden Unternehmen mit ähnlichen Angeboten kopieren ließe. Kann Meine Spielzeugkiste die Toys wirklich mehrfach an Kinder vermieten, ohne dass die Spielsachen zerstört werden? Wie sieht es bei Fileee mit der Datensicherheit aus – und dem Willen der Nutzer, wichtige Dokumente von Dritten digitalisieren zu lassen und dann auf fremden Speicherplatz abzulegen?

Letztendlich waren die Pitches aber ein Beleg dafür, dass die Gründerszene in Deutschland und Österreich, das bemerkenswert oft vertreten zu sein schien, lebendig ist und gute Möglichkeiten für Investoren bietet. Boxcryptor etwa konnte guten Argumenten in Punkto Privatsphäre aufwarten und sich ebenfalls gegen die Bedenken der Jury wehren, dass Dropbox selbst einen entsprechenden Dienst einführen könnte (weil dies für das Unternehmen aus dem Valley zum einen deutlich mehr Speicherbedarf bedeuten und die von den US-Behörden verlangte Möglichkeit des Zugriffs unmöglich machen würde). Mit Andrea Wittek wurde Boxcryptor übrigens als einziges der vorgestellten Projekte von einer Frau gepitcht.

Bild: Alex Hofmann