Ein Fachbeitrag von Markus Kaulartz, Anwalt für IT-Recht bei CMS Deutschland

Das Kammergericht Berlin hat entschieden, dass Bitcoins keine Finanzinstrumente sind, also nicht unter die Vorschriften des sogenannten Kreditwesengesetzes (KWG) fallen. Setzt sich diese Rechtsprechung durch, ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die große Verliererin, denn die Behörde müsste in diesem Fall bei Geschäftsmodellen mit Bezug zu Bitcoins nicht mehr um Erlaubnis gefragt werden.

Was ist passiert? Das Kammergericht verhandelte in dritter Instanz den Fall eines Betreibers einer Bitcoin-Handelsplattform. Dieser besaß keine Erlaubnis der BaFin gemäß KWG. Deshalb hatte ihn das Amtsgericht Berlin Tiergarten in erster Instanz gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 KWG zu einer Geldstrafe verurteilt. Die zweite Instanz, das Landgericht Berlin, hatte den Angeklagten auf dessen Berufung hin allerdings freigesprochen. Das Kammergericht als nächsthöhere Instanz hat diesen Freispruch mit seinem Urteil vom 25. September 2018 bestätigt und nun detailliert begründet, warum Bitcoins nicht unter das Regelwerk des KWG fallen: Es handle sich bei Bitcoins schlicht nicht um sogenannte Finanzinstrumente. An diesen Begriff knüpfen jedoch viele Erlaubnistatbestände des KWG an.

Die Entscheidung steht insbesondere im Widerspruch zur bisherigen Auffassung der BaFin. In einem ihrer Merkblätter bekräftigte die Behörde bislang, dass es sich bei Bitcoins um sogenannte Rechnungseinheiten und damit um Finanzinstrumente handele. Auffällig an der Entscheidung des Gerichts ist nun, mit welch deutlichen Worten es sich der BaFin in den Weg stellt:

„Soweit die BaFin die Ansicht vertritt, es handele sich bei Bitcoins um eine Komplementärwährung, die unter den Begriff Rechnungseinheit zu fassen ist, verkennt sie, dass es nicht Aufgabe der Bundesbehörden ist, rechtsgestaltend (insbesondere) in Strafgesetze einzugreifen.“

– Kammergericht Berlin

Mit anderen Worten: Die BaFin hat – nach Ansicht des KG Berlin – mit ihrer bisherigen Vorgehensweise ihre Kompetenzen überschritten.

Fast schon belehrend führen die Richter weiter aus, dass die BaFin zwar eine allgemeine Missstandsaufsicht und Anordnungskompetenz innehabe. Deren Ziel sei jedoch allein die vorbeugende Gefahrenabwehr für das Kredit- und Finanzdienstleistungswesen. Die BaFin habe keine Kompetenz, den Anwendungsbereich von strafrechtlichen Normen zu erweitern, indem sie die Voraussetzungen für das Vorliegen erlaubnispflichtiger Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen extensiv auslege. Die Behörde überspanne mit ihrer Auffassung den ihr zugewiesenen Aufgabenbereich, der insbesondere nicht darin liege, Gesetzeslücken zu schließen. Hier müsse der Gesetzgeber tätig werden.

Inhaltlich begründete das Gericht seine Entscheidung damit, dass Bitcoins keinen Wert hätten und kein Geldzahlungsmittel im klassischen Sinne seien. Insbesondere seien sie nicht gesetzlich anerkannt. Sie könnten damit nicht mit Devisen gleichgestellt werden, was aber notwendig wäre, um sie als Rechnungseinheiten und damit Finanzinstrumente zu qualifizieren.

Sind jetzt auch andere Token unreguliert?

Diese Begründung ist nachvollziehbar und würde für sich genommen dazu führen, dass auch andere Token nicht reguliert sind. Ob das wirklich so ist, wird man aber nur im Einzelfall bewerten können. Der Grund ist, dass das Kammergericht an anderer Stelle ausführt, dass es bei Bitcoins an einer übergeordneten und bestimmbaren Person fehle, die auf die Verteilung der Bitcoins Einfluss nehmen könnte, insbesondere würden sie nicht durch einen Emittenten ausgegeben werden. Das ist bei Bitcoins auch korrekt, bei Currency und Utility Token aber häufig nicht. Hier sollte man daher vorsichtig sein und die konkrete Implementierung bewerten, bevor man sich auf die Ansicht der Berliner Richter beruft. Security Token, die also Wertpapiere oder Vermögensanlagen verkörpern sollen, sind von der Entscheidung kaum betroffen, da die mit diesen Token verbundenen Rechte ohnehin schon anderweitig reguliert sind.

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Die Token als Finanzinstrumente zu qualifizieren wurde bisher wegen der zahlreichen Schreiben der BaFin als allgemeine Verwaltungspraxis anerkannt. Die Berliner Richter haben diese Sichtweise nun ordentlich durchgerüttelt. Die Szene frohlockt, könnten nun doch einige Erlaubnistatbestände, zum Beispiel der Betrieb einer Handelsplattform, schlicht nicht mehr anwendbar sein, solange der Gesetzgeber sie nicht ausdrücklich geregelt hat.

Doch Vorsicht: Die BaFin war bei dem Verfahren nicht beteiligt. Die Entscheidung eines Strafgerichts ist für sie keineswegs bindend. Sie ist also nicht daran gehindert, ihrer bisherigen Linie treu zu bleiben. Und dür Anbieter wie Bitcoin.de, die sich bislang auf eine Erlaubnis berufen können, wird sich daher erst einmal nichts ändern.

Wie entwickelt sich die Rechtslage weiter?

Um ihrer Rolle als Aufsichtsbehörde effizient nachzukommen, ist auch davon auszugehen, dass die BaFin die Tatbestände weiterhin weit auslegt und bei ihrer Linie bleibt, gewerblichen Bitcoin-Handel als erlaubnispflichtig einzustufen. Wer sich durch eine Maßnahme der BaFin in seinen Rechten beschränkt fühlt, dem steht aber natürlich der Verwaltungsrechtsweg offen, und an eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts wäre die BaFin gebunden. Man darf gespannt sein, wie sich die Rechtsprechung hier in Zukunft verhält.

Noch spannender wird aber sein, wie sich die Rechtslage nun weiterentwickelt. Folgt die BaFin der Ansicht des Kammergerichts, wäre für die Praxis sicher viel gewonnen. Letztverbindlich darüber entscheiden kann allerdings einzig und allein der Gesetzgeber, so wie dies gerade in Liechtenstein geschehen ist. Zwar wäre es zu begrüßen, dass die EU hier tätig wird und europaweite Standards festlegt, zum Beispiel im Zuge ihres „FinTech Actions Plans“, der auch Crowdfunding umfasst.

Wahrscheinlicher, weil schneller, dürfte aber sein, dass der deutsche Gesetzgeber hier kurzfristig für Klarheit sorgt, zumal Themen rund um die Blockchain ja auch im Koalitionsvertrag genannt sind. Und auch der Kryptoszene sollte klar sein: Regulierung bringt nicht nur etwas Aufwand mit sich, sondern insbesondere auch Rechtssicherheit und Vertrauen.

Bild: Getty / Tomohiro Ohsumi