Hätte seine KI-Strategie wohl lieber erst später vorgestellt: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)

Eigentlich war alles ganz anders geplant. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sollte am kommenden Dienstag in Nürnberg auf die Bühne treten, im Beisein des halben Bundeskabinetts den Digitalgipfel eröffnen, und dabei das noch druckfrische Papier in der Hand halten, auf dem die Strategie für Künstliche Intelligenz (KI) der Bundesregierung stehen sollte.

Unglücklicherweise hatte das Bundeskabinett auf seiner Digitalklausur Mitte November in Potsdam nichts, was es wirklich beschließen konnte. Und so musste flugs die KI-Strategie für die Abstimmung herhalten. Nun ist das Papier, das Altmaier den mehr als 1.000 Teilnehmern präsentieren wird, kalt.

Doch im Grunde ist die Eile angemessen, glaubt man den Mahnungen der Experten: Geht es um Künstliche Intelligenz, hat Deutschland keine Zeit zu verlieren. Länder wie China und die USA haben früher als Deutschland erkannt, mit welcher Wucht KI Wirtschaft und Gesellschaft trifft. Ihre Pläne sind längst geschrieben. China hat angekündigt, bis 2020 einen KI-Markt von 150 Milliarden Dollar zu schaffen. 2030 will das Land bei der Künstlichen Intelligenz weltweit führend sein.

„In Milliarden statt Millionen denken“

Auch die Bundesregierung hat sich vorgenommen, ganz vorn mitzuspielen. „Wir wollen Deutschland und Europa zu einem führenden KI-Standort machen und so zur Sicherung der künftigen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beitragen“, heißt es in dem rund 80 Seiten umfassenden Strategiepapier.

Und weiter: „Wir wollen den exzellenten Forschungsstandort Deutschland sichern, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ausbauen und die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von KI in allen Bereichen der Gesellschaft im Sinne eines spürbaren gesellschaftlichen Fortschritts und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger fördern.“

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Wie das alles im Detail geschehen soll, wird auch Thema auf dem Digitalgipfel sein. So will Deutschland der Strategie zufolge bis 2025 insgesamt drei Milliarden Euro in Künstliche Intelligenz investieren und 100 neue Professuren dafür schaffen. Pro Jahr wären das 500 Millionen Euro, mit denen Deutschland KI fördern will. „Wir sollten eher in Milliarden und nicht in Millionen denken“, sagte Achim Berg, Präsident des Digitalverbandes Bitkom. Insbesondere im Vergleich mit den USA und China seien die Summen nicht ausreichend.

Beobachter raten auch zu einem koordinierten Vorgehen in Europa. Und tatsächlich will die Europäische Kommission Berichten zufolge in dieser Woche einen EU-Aktionsplan zur Künstlichen Intelligenz vorlegen, der mit den Mitgliedsländern abgestimmt ist. Auch hier gibt es das Ziel, Europa zu einer „weltweit führenden Region“ bei KI zu machen. Bis 2020 sollen zusammen mit der Wirtschaft dafür 20 Milliarden Euro investiert werden.

Während der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Andrus Ansip, Künstliche Intelligenz als „revolutionäre Technologie“ bezeichnet, halten sich die Unternehmen noch zurück und scheinen sie nur sehr zögerlich einzusetzen. Nach einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) nutzt in Deutschland gerade einmal jedes fünfte Unternehmen eine konkrete KI-Anwendung, knapp 30 Prozent entwickeln diese gerade erst.

Wertschöpfung von 13 Billionen Dollar

„Wenn Deutschland seinen Platz als eine der wichtigsten Wirtschaftsnationen weltweit behalten will, besteht jetzt dringend Handlungsbedarf“, sagte BCG-Deutschlandchef Carsten Kratz. Schließlich sei KI einer der Pfeiler für künftiges wirtschaftliches Wachstum in allen Branchen.

„Wenn der Staat mit dem Digitalgipfel eine KI-Offensive startet, ist das begrüßenswert. Genauso wichtig ist, dass Unternehmen in einer von Daten getriebenen Welt Verantwortung übernehmen“, sagte Kratz. „Sie müssen klar definieren, wohin die Reise geht, damit sie mit KI erfolgreich sind.“

Wie wichtig KI für das Wirtschaftswachstum sein kann, zeigt auch eine Studie des McKinsey Global Institute (MGI). Demnach kann KI das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2030 zusätzlich um durchschnittlich 1,2 Prozentpunkte pro Jahr steigern.

KI übertrifft somit der Prognose zufolge den jährlichen Wachstumseffekt, den seinerzeit Dampfmaschinen, Industrieroboter und die Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien erzielten. Insgesamt sei mit KI bis 2030 ein zusätzlicher globaler Wertschöpfungsbeitrag in Höhe von 13 Billionen Dollar möglich.

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Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di fordert die Politik auf, die gesellschaftlichen Folgen der KI zu berücksichtigen. KI führe zu Umbrüchen in Unternehmen und in der Gesellschaft. Dieser Prozess solle demokratisch gestaltet werden. „Uns geht es neben der Debatte über eine Nützlichkeitsvision der KI vor allem um soziale und ethische Standards“, sagte Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Lothar Schröder.

Notwendig sei außerdem, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu kennzeichnen. Beschäftigte und ihre Interessenvertretungen sollten frühzeitig beteiligt werden, wenn KI im Unternehmen eingesetzt werde.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / Sean Gallup