Auch das Nebenan.de-Team von Christian Vollmann arbeitet in der Corona-Krise vom Home Office aus.

Dieser Artikel erschien zuerst am 24. März 2020. Weil er besonders viele Leserinnen und Leser interessierte, veröffentlichen wir ihn an dieser Stelle erneut. 

Christian Vollmann (42) arbeitete schon während seines Studiums an der Business-Hochschule WHU für das Unternehmen Alando von Oliver Samwer. Er war an den Gründungen von E-Darling oder Myvideo beteiligt. Heute leitet er das von ihm gestartete Nachbarschaftsnetzwerk Nebenan.de. Vollmann ist zudem Business Angel, investiert also sein privates Geld in Startups und unterstützt deren Gründer mit seinem Wissen. Er hat nach eigenen Angaben in mehr als 75 Startups investiert, darunter Researchgate, Sumup, Airhelp, Plusdental, Lehrermarktplatz, Doozer oder LegalOS. Bei rund 35 davon ist er als Geldgeber aktuell aktiv, viele davon suchen in der Corona-Krise seinen Rat. Für Gründerszene hat er seine Tipps für Unternehmerinnen und Unternehmer aufgeschrieben:

Was wir gerade erleben, ist eine Jahrhundertkrise. Der „perfekte Sturm“. Als jemand, der mit der Internet-Bubble 2001 und der Finanzkrise 2008 schon zwei Krisen als Gründer mit- und überlebt hat (ich weiß, Opa erzählt vom Krieg…) rate ich Gründerinnen und Gründern jetzt Folgendes:

1. Don’t panic 

Panik ist ein schlechter Ratgeber. Angst lähmt und macht entscheidungsunfähig. Es ist jetzt wichtiger denn je, einen kühlen Kopf zu bewahren.

2. Macht einen Plan

Analysiert die Situation und macht euch einen dreistufigen Plan. Welche Sofortmaßnahmen müsst ihr unverzüglich umsetzen? Was macht ihr mittelfristig, also in zwei oder mehr Monaten? Und wie nutzt ihr langfristig die Chancen, die in jeder Krise stecken? Die gute Nachricht: Bisher ging es noch nach jeder Krise auch wieder aufwärts. Diese Krise wird wie ein Brandbeschleuniger für die Digitalisierung in vielen Bereichen wirken, beispielsweise bei Education, Healthcare, Remote Work, E-Government und vielen weiteren. Die schlechte Nachricht: Niemand kann aktuell wissen, wann das genau sein wird.

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3. Zeigt Führung

Eure Mitarbeiter schauen jetzt auf Euch. Sie erwarten zurecht Führung in diesen unruhigen Zeiten. Trefft klare Entscheidungen und setzt sie konsequent um. Setzt einen Krisenstab ein, installiert einen „War-Room“, schaltet um auf Krisenmodus.

4. Nutzt die Gunst der Stunde

Nichts geht über eine Krise, um ungeahnte Ausmaße an Energie, Motivation, Kreativität, Pragmatismus und Lösungsorientierung im Team freizusetzen. Nutzt die Potenziale. Get. Shit. Done.

5. Kommuniziert in alle Himmelsrichtungen. Und viel!

Kommuniziert euren Plan mit allen Stakeholdern (Mitarbeiter, Investoren, Kunden, Lieferanten, Partner etc.) und holt alle mit ins Boot. Wiederholt die Top-Prioritäten immer und immer wieder. Nur gemeinsam kann es funktionieren.

6. Cash is King

Wenn euer Kontostand unter Null geht, hilft euch der beste Net Promoter Score nicht. Das einzige, was jetzt kurzfristig zählt, ist hartes Geld. Das heißt, ihr müsst jetzt in Liquidität denken: wann verlässt Geld euer Konto und wie könnt ihr dies ganz verhindern oder zumindest im Betrag reduzieren und/oder den Zeitpunkt rauszögern? Wann treffen Zahlungen auf eurem Konto ein und wie könnt ihr diese maximieren und zeitlich vorziehen? Sprecht mit euren Kunden, sprecht mit euren Lieferanten, eurem Vermieter und so weiter. Bietet neue Dienste oder Produkte an. Verkauft Gutscheine, denn das gibt euch heute Liquidität und lässt die Kosten erst später entstehen.

7. Schneidet schnell und tief – aber an der richtigen Stelle

Viele Startups werden nur eine Überlebenschance haben, wenn sie jetzt Einschnitte vornehmen. Sparmaßnahmen und Entlassungen tun weh, aber es ist immer noch besser, einen Arm zu verlieren, als die gesamte Existenz. Ihr müsst jetzt das tun, was notwendig ist. Schneidet lieber frühzeitig, nur einmal und tief, als es in Salami-Taktik zu tun.

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Die besten Gründerinnen und Gründer antizipieren den Rebound und sparen nicht – oder weniger – an Kernfunktionen, die notwendig sind, um den Rebound voll mitzunehmen und Marktanteile zu gewinnen. Also nicht pauschal alles über einen Kamm scheren, sondern intelligent und umsichtig vorgehen.

Kurzarbeit ist dabei besser als Kündigungen. Doch Achtung: Kurzarbeit funktioniert nur für Startups, die noch mehr als vier Monate Runway haben, weil man dabei die Löhne zunächst selbst ausbezahlen muss und diese erst Monate später von der Arbeitsagentur zurückerstattet bekommt.

8. Fragt nach Hilfe und unterstützt euch gegenseitig

Solidarität ist jetzt wichtiger denn je. Wir sehen gerade eine unglaubliche Welle der Solidarität unter Gründerinnen und Gründer im Bundesverband Deutsche Startups. So haben zum Beispiel alle dabei geholfen, eine Linksammlung mit Best Practices in der Krise zusammenzustellen. Auch unter Business Angels im Business Angel Netzwerk Deutschland wird sich geholfen, was das Zeug hält. Das ist für mich quasi die Nachricht in dieser schweren Zeit: Eine Krise kann das Beste aus uns als Mensch, aus uns als Gesellschaft herausholen. Nutzt diese positive Kraft. Traut euch, nach Hilfe zu fragen. Ihr seid damit nicht allein. So wie euch geht es derzeit unzähligen anderen Gründerinnen und Gründer überall auf der Welt. Wenn ihr könnt, unterstützt andere. Sie werden es euch nach der Krise danken.

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9. Verlasst euch nicht auf den Staat

Niemand weiß, wann Hilfe kommt und wie sie genau aussehen wird. Vielleicht werdet ihr positiv überrascht, wenn etwas für euch dabei ist, aber rechnet nicht damit.

10. Denkt auch an euch selbst

Die Welt wird sich weiterdrehen. Sie wird anders aussehen, aber sie dreht sich weiter. Tut alles, was ihr könnt – aber wenn das nicht genug ist, dann ist das so. Es gibt Wichtigeres im Leben. Ihr dürft eure mentale Gesundheit nicht aus den Augen verlieren. Bleibt in Kontakt mit eurer Familie, euren Freunden, euren Liebsten. Stay safe!

Bild: Nebenan.de