Wer sein Büro auf dem Land einrichten möchte, hat derzeit das Nachsehen.
Wer sein Büro auf dem Land einrichten möchte – insbesondere Mecklenburg Vorpommern oder Sachsen –, hat derzeit das Nachsehen.

Wenn Tim Höttges über sein Unternehmen spricht, ist er versucht, seine Konkurrenten blass aussehen zu lassen. Das gilt vor allem dann, wenn der Chef der Deutschen Telekom über sein Netz spricht. „Wir investieren mehr als alle anderen Unternehmen in die Infrastruktur“, sagt er dann. Am Mittwoch haben ihm nun seine Konkurrenten mit einer Breitbandstudie geantwortet. Die Zusammenfassung könnte lauten: Höttges hat recht, nur investiert er in die falschen Anschlüsse.

Ein Großteil der Netzinvestitionen der vergangenen drei Jahre ging an den Breitbandzielen der Bundesregierung vorbei. Das ist das Ergebnis einer Studie des Bundesverbands Breitbandkommunikation (Breko), die am Mittwoch in Berlin vorgelegt wurde. Zwar hat sich der Breitbandstudie 2018 zufolge die Verfügbarkeit von Breitbandanschlüssen mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde zwischen 2014 und 2017 um knapp 6,3 Millionen Haushalte erhöht. Doch die Zahl der Haushalte, die zwischen zwei oder mehr Anschlusstechnologien mit dieser Geschwindigkeit wählen können, stieg in dieser Zeit um fast 13,5 Millionen. So zerfällt Deutschland in zwei Teile: Die einen haben schnelles Internet – und zwar zwei- oder dreifach. Die anderen haben nichts.

Fehlinvestitionen durch Überbau

Der Breko, in dem 180 meist kleinere Netzbetreiber in Deutschland organisiert sind, beklagt dieses Verhältnis als „Fehlinvestitionen durch Überbau“. Tatsächlich hat die Deutsche Telekom in Ballungsgebieten durch die Vectoring-Technologie in den vergangenen Jahren viele DSL-Anschlüsse auf 50 Megabit und mehr beschleunigt. In diesen Gebieten hatten die Wettbewerber aber bereits schnelle TV-Kabel- oder Glasfaseranschlüsse im Angebot.

Die Bundesregierung hatte in ihren Breitbandzielen festgelegt, dass bis Ende 2018 alle Haushalte Anschlussgeschwindigkeiten von mindestens 50 Megabit bekommen sollten. Dieses Ziel ist nach Angaben von Experten nicht zu erreichen. Ende vergangenen Jahres hatten nicht einmal 80 Prozent aller Haushalte eine solche Geschwindigkeit zur Verfügung. In den Bundesländern Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt waren es noch nicht einmal zwei Drittel der Haushalte.

Zurückhaltung beim Verlegen neuer Anschlüsse

Mit fast 64 Prozent der Haushalte sind es die TV-Kabelnetzanbieter wie Vodafone (Kabel Deutschland) und UnityMedia, die heute den Großteil der Haushalte an das schnelle Internet anschließen könnten. Sie bieten ihren Kunden Geschwindigkeiten von mehreren hundert Megabit pro Sekunde. Doch dieser Anteil steigt nur sehr langsam. Vor vier Jahren waren es bereits knapp 62 Prozent. Das zeigt, dass sich die TV-Kabler beim Verlegen von neuen Anschlüssen sehr zurückhalten. 

Die schnellste Aufholjagd hat die Telekom mit DSL und Vectoring vorgelegt. Dabei werden die alten Kupferleitungen technisch so weit aufgerüstet, dass sie höhere Internet-Geschwindigkeiten schaffen. Bei den DSL-Anschlüssen stieg der Anteil seit 2014 von gut 17 Prozent auf knapp 60 Prozent. Die Telekom stemmt sich damit gegen die Konkurrenz im TV-Kabel.

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Die Zukunftstechnologie Glasfaser ist in Deutschland nur schwach vertreten. Im internationalen Vergleich ist das Land weit abgeschlagen hinter Ländern wie Ukraine, Türkei, Ungarn und Bulgarien. Nur drei Prozent der Haushalte haben hierzulande einen Glasfaseranschluss. Nach Schätzungen des Bundesverbands Breitbandkommunikation werden in Deutschland neun Prozent der Haushalte mit Glasfaser erreicht. Demnach bucht nur jeder dritte Glasfaser-Haushalt einen solchen Anschluss. Mehr als 80 Prozent der Glasfaser-Anschlüsse werden dem Breko zufolge durch alternative Netzbetreiber zur Verfügung gestellt, der Rest durch die Telekom.

Über Glasfaser sind Internet-Geschwindigkeiten von mehreren Gigabit möglich, auch wenn die tatsächlich vermarktete Geschwindigkeit für Privathaushalte nicht über ein Gigabit hinausgeht. Experten erwarten jedoch ein stark ansteigendes Datenvolumen über die Festnetzanschlüsse, nicht zuletzt wegen der zunehmenden Nutzung von Streaming-Diensten wie Netflix und YouTube. Bis 2025 soll sich diese Menge Prognosen zufolge auf mehr als 800 Gigabyte pro Monat und Anschluss mehr als verzehnfachen. Die Netzbetreiber des Breko gehen davon aus, dass im Jahr 2025 die durchschnittlich nachgefragte Bandbreite bei einem Gigabit, also 1000 Megabit, liegen wird.

„Prozess ist noch zu kompliziert“

Seit 1998 haben die Netzbetreiber in Deutschland 145 Milliarden Euro in die Netze investiert. In den vergangenen zwei Jahren hat die Telekom nicht zuletzt wegen ihres Vectoring-Ausbaus mit 4,3 und 4,4 Milliarden Euro mehr investiert als die alternativen Netzbetreiber. In den Jahren vor 2016 waren die Investitionen der alternativen Betreiber deutlich höher. Gemessen am Umsatz investieren die Telekom-Konkurrenten durchweg einen größeren Anteil. Im vergangenen Jahr war es jeder vierte Euro, der wieder in die Infrastruktur investiert wurde, bei der Telekom waren es hingegen knapp 20 Prozent. 

Inzwischen fördert der Bund auch in unterversorgten Gebieten verstärkt den Glasfaser-Ausbau. Je nach Bundesland ist die Zahl der Projekte hoch, doch der Breitbandstudie zufolge sind die endgültigen Bewilligungen noch gering. „Wir haben hier einen Bewilligungsstau, der zeigt, dass der Prozess noch zu kompliziert ist“, sagte Breko-Geschäftsführer Stephan Albers. Doch wenn sich der Stau auflöst, könnte sich die Situation schnell ändern. „Wenn die Fördermittel in einem Jahr zu hoch bereitgestellt werden, dann haben wir das Problem, dass die Preise für Tiefbaukapazitäten ansteigen“, sagte Breko-Präsident Norbert Westfal. „Wir brauchen daher eine maßvolle Förderung. Lieber dauerhaft und nachhaltig, als in einem Förder-Tsunami.“

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Tatsächlich klagen Netzbetreiber bereits seit längerem über steigende Tiefbaukosten. Die Telekom nimmt bereits Firmen aus dem Ausland unter Vertrag. Um den Netzausbau zu beschleunigen, hatte die Bundesregierung das DigiNetz-Gesetz geschaffen. Demnach sollten Netzbetreiber bei jeder Baustelle an Verkehrswegen ihre Glasfaserkabel mitverlegen dürfen.

„Ausbau muss lohnendes Modell bleiben“

Breko-Präsident Westfal lobt das Gesetz zwar in Grundzügen, fordert jedoch eine Nachsteuerung. „Wenn ein Netzbetreiber gräbt, um Glasfaser zu verlegen, sollten nicht Konkurrenten auch noch eine Glasfaser mit hineinlegen können“, sagte er. Denn selbst wenn sich Konkurrenten finanziell an den Arbeiten beteiligten, würde so der Geschäftsplan nicht mehr aufgehen. „Wir müssen sicherstellen, dass der Ausbau ein lohnendes Modell ist und bleibt.“
Der Bundesverband Breitband schlägt nun eine weitere Form der Förderung vor: Mit einer „Zukunftsprämie“ könnten Hausbesitzer einen Zuschuss von bis zu 1500 Euro erhalten, wenn sie einen Glasfaseranschluss legen lassen. „Diese direkte Förderung würde genau dort ankommen, wo sie gebraucht wird“, heißt es beim Breko.

Mit Sorge blicken die kleineren und regionalen Netzbetreiber auf die nächste Mobilfunkversteigerung. Derzeit haben viele von ihnen Verträge mit Mobilfunkanbietern, um ihren Kunden einen kombinierten Tarif für einen Festnetzanschluss mit Mobilfunk anbieten zu können. Doch mit der Frequenzversteigerung für die nächste fünfte Mobilfunkgeneration (5G) im kommenden Frühjahr wird es den Plänen der Bundesnetzagentur zufolge keine Verpflichtung für die Mobilfunker mehr geben, andere Anbieter auf ihre Netze zu lassen. Sollten sich die Mobilfunker sperren, hätten die kleinen Anbieter keine Handhabe dagegen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de

Bild: Getty Images / Aliyev Alexei Sergeevich