Die Arbeitskluft des Digitalnomaden: der Gründer Christoph Huebner im Oman

Am Tag vorher habe er sich den Katastrophenfilm „Outbreak“ angesehen, erzählt Christoph Huebner im Telefonat mit Gründerszene. Außer bei der Filmauswahl beeinflusse ihn das Coronavirus bisher wenig, behauptet er. Christoph Huebner ist Gründer des Versicherungs-Startups „Leni, Leon & die Luchse“ und Digitalnomade – er leitet seine Firma also von unterwegs aus.

Das Startup vermittelt Krankenversicherungen für Kinder. Auch Huebners Mitgründer Markus Herrmann und die sieben Angestellten arbeiten remote – aus Leverkusen, wo die Firma angemeldet ist, aus dem Allgäu, aus Vietnam oder Portugal. Dreimal im Jahr verabredet sich das Team an wechselnden Destinationen in Europa. Kommende Woche wollten sich alle in Zypern treffen.

Huebner selbst ist Anfang März in den Oman gereist, drei Wochen wollte er ursprünglich bleiben. Danach sollte es weiter zum Teammeeting auf die Mittelmeerinsel gehen – das fällt Corona-bedingt aus. Huebner bleibt also im Oman. Nicht, weil er nicht mehr nach Deutschland reisen könnte – wenn er wollte, ginge das schon, so der Gründer. Er wolle aber nicht. „Das Internet hier ist sehr gut und die Stimmung ist auch besser, als ich sie in Deutschland wahrnehme.“

Recruiting durch Bewerbungsvideos und Videokonferenzen

Sein Unternehmen könne er auch aus der Wüste heraus führen, sagt der 37-Jährige: „Für uns ändert sich gar nichts in der Arbeitsorganisation.“ Für die Zusammenarbeit nutze die Firma die üblichen digitalen Tools wie Slack oder Zoom. Auch das Recruiting verändere sich durch Corona nicht für die Versicherungsfirma. Huebner und sein Mitgründer hätten bislang immer Einstellungsgespräche über Videocalls geführt. Viele der Mitarbeiter hätten ihren Arbeitsvertrag sogar unterschrieben, ohne die Gründer jemals persönlich getroffen zu haben.

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„Wir inserieren gezielt auf Plattformen für Digitalnomaden, da erreichen wir die Leute mit dem richtigen Mindset“, sagt der Gründer. Aus den Bewerbungen erstellen er und sein Mitgründer eine Shortlist. Fünf der Bewerberinnen und Bewerbern werden gebeten, ein kleines Video von sich aufzunehmen. „Daran können wir erkennen, wie sicher jemand auftritt. Und wir sehen auch, wie groß die Motivation wirklich ist.“ Darauf folgen mehrere Videokonferenzen mit den Kandidatinnen und Kandidaten.

Auch in den letzten Wochen seien zwei neue Angestellte bei „Leni, Leon & die Luchse“ hinzugekommen. Huebner hat sie noch nicht persönlich kennengelernt – das war eigentlich für Zypern geplant gewesen.

Tools fürs Remote-Arbeiten 

Alle Teammitglieder seien mit Touchscreens und sogenannten Active Pens ausgestattet, mit denen sie Verträge direkt am Computer unterzeichnen können, sagt Huebner. Einige Versicherungsanträge bekomme die Firma immer noch per Post. Die Zahl der postalischen Anträge habe in den letzten Jahren aber stark abgenommen, so der Gründer. Die Firmenpost lasse das Startup an Dropscan weiterleiten, eine Berliner Firma, die Unterlagen digitalisiert.

Auch telefonieren könnten die Mitarbeiter von überall auf der Welt. Dafür nutze die Firma ein Tool der Software-Firma Sipgate. So können die Mitarbeiter mit einer App die Anrufe annehmen, die auf ihrer deutschen Firmennummer eingehen – egal wo sie sich gerade befinden.

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Huebner selbst wolle noch „bis auf weiteres“ im Oman bleiben, sagt er. Anders als die meisten seiner Mitarbeiter, die normalerweise ebenfalls mehrere Monate im Jahr im Ausland verbringen, etwa in Südostasien. Viele von ihnen seien mittlerweile nach Deutschland zurückgekehrt – nicht so sehr aus Angst vor dem Virus, sondern weil sie sich an ihren Standorten fernab der Heimat nicht mehr wohl gefühlt hätten, sagt Huebner. Die Einheimischen verhielten sich zunehmend feindseliger gegenüber Touristen, beklagt er. Ganz im Gegenteil zum Nahen Osten – dort seien alle sehr freundlich.

Das nächste Reiseziel hat er aber schon vor Augen. Im Juli wollen er und sein Team ins estländische Tallinn reisen, dann ist das nächste Teammeeting anberaumt. Gemeinsam wolle man ein Rammstein-Konzert besuchen, erzählt er. Das möchte er sich nicht entgehen lassen, wenn es denn die Situation erlaube.

Bild: Privat