Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)

Die Buzzwords stimmen. „The winner takes it all“-Märkte, digitale Plattformen, Netzwerkeffekte. Wenn Peter Altmaier der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit solchen Worten erzählt, er wolle die Macht von Internetkonzernen beschneiden, dann lässt das jedenfalls aufhorchen. Was der Bundeswirtschaftsminister im Sinn hat: Vor allem deutlich früher mit der Kontrolle anzufangen.

Gerade bei Tech-Unternehmen hat der CDU-Mann nämlich beobachtet, dass sich aggressives Verhalten in frühen Phasen gerne zu marktbeherrschenden Stellungen entwickelt. Dabei solle sich laut Altmaier doch besser das für den Verbraucher beste Unternehmen im freien Wettbewerb durchsetzen können. Deshalb müssten Kartellbehörden künftig bereits eingreifen können, so der Bundeswirtschaftsminister, wenn ein Unternehmen „mit unfairen Mitteln auf dem Weg zur Marktbeherrschung“ ist. So weit kann man den Minister-Gedanken gut folgen, auch wenn er nicht ausführt, was aus seiner Sicht unfair wäre.

Der Vorstoß von Altmaier kommt nicht ohne Grund genau jetzt. Morgen wird eine Ökonomen-Studie vorgestellt, die ein Team um den ehemaligen Vorsitzenden der Monopolkommission Justus Haucap erarbeitet hat. Aus dieser Studie stammt auch die Erkenntnis, dass Aufsichtsbehörden bislang erst zu spät eingreifen können – zumindest wenn es um schnell wachsende digitale Geschäftsmodelle geht. Man denke an das gebrochene Versprechen Facebooks, keinen Datenaustausch mit der Tochter Whatsapp durchzuführen. Und die lächerliche Strafe, die der Tech-Konzern dafür zu bezahlen hatte.

Dabei könnte eine zu frühe Einmischung der Kartellämter aber auch erheblichen Schaden anrichten. Sollte es schwieriger werden, dass Internetkonzerne erfolgversprechende Startups aufkaufen, dann würde ein wichtiger Exit-Kanal verloren gehen. Vor allem, wo gerade digitale Jungunternehmen aus Deutschland immer stärker auf dem Radar finanzstarker Tech-Größen auftauchen – man denke nur an die Übernahmen von Freeletics aus München, Trivago aus Düsseldorf oder der 6Wunderkinder aus Berlin. Auch wenn keines dieser Startups – heute – seinen Markt beherrschen oder beim neuen Eigentümer einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten mag – für viele Gründer und Investoren ist die Perspektive wichtig: Große Exits bringen Geld in die Szene, die Gründer können auf Basis ihres Erfolgs mutiger sein und größere Ziele verfolgen.

Ohnehin fällt es schwer, sich bei europäischen Behörden die Weitsicht vorzustellen, früh eine marktbeherrschende Stellung abzusehen, wie sie zum Beispiel Facebook mit seinen Tochterunternehmen vorgeworfen wird: Als das soziale Netzwerk Instagram im Jahr 2012 für eine Milliarde Dollar übernahm, hatte das Foto-App-Startup 13 Mitarbeiter und 30 Millionen Nutzer weltweit. Heute sind es mehr als 500 Mitarbeiter und eine Milliarde Nutzer. Mit welcher Begründung hätte man die Übernahme vor sechs Jahren verbieten wollen? 

Davon abgesehen: Wie sollen deutsche oder selbst europäische Behörden zum Vorteil der Kunden wirksam gegen unfairen Wettbewerb etwa zwischen zwei US-Firmen vorgehen? Auf der anderen Seite des Atlantiks ist eine vergleichbare Regelung schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil größer gedacht wird: Man will sich im globalen Wettbewerb lieber nicht allzu sehr regulatorisch beschränken. In Europa glaubt man stattdessen, dass nur die Wettbewerbsbehörden den Konkurrenzkampf beleben können, wie Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und Vorsitzender der Monopolkommission flankierend zum Statement des Bundeswirtschaftsministers in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schreibt.

Vor diesem Hintergrund wirkt der Vorstoß Peter Altmaiers wie ein förmliches Eingeständnis einseitiger Abhängigkeit von US-amerikanischen oder asiatischen Tech-Giganten. Weil Europa diesen keinen „eigenen“ Wettbewerber entgegenzusetzen hat, dennoch aber auf ihre Dienste nicht verzichten will (und kann), muss der Gesetzgeber eingreifen. Dass das im internationalen Rennen um die digitale Vormacht helfen wird, ist trotz immer höherer Milliarden-Strafen wie der gegen Google unwahrscheinlich. Vor allem, wenn gleichzeitig hiesigen Unternehmen wichtige Perspektiven genommen werden.

Bild: OMER MESSINGER / Gettyimages